Magda Trott

Pucki


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Schwesterchen zufrieden sein, Hedi.«

      »Dann möchte ich schon lieber ein Paar Klotzpantinen und kein Schwesterchen, das immerzu schreit. – Oder ein Schmalzbrot von der Gans mit ohne Wurst.«

      »Du hast recht merkwürdige Wünsche, kleines Mädchen. – Nun schau, gleich sind wir da.«

      Hedi griff nach der Hupe und ließ sie mehrmals laut ertönen. Lachend hob der Oberförster das Kind aus dem Wagen, begrüßte Frau Niepel herzlich und sagte, dass er die Kleine bei seiner Rückkehr in einer knappen Stunde wieder abholen würde, um sie zurück ins Forsthaus zu bringen.

      Paul war sehr erfreut, als er die Spielgefährtin erblickte. Der Arzt hatte tatsächlich einen Knöchelbruch festgestellt und das Bein des Knaben in Gips gelegt. Selbstverständlich schmerzte der Bruch, und Paul begann erneut zu weinen, als er mit Hedi sprach.

      »Na, weine mal nicht«, tröstete ihn das Kind, »vielleicht komme ich morgen mit meinem Bruder her; dann spielen wir zusammen.«

      »Wo hast du denn einen Bruder?«

      »Onkel Oberförster hat es gesagt, dass wir uns einen Bruder anschaffen, aber gleich einen großen, der mit uns spielt. Der wird sich freuen, wenn er in dem schönen grünen Wald ist.«

      Hedi erzählte dem Kranken eingehend von der Waldfrau, von Mucki und Pucki. Außerdem dachte sie sich noch andere schöne Geschichten von den beiden Kobolden aus. Das machte sie immer so.

      »Wenn du wieder gesund bist, suchen wir Pucki und Mucki, Paul. Oh« – sie horchte auf – »da ist schon der Onkel Oberförster, es tutet.«

      Mit betrübtem Gesicht stürmte Hedi davon. Doch es war nicht der Wagen des Oberförsters. Es war ein kleineres Auto von grauer Farbe, aus dem zwei Herren stiegen. Hedi verbarg sich hinter der Haustür; die beiden Männer mit den langen Bärten flößten ihr doch ein wenig Unbehagen ein. Auch Fritz kam neugierig herbeigelaufen; Hedi hielt ihn fest.

      »Das sind zwei schlimme Männer«, flüsterte sie.

      Die Herren wurden von dem Gutsbesitzer begrüßt und in sein Arbeitszimmer geführt. Es handelte sich um zwei Händler aus der Stadt, die zu Niepel herauskamen, um einen geschäftlichen Abschluss zu machen.

      »Du –«, sagte Fritz, »wir wollen mal tuten.«

      »Wir dürfen nicht. Mutti hat gesagt, wir sollen kein Auto anfassen, es würde uns auch nicht gefallen, wenn jemand unsere Puppen anfasst und damit spielt.«

      »Aber wir können doch ein bisschen gucken?«

      Hedi schielte nach den Fenstern des Wohnhauses hinüber. »Sie sehen uns und schimpfen.«

      Die beiden Kinder standen in der Haustür und betrachteten das Auto, das so ganz anders war wie das des Oberförsters.

      »Was er wohl da hinten in der Klappe haben mag? – Du, ich möchte die Klappe mal aufmachen«, meinte Hedi.

      Es handelte sich hier um einen kleinen Wagen, der einen sogenannten Notsitz hinten hatte. Diese Klappe regte die Fantasie der Kinder auf das höchste an. Was mochten die beiden Männer dort hineingesteckt haben?

      »Wo sind sie denn, die Männer?« fragte Hedi.

      »Ich werde mal ein bisschen drücken. Wenn sie nicht kommen, sind sie weit weg. Manchmal geht der Vater mit den Männern über den Hof und in die Ställe. – Wollen wir mal drücken?«

      »Guck doch mal, wo Onkel Niepel ist!«

      In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür, und wieder huschten die beiden Kinder in ihr Versteck.

      »Kommen Sie, wir gehen hinüber nach der Scheune«, sagte der Gutsbesitzer.

      Hedi kniff den Spielgefährten vergnügt in den Arm. Um zur Scheune zu gelangen, musste man über den großen Hof, das war sehr weit.

      »Ob wir uns nu mal die Klappe ansehen?«

      Fritz war mutiger als Hedi; er kletterte auf den Wagen. Vom Vordersitz aus war es möglich, den großen Deckel, wie Hedi sagte, aufzuheben.

      »Guck«, rief Fritz voller Begeisterung, »hier geht es ganz tief 'runter. – Kriech mal 'rein, dann mache ich die Klappe zu.«

      Zwei neugierige Kinder beugten sich interessiert über den Notsitz.

      »Kriech doch mal 'rein«, meinte Fritz. »Wollen mal gucken, was da unten ist.«

      Kopfüber kroch das kleine Mädchen über den Sitz in das Loch hinein.

      »Au, fein«, rief Hedi, »hier unten ist es ganz schwarz. – Komm, wir spielen Verstecken.«

      »Wenn die Räuber kommen und die Indianer, so finden sie uns nicht. Hörst du sie schon? Es sind Wölfe, die brüllen. Wir müssen ganz still sein.«

      Auch Fritz verschwand unter der Klappe, die über den Kindern zufiel. Es war einfach herrlich, hier völlig ungesehen im Wagen zu sitzen.

      »Jetzt sind die Räuber schon nahe«, flüsterte Fritz. »Du bist meine Frau, dich wollen sie holen. Ich aber beschütze dich.«

      Nun begann ein erregtes Flüstern. Die beiden freuten sich, dass die Räuber sie nicht fanden. Schließlich meinte Hedi:

      »Nun sind sie weg, nun wollen wir wieder 'rauskriechen.«

      Gerade als sie die Klappe öffnen wollten, klirrte zu ihren Füßen etwas. Erschrocken hielt Hedi den Atem an.

      »Haben wir was kaputt gemacht?«

      Die Kinder beugten sich tiefer; sie fassten in Scherben und in eine Flüssigkeit.

      »O weh«, meinte Hedi erschrocken, »was wird nun werden? Wenn die schwarzen Männer kommen – – es wird schlimm werden!«

      Am liebsten hätte sie geweint. Die Ermahnungen der Eltern fielen ihr ein. Erst heute früh hatte die Mutti davon gesprochen, dass ein schlimmer Streich mitunter übel ausgehen könne, dass man ein Auto in Ruhe lassen soll.

      »Wir wollen schnell wieder 'raussteigen«, meinte Fritz. Er wollte die Klappe öffnen, aber ... »Der Vater!«

      Die Kinder hörten, dass der Gutsbesitzer mit den beiden Herren zurückgekommen war und im Vorgarten stand. Das Herz klopfte den beiden stürmisch. Wenn die Männer die Klappe aufmachten – – Es war nicht auszudenken!

      Hedi klammerte sich an den Arm des Freundes; regungslos verharrten beide in dem dunklen Versteck.

      »Meine Hand ist wie Honig«, sagte Hedi. – »Es klebt alles fest.«

      »Sei still!«

      Angstvolle Minuten vergingen. Die Männer standen mit dem Vater am Wagen. – Jetzt begann der Wagen zu wackeln, die beiden Männer stiegen ein – Hedi wollte schreien, doch kein Laut kam ihr über die Lippen.

      Immer enger drückten sich die beiden Kinder aneinander. Was eben noch im Spiel gesagt worden war, erschien ihnen grausame Wirklichkeit. Vorn saßen zwei Räuber, alte, große Räuber mit langen, schwarzen Bärten. Sie entführten das Pärchen.

      »Mach doch die Klappe auf«, sagte Fritz mit tränendurchzitterter Stimme.

      »Nein, lass die Klappe zu«, flüsterte Hedi.

      »Ich hab' Angst!«

      »Ich auch!«

      »Sie fahren uns fort – – wir werden sagen, sie sollen anhalten.«

      Leise und behutsam wurde die Klappe ein wenig geöffnet. Vier verängstigte Kinderaugen schauten heraus. – Richtig, direkt vor ihnen saßen die beiden Männer. Sollte man sie antippen und bitten: Lasst uns frei, wir wollen auch niemals wieder das Auto anfassen!

      »Die kleinen kann ich nicht leiden«, sagte der eine der Männer laut.

      Leise schloss sich die Klappe. »Haste gehört«, flüsterte Fritz, »er mag kleine Kinder nicht. – Wie wird es uns ergehen.«

      Hedi sank in sich zusammen. »Es wird schlimm