Magda Trott

Pucki


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Schutzengel das immer mitmacht, was ich mache. – Hat der Schutzengel vom Paul auch mit auf dem Baum gesessen? Ist er mit heruntergekullert?«

      »Nein, der Schutzengel hat unten am Baum gestanden, er hat den Paul gewarnt, hinauf zu steigen – –«

      »Und da hat der Paul nicht gehört?«

      »Und dann hat ihn der Schutzengel aufgefangen, als er vom Baum fiel, sonst hätte sich der Paul den Kopf zerschlagen.«

      »Da hätte ihn der Schutzengel aber besser auffangen müssen, Vati. Ein Bein ist doch zerbrochen.«

      »Das war die Strafe dafür, dass er den lahmen Knecht verhöhnte. Wäre der Schutzengel nicht gewesen, so wäre das Bein vom Paul nicht so gut geheilt. Doch der Schutzengel hat gleich seine Hand darauf gelegt, damit der Paul kein Hinkeldei wurde.«

      »Vati, ich möchte gerne wissen – –«

      »Pucki, jetzt wird Vati ernstlich böse, wenn du nicht sogleich heimgehst. – So, hier hast du den geraden Weg vor dir, und in fünf Minuten bist du am Forsthaus. Ich warte hier noch ein Weilchen und kann dich sehen.«

      »Wenn nun aber der Schutzengel so hinter mir hergeht, dass du mich nicht sehen kannst?«

      »Du hast doch selbst gesagt, der Schutzengel ist wie die Luft. Durch den Schutzengel kann man sehen. Auch geht er nicht hinter dir, sondern neben dir.«

      »Wo geht er denn, Vati – hier oder hier?« Das Kind wies nach rechts und nach links.

      »Das kann ich nicht wissen. Wahrscheinlich geht er an der Seite, wo du dein Herzchen hast. – So, und nun lauf!«

      »Vati – ich glaube, der Schutzengel meint, er wollte noch ein bisschen im Walde bleiben. Er möchte gern sehen, wie der große Baum umknallt.«

      Förster Sandler streckte den Arm aus und wies gebieterisch auf den Weg.

      »Nun aber los, Hedi!«

      »Na dann komm, Schutzengel!«

      Sehr langsam trottete die Kleine den breiten Weg entlang. Von Zeit zu Zeit sah sie sich um, und als sie noch immer den Vater bemerkte, winkte sie ihm zu.

      Der Schutzengel, der neben ihr herschreiten sollte, beschäftigte das Kind außerordentlich.

      Hedi wandte sich rasch noch einmal um. Vom Vater war nichts zu erblicken. So bog sie voller Übermut in einen kleinen Pfad ein, wandte rasch nochmals den Kopf zurück und – lag im nächsten Augenblick auf der Nase. Sie war über eine Wurzel gestolpert, die sie nicht bemerkt hatte.

      Die Kleine verzog das Gesicht und rieb die Stirn.

      »Hättest auch besser aufpassen können, Schutzengel – nu komm, wir wollen schon den breiten Weg gehen.«

      Endlich war das Forsthaus erreicht. In jähem Schreck blieb Pucki an der Pforte stehen. – Was war denn das? Dort, an der Laube der Wagen, in dem das kleine Schwesterchen lag und direkt daneben ein viel kleinerer Kinderwagen, in dem auch ein blondlockiges Kindchen saß. Es hatte einen Teddybär in den Händen, den es krampfhaft festhielt.

      In Hedi stieg der Zorn empor.

      »Nun bin ich nur so'n bisschen länger fortgewesen, da hat sich die Mutti schon wieder ein Kindchen geholt!«

      Eine tiefe Falte wurde auf der Stirn Hedis sichtbar, als sie an den kleinen Wagen herantrat.

      »Was wollen alle die Kinder bei uns? – Ich will nicht noch ein Kindchen haben, und der Vati will auch nicht! Er hat gesagt, jetzt ist es genug! Ich verstehe die Mutti nicht, immerfort holt sie sich ein neues Kind! Zuerst war's so schön, als ich allein war.«

      Dicht neben dem kleinen Wagen stand das schlafende Schwesterchen. Das war noch viel kleiner als das, was sich die Mutti heute geholt hatte.

      »Was willst du denn hier? Wir sind genug, wir brauchen dich nicht!«

      Puckis Hände fassten den Griff des kleinen Wagens, und plötzlich ging ein helles Leuchten über das Kindergesicht.

      »Hab mal keine Angst, Kleine, wenn ich dich in den Wald fahre. Du hast auch einen großen Schutzengel, der steht immerzu neben dir. Keiner tut dir was. Wir wollen dich nicht, Kleine!«

      Behutsam fuhr Hedi den Sportwagen aus dem Garten hinaus, bog in den breiten Weg ein, den sie soeben gekommen war und hielt bald im Fahren inne. Zu Vati durfte sie nicht, er würde vielleicht das Kindchen auch behalten, obwohl er vorhin gesagt hatte, dass er so viele Kinderchen nicht wolle.

      »Du kriegst 'ne andere Mutti! Wir können dich nicht brauchen.«

      Mit diesen Worten bog Hedi in den kleinen Waldweg ein, den Wagen vor sich herschiebend. Dem kleinen Buben, der mit dem Teddybär spielte, schien diese Spazierfahrt gut zu gefallen. Er schaute Hedi vergnügt an und ließ von Zeit zu Zeit ein leises Lachen hören.

      »Ich fahre dich in den ganz dunklen Wald, der Schutzengel ist immer bei dir – ein ganz großer – so groß, wie dort der Baum!«

      Da der Weg viele Wurzeln aufwies, holperte der kleine Wagen bedenklich. Hedi ließ sich dadurch nicht bange machen. Einmal streifte auch ein tief herabhängender Zweig das Gesicht des Kindes, und es begann zu schreien.

      »Still bist du!« rief Hedi, »sonst schilt dein Schutzengel!«

      Nachdem sie etwa zehn Minuten auf dem schmalen Weg gefahren war, fühlte Pucki sich ermüdet.

      »Jetzt ist es genug«, meinte sie, »nun kann dich eine andere Mutti holen. Vati wird gewiss 'ne Freude haben, wenn er hört, dass das neue Kindchen weg ist.«

      Der Wagen wurde neben einen Baum geschoben, Hedi nickte dem kleinen Kinde zu und sagte schon im Fortgehen: »Der Schutzengel ist bei dir – so, nun sind wir dich los!«

      Mit erleichtertem Herzen eilte sie zurück. Noch war der breite Weg nicht erreicht, da hörte sie in der Ferne lautes Krachen.

      »Der Baum ist gepurzelt, ich muss hin!«

      Vergessen war die Mahnung des Vaters. Hedi setzte sich in Laufschritt, erreichte bald den breiten Weg, stürmte vorwärts, vernahm auch kurze Zeit darauf das Sprechen der Waldarbeiter und stand in der nächsten Minute vor den Leuten, die soeben den dicken Baum gefällt hatten.

      »Bum, da liegt er«, rief sie erfreut!

      Förster Sandler war nicht mehr bei den Waldarbeitern; er war bereits zu einem anderen Schlage gegangen und ahnte daher nicht, dass seine unfolgsame Tochter zurückgekommen war. Für Hedi gab es vieles zu erkunden. Sie stellte unzählige Fragen an die Leute, die lachend von ihnen beantwortet wurden. Man hatte das kleine blonde Mädchen des Försters gar gern. Die Arbeiter scherzten mit ihm und freuten sich über das liebe Kind. Hedi lauschte auf jedes Wort, das gesprochen wurde. Manches verstand sie freilich nicht; dass man aber einen Baum zersägte und ihn zu einer Klafter zusammenstellte, war ihr bekannt und nichts neues.

Bild: Artur Scheiner

      »Hackt ihr den Baum nu auch noch kaputt?«

      »Nein, der bleibt stehen.«

      »Weil er noch nicht krank ist, weil er noch jung ist?«

      »Ja, Hedi, deswegen bleibt er stehen.«

      Dann sprachen die Männer allerlei zusammen und plötzlich sagte einer laut und vernehmlich:

      »Wenn es doch der Oberförster so haben will, können wir nichts ändern.«

      »Oh, da tutet es! Das ist der Onkel Oberförster!«

      »Mädel, Hedi, hierbleiben!«

      Doch das Kind war nicht zu halten. Es kannte die Hupe des Oberförsters genau, der ja so oft am Försterhaus angehalten oder vorübergefahren war. Jetzt freilich schien er nicht nach dem Forsthause zu wollen, denn das Hupen kam gerade von der entgegengesetzten Seite. Aber der Vater sprach oft davon, dass der Onkel Oberförster immer dort sei, wo Bäume umgeschlagen wurden.

      »Hedi