Magda Trott

Pucki


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Das hat uns der liebe Gott aus dem Himmel geschickt.«

      »Vielleicht wollte er es nicht mehr haben, weil es so viel schreit. – Wir wollen ihm doch sagen, er soll es wieder in den Himmel holen.«

      »Schäme dich, Hedi! Das Schwesterchen wird größer, dann läuft es und spielt mit dir im Garten und im Walde.«

      »Aber morgen kann es noch nicht mit mir spielen?«

      »Dummerchen, so schnell geht es nicht.«

      Von nun an beobachtete Pucki die Kleine noch aufmerksamer. Wenn sie am Wagen stand, so sprach sie oftmals auf das schlafende Baby ein.

      »Dummer Schreihals – nun wachs aber endlich! Ich will doch mit dir spielen!«

      Sie konnte sich mit dem Baby nicht anfreunden und ging auch nach wie vor lieber nach dem Niepelschen Gut, um die Drillinge zu besuchen, als dass sie neben der Mutter herlief, die das Baby oftmals im Kinderwagen im Wald spazieren fuhr. Freilich, bei Niepels war auch manches anders geworden. An jedem Morgen fuhr der Kastenwagen mit den Milchkannen Walter und Fritz zur Schule nach Rahnsburg. Hedi stand oft vor der Tür des Forsthauses, wenn der Wagen vorüberkam und winkte den Knaben zu. Wenn das Gefährt dann gegen Mittag zurückkam, wurde meist angehalten; es begann ein lebhaftes Fragen und Antworten. Walter fand es schrecklich in der Schule, Fritz dagegen behauptete, es sei furchtbar ulkig und man könnte dort allerlei Späße machen. Paul lag nun nicht mehr zu Bett, er durfte jedoch noch nicht weit gehen, um das gebrochene Bein, das langsam zu heilen anfing, nicht anzustrengen. Er sehnte die Stunde herbei, in der er wieder frei herumspringen durfte, und hatte Hedi hoch und heilig versprochen, niemals wieder den Knecht zu ärgern, denn er wisse nun, was ein Hinkeldei sei.

      An einem Vormittag, als Hedi wieder einmal mit der geliebten Puppe im Garten des Forsthauses saß, unweit des Kinderwagens, kam ein Auto. Neugierig blickte das kleine Mädchen dem Wagen entgegen, ließ aber im nächsten Augenblick erschreckt die Puppe fallen, denn es erkannte in dem Fahrer jenen schrecklichen Mann mit dem schwarzen Bart. Das war auch derselbe graue Wagen mit der Kiste hintendran, in der sie die entsetzliche Fahrt zurückgelegt hatte.

      Der schwarzbärtige Mann war für Hedi noch immer ein Schrecken. Obwohl er freundliche Worte mit ihr gewechselt hatte, glaubte sie doch nicht recht an seine Ehrlichkeit. Zu deutlich standen die entsetzlichen Stunden, die sie im Wagen und später in der Garage verlebt hatte, noch in ihrer Erinnerung.

      »He, holla, kleines Mädchen!«

      Hedi blieb stehen und sah misstrauisch auf den schwarzen Mann, der aus dem Auto stieg und durch den Garten geschritten kam.

      »Kennst du mich noch?«

      Hedi nickte.

      »Du brauchst mich nicht gar so ängstlich anzusehen, kleines Mädchen, ich tue dir nichts; im Gegenteil, ich habe dir was Schönes mitgebracht.«

      Noch immer stand das Kind regungslos in der Haustür, um jeden Augenblick zur Mutter zu laufen, falls der schwarze Mann Miene machen sollte, sie erneut in den Kasten zu stecken.

      »Schau mal, da ist ja noch ein kleines Kindchen. Ist das dein Brüderchen oder dein Schwesterchen?«

      »Ja.«

      »Da freust du dich wohl sehr?«

      Hedi schüttelte den Kopf, »Mutti hat es geholt, als ich nicht nach Hause kam. – Willst du es mitnehmen?«

      »Nein, nein, ich will dir nur etwas bringen. Warte noch einen Augenblick. Für dich und deinen kleinen Freund habe ich ein paar Luftballons.«

      Luftballons? Darunter konnte sich Pucki nichts vorstellen. Von Luftballons hatte die Kleine noch nichts gehört. Langsam und vorsichtig folgte sie dem Getreidehändler Henschel, der aus dem Wagen sechs bunte Gasballons hervorholte. Jeder Ballon war an einem langen Faden befestigt und schwankte lustig in der Luft hin und her.

      Hedis Augen leuchteten auf. Die blauen, roten, grünen und gelben Ballons gefielen ihr sehr. Sie streckte beide Hände danach aus.

      »Kann ich sie kriegen?«

      »Ja, für deinen Freund habe ich noch andere im Wagen.«

      Er reichte dem kleinen Mädchen fünf Ballons und behielt einen blauen zurück.

      »Du musst sie gut festhalten. Wenn sie fortfliegen, kommen sie nicht wieder. Dann gehen sie bis in die Wolken.«

      Hedi hörte kaum auf die Worte. Sie riß an den Bindfaden hin und her und jauchzte vor Freude laut auf, als die Ballons immer wieder zur Höhe strebten. Sie lief im Garten mit den Luftballons immer auf und ab.

      »Nun pass mal auf, kleines Mädchen, wie hoch solch ein Ballon fliegt, wenn ich ihn loslasse.«

Bild: Artur Scheiner

      Nach diesen Worten riss Henschel die Schnur entzwei, an der der Ballon schaukelte. Kerzengerade stieg er in die Luft.

      Hedi ließ kein Auge davon ab. Von Zeit zu Zeit stieß sie einen Freudenschrei aus, weil der Ballon immer höher schwebte.

      »Können wir ihn nicht endlich zurückrufen?«

      »Nein, das geht nicht – der ist nun weg, der fährt in die Wolken.«

      »Zu den Englein?«

      »Ja – er sagt den Englein guten Tag.«

      »Und den Sternen auch?«

      »Jawohl.«

      »Oh – ich möchte auch mal so hoch fliegen und die Sterne anfassen und den Englein guten Tag sagen.«

      »Wie der kleine Pitt.«

      »Wer ist der kleine Pitt?«

      Der Getreidehändler lachte. Dieses niedliche blonde Mädchen machte ihm Spaß. Warum sollte er ihm nicht ein Märchen erzählen.

      »Ist der kleine Pitt zu den Englein geflogen?«

      »Ja, der kleine Pitt war ein ganz kleiner Junge, genau so klein wie du. Man hatte ihm viele solcher Luftballons geschenkt, da hat er sich einen an den Arm, einen ans Bein, einen um den Hals gebunden und dann hat er die anderen auf die Erde gelegt, hat sich daraufgesetzt und husch – ist er losgeflogen. Die Ballons haben ihn immer höher getragen, bis in die Wolken.«

      »Ist er denn nicht 'runtergefallen?«

      »O nein, der kleine Pitt saß ganz ruhig auf den Ballons. Dann ist er in die Wolken gekommen, hat den Sternen und dem Mond guten Tag gesagt – –«

      »Hat der Mond ein gutes oder ein böses Gesicht gemacht?«

      »Ein gutes Gesicht. Er sagte zum kleinen Pitt: Nun bleib mal ein bisschen bei mir, ich werde dir die Mondwiese zeigen. Auf der Wiese weiden viele Kühe und Schafe.«

      »War auf der Wiese grünes Gras?«

      »Jawohl, wunderschönes grünes und blaues Gras. Ganz so blau wie der Himmel.«

      »Blaues Gras hat Onkel Niepel aber nicht.«

      »Beim Mondmännchen ist das anders, das Mondmännchen hat ganz große Kühe, viel größer als die bei Onkel Niepel. Das sind die Mondkühe. Dann hat das Mondmännchen die Kühe gemolken, und der kleine Pitt hat viel gute Milch bekommen.«

      »Er hat wohl mächtigen Hunger gehabt, weil er so lange in die Luft hineingefahren ist?«

      »Dem kleinen Pitt hat es bei dem Mondmännchen sehr gut gefallen. An jedem Morgen ist er hinaus auf die Mondwiese gelaufen und hat die Kuh gemolken und frische Milch getrunken.«

      »Da wird ihn seine Mutti aber sehr gesucht haben. Sie wird sich inzwischen wohl auch ein kleines Schwesterchen angeschafft haben.«

      »Das hat sie gewiss getan. Darum kümmerte sich der kleine Pitt aber nicht. Er sprang lustig auf der Mondwiese zwischen den Kühen umher und hat schöne Blumen gepflückt. Und eines Tages hat das Mondmännchen zu ihm gesagt, er solle die Milch der Kühe in einen Eimer melken, damit die gute Milch