Magda Trott

Pucki


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Auto des Oberförsters. Es hielt mitten auf der breiten Straße im Walde.

      »Onkel Oberförster – Onkel Oberförster«, jubelte sie schon von weitem.

      Neben dem grauhaarigen Herrn stand der Vater. Hedi streckte verlegen die Zunge heraus und wischte damit in den Mundwinkeln umher.

      »Nanu?« Mehr sagte der Vater nicht, doch in seiner Stimme grollte es.

      »Weidmannsheil, Onkel Oberförster!« sagte Hedi hastig und machte dem alten Herrn ein artiges Knickschen. Verlegen griff das Kind mit der Hand nach der rechten Seite, als wolle es den Schutzengel festhalten, der hier stehen musste.

      »Weidmannsdank, Kleine. Bist wohl mit dem Vater in den Wald gegangen?«

      »Hedi – –«

      »Ja, Vati, gleich geht Hedi wieder nach Hause, ich wollte nur Onkel Oberförster was fragen.«

      »Was willst du mich fragen?« forschte der kinderliebe alte Herr.

      »Onkel Oberförster, möchtest du ein kleines Kindchen haben? Im Walde is eins!«

      »Ja, das sehe ich, dass im Walde ein Kindchen ist. Und nun wirst du dem Vater folgen. Du willst doch mal in den Himmel kommen?«

      »Ja! Aber nicht jetzt. Jetzt darf ich nicht!«

      »Was – du darfst nicht?«

      »Ich muss gleich nach Hause gehen, sonst wird der Vati sehr böse. Oh, der Vati kann so böse werden wie der Harras!«

      »Dann lauf mal schleunigst heim!«

      »Kommste mit? – Soll ich dir mal das Kindchen zeigen?«

      »Du sprichst kein Wort mehr, Hedi, du gehst sofort heim.«

      »Ich wollte dem Onkel Oberförster doch nur das Kindchen zeigen, das wir nicht mehr haben wollen.«

      Als Hedi aber die tiefe Falte auf der Stirn des Vaters sah, machte sie rasch einen Knicks und lief eilends den breiten Weg zurück, dem Forsthause zu. – –

      Im Forsthause herrschte größte Aufregung. Frau Weimann war vor einer halben Stunde aus Rahnsburg gekommen, um im Forsthaus die Schuhe abzugeben, die ihr Mann für Förster Sandler und dessen Gattin fertiggemacht hatte. Da es ein herrlicher Maientag war und die Sonne warm schien, hatte die Schuhmachersfrau den kleinen Sportwagen mit dem einjährigen Söhnchen im Vorgarten stehen lassen. Das Wägelchen war dicht neben den anderen Wagen gefahren worden; hier draußen im Garten konnte den Kleinen ja nichts passieren. Außerdem war Rudi ein stilles und ruhiges Kind, das sich oft allein mit seinem Spielzeug beschäftigte.

      Frau Sandler, die in der Küche beschäftigt war, wollte ihren Besuch ins Zimmer nötigen, doch Frau Weimann blieb in der Küche. Es gab mancherlei aus Rahnsburg zu erzählen, und so vergingen die Minuten gar rasch. Endlich verabschiedete sich die Schuhmachersfrau. Begleitet von Frau Sandler, betraten beide den Vorgarten. Vergeblich schauten sie sich nach dem Wagen mit Klein-Rudi um, er war nirgends zu erblicken.

      Man rief Minna, die im Gemüsegarten arbeitete. Sie hatte nichts gehört, nichts gesehen, sie wusste auch nicht einmal, dass Besuch gekommen war. Kurzum: das Kind war verschwunden.

      »Wie ist das möglich?« sagte Frau Sandler beunruhigt.

      »Vielleicht ist ein Vagabund vorübergekommen, der mein Kind mitgenommen hat«, weinte die besorgte Mutter. Dann begannen die beiden Frauen zu rufen.

      Niemand konnte sich das Verschwinden des Kindes erklären. Noch niemals war im Forsthause etwas abhanden gekommen. Nun sollte ein Kind verschwunden sein?

      »Wo ist mein Kindchen? – Bubi – Bubi!«

      Laut und ängstlich tönte die Stimme der unglücklichen Mutter in den Wald hinein. Niemand hörte die Rufe, denn Hedi war mit dem Wagen viel zu tief in den Wald gefahren, und Förster Sandler weilte bei dem Holzschlag.

      »Es ist unmöglich, dass das Kind verschwunden ist«, sagte die Förstersfrau.

      »Es ist gestohlen – wurde geraubt! Vielleicht haben es vorüberziehende Zigeuner mitgenommen. – Ach, wo finde ich mein Kind!«

      Die beiden Frauen und Minna liefen nach allen Seiten, in der Hoffnung, den Wagen irgendwo zu finden. Doch alles Suchen blieb erfolglos. Sie lauschten angestrengt hinein in den Wald – nichts war zu hören.

      »Wo ist Hedi?«

      »Sie ist mit meinem Manne in den Wald gegangen, sollte jedoch bald wieder heimkommen. Das Kind gehorcht nicht immer. Ich möchte meinen Mann aufsuchen.«

      »Nein, Frau Sandler, bleiben Sie hier«, weinte Frau Weimann.

      Frau Sandler wusste keinen Rat. Die unglückliche Mutter tat ihr sehr leid, und doch war nicht anzunehmen, dass der Knabe geraubt worden war.

      Nochmals liefen die Suchenden nach allen Seiten. Minna war die erste, die auf Hedi stieß, die den breiten Weg dahergegangen kam.

      »Woher kommst du?«

      »Vom Vati und von Onkel Oberförster.«

      »Hast du den kleinen Rudi gesehen?«

      »Ich habe keinen kleinen Rudi gesehen.«

      Seelenruhig schritt das kleine Mädchen zum Forsthaus, hinein in den Garten. Vor dem Hause auf der Bank saß die weinende Schuhmachersfrau.

      »Mein Rudi – mein Rudi – warum habe ich ihn allein gelassen!«

      »Warum weint die Frau?« fragte Hedi und wandte sich fragend an Minna.

      »Ihr kleiner Junge ist fort, sie findet ihn nirgends.«

      »Ein kleiner Junge im kleinen Wagen?«

      »Ja, Hedi, der Wagen hat im Garten gestanden.«

      »Ist das das Kind von der Frau und nicht das Kind von meiner Mutti?«

      »Dummes Mädel, das ist das Söhnchen von Frau Weimann. Sie brachte Vaters Schuhe, sie kommt aus der Stadt.«

      »Ach je, das ist also nicht unser Schwesterchen? – Na, das ist gut! Ich habe gedacht, das ist unseres, da habe ich es weggefahren.«

      »Was hast du getan?«

      »In den Wald habe ich es gefahren.«

      »Das Kind – in den Wald? Ja, was fällt dir denn ein! Frau Weimann, Hedi hat Ihren Jungen gesehen.«

      Die Angeredete sprang auf. »Hedi, wo ist mein Rudi?«

      »Willste dir dein Kind wieder mitnehmen? Bleibt es nicht bei uns?«

      »Nein – wo ist mein Kind?«

      Gleichgültig wies die Kleine mit dem Fingerchen nach dem Waldweg. »Es steht unter einem Baum. – Wir wollten es nicht haben, und der Onkel Oberförster will es auch nicht.«

      »Wo finde ich Rudi?«

      Frau Sandler hatte die letzten Worte vernommen. Eiligst kam sie hinzu, und erneut wurde Hedi ausgefragt.

      Die Kleine lächelte verschmitzt. »Weißt du, Mutti, wir wollten nicht so viele sein, und weil schon wieder ein Kindchen hier war, habe ich es in den Wald gefahren.«

      »Ganz allein – in den Wald?«

      »Es ist nicht allein – der ganz große Schutzengel steht neben ihm und passt auf.«

      »Wo ist der Wagen?« fragte die Mutter streng.

      Als Hedi abermals gleichgültig nach dem Wald wies, bekam sie von der Mutter einen Klaps auf die Hand.

      »Du bist ein recht unnützes Mädchen, Hedi! Was fällt dir nur ein, den Wagen aus dem Garten zu schieben. Sofort kommst du mit und wirst uns führen.«

      Hedi ging schmollend voran. Kaum hatte man den kleinen Weg erreicht, da vernahmen die Näherkommenden das Geschrei des Knaben. Beide Frauen eilten weiter, Hedi blieb mit erschrecktem Gesicht stehen.

      »Nu krieg ich die Haue«, murmelte