davon ausging, dass es ein feministisches Statement war.
Oksana durchquerte den Raum; keiner starrte, doch alle machten ihr Platz. Sie ging zu einem Bücherregal und betrachtete die Buchrücken. Ein Mann tauchte neben ihr auf und begann zu reden, sie aber schlug ein Buch auf und blätterte darin, bis er aufgab und wegging. Ben hätte gedacht, dass Partys sie nicht interessierten, doch der Streifen über ihrem breiten weißen Hintern war mit violettem Glitzer bestäubt.
Bald darauf stellte Sabine sie einander vor. Oksana hatte in der Zwischenzeit einen der hauseigenen Kaschmirbademäntel übergestreift, vermutlich, weil es Oktober war und ziemlich kühl. Bei ihr stand ein Mann, seine Haltung war besitzergreifend; er schien auf eine zornige Weise verliebt zu sein. Er war einer von Sabines vermögenden Cousins, fleischig, blond und mit der Bräune eines Sommers auf einer Jacht.
Zunächst sprach Sabine über ihre Organisation für offene Grenzen und die entscheidende Phase, in die diese bald eintreten werde, weshalb sie weitere Mittel aufbringen müsse. Niemand hörte ihr zu, und doch war abzusehen, dass der Jachtmann einen Scheck ausstellen würde. Oksana rauchte eine Zigarette, und Bens Aufmerksamkeit richtete sich auf die Tatsache, dass ihre Lippen aufgesprungen und ihre Zähne ein wenig gelb waren.
Als Sabine mit dem Reden fertig war, fragte Ben Oksana (weil er sich die Frage schon immer gestellt hatte und sich nicht solange einschüchtern lassen wollte, bis er nicht mehr fragte): »Warum trägst du keine Klamotten?«
Sie sagte: »Meine Klamotten sind schlecht. Nicht gut genug für so eine Party.«
Der Jachtmann lachte, als hätte sie Ben auf wahnsinnig komische Weise an seinen Platz verwiesen, während Oksana unbeteiligt auf ihre Zigarette sah. Ihre Stimme hatte unheimlich süßlich und hoch geklungen, eine kleine Reminiszenz an die singende Säge.
»Hier brauchst du keine guten Klamotten«, sagte Sabine. »Guck dich mal um. Meine Sachen sind auch nicht so toll.«
Oksana zuckte mit den Achseln. »Also, du solltest vielleicht besser nackt sein.«
»Nein«, sagte Sabine. »Ich habe es dir schon mehrfach gesagt. Es ist wirklich ziemlich widerlich, wenn du auf den Möbeln sitzt.«
»Whoa!« Der Jachtmann stieß imaginäre Krallen in die Luft. »Mi-au!«
»Nix miau«, sagte Sabine. »Das ist physische Realität. Fotzen und Arschlöcher in direktem Kontakt mit Polstermöbeln.«
»Bitte, es hat nicht immer mit meinem Körper zu tun«, sagte Oksana. »Ich habe wirklich genug davon.«
Ben sagte, mit der Absicht, das Thema zu wechseln: »Also, was machst du so, Oksana?«
Sie sagte: »Ich bin Filmemacherin.«
»Sie ist eine großartige Filmemacherin«, sagte der Jachtmann kämpferisch, »und Leiterin einer großartigen Organisation. Sie hat unzählige Frauen aus unmöglichen Situationen gerettet, Situationen des Missbrauchs.« Dann hielt er Ben einen zehnminütigen Vortrag über die Katalogbräute, die Oksana gerettet und die Dokumentarfilme, die sie produziert hatte, als wollte er beweisen (dachte Ben), dass er sie nicht nur liebte, weil sie nackt war.
Irgendetwas an dieser Darbietung hatte Ben aufgewühlt und ihn sentimental werden lassen. Er löste sich aus der Gruppe und machte sich auf die Suche nach Kate.
Er fand sie in der Küche mit einigen anderen Leuten, die irgendwo ein Waffeleisen ausgegraben hatten und nun versuchten, sich an ein Rezept für Waffelteig zu erinnern. Sie wühlten in den Schränken herum und nannten mögliche Zutaten. Eine Weile erduldete Ben den Trubel und ihre Begeisterung, dabei hatte er das Gefühl, dass ihm die Zeit davonlief. Zwischenzeitlich kam ihm die Idee, die ihm sofort als die einzig Richtige erschien.
Endlich zog er Kate aus der Küche in eines der Schlafzimmer – es war das Zimmer des Gartengestalters; überall auf dem Boden lagen Kleidungsstücke verstreut, sodass sie einen Teppich aus teuren Hosen betraten. Ben stand auf einer Khakihose und hielt Kate im Arm, ein vertrauter und doch rätselhafter Nervenkitzel. Ihr Rücken unter seinen Händen war prall und kräftig. Er konnte nicht sagen, warum es sich so großartig anfühlte.
Kate bestätigte ihm, dass Oksana Filmemacherin war. Sie habe bereits in der Ukraine mit dem Filmemachen begonnen. Deshalb sei sie überhaupt Katalogbraut geworden; in der Ukraine sei es viel zu schwierig, Filmprojekte umzusetzen. »Ich dachte, du wüsstest das«, sagte Kate. »In der Ukraine war sie richtig arm, aber sie hat schon immer diese Filme gemacht. Ich dachte, du wüsstest das.«
»Ich wusste nichts. Und Sabine war schrecklich zu ihr.«
»Sie mag Oksana nicht. Wahrscheinlich war das der Grund.«
»Oksana scheint ganz okay zu sein. Vielleicht ein bisschen wie jemand, der auf Heroin ist.«
»Sie ist nicht auf Heroin. Sie arbeitet tausend Stunden am Tag. Ich glaube, Sabine hasst sie, weil sie sich so aufspielt. Einmal hat sie sich selbst den Zeh gebrochen, um zu sehen, wie es sich anfühlt.«
Sie blickten beide hinab auf ihre Zehen, sahen dann den jeweils anderen das Gleiche tun und lächelten. Ben sagte zögerlich: »Da war dieser eine reiche Typ, der so offensichtlich in sie verliebt ist.«
»Könnte Paul gewesen sein.«
»Keine Ahnung. Jedenfalls musste ich daran denken, dass ich so sehr in dich verliebt bin.«
»Oh!« Die Berührung von Kates Händen an seinem Rücken wurde sanfter. »Und ich bin in dich verliebt.«
Dankbar schwiegen sie eine Weile. Ihre schwarzen Augen waren mit einer Freude aufgeladen, so wild und fremdartig, als würden sie diese Freude auf dem Neptun erleben. Seine Freude wuchs mit der ihren. So ging es eine Weile hin und her, dann sagte er: »Als du Waffeln gemacht hast … dachte ich, wir könnten vielleicht zusammenziehen. Nicht in meine Wohnung. Wir könnten etwas Neues suchen. Ich will sowieso aus meiner Wohnung raus.«
Dann zog Kate sich plötzlich zurück. Ihre Hände hielten ihn nicht mehr so fest; als hätte sich ihre Umarmung verflüchtigt. Sie dachte nach. (Und da war sie, die Anomalie. Etwas – hätte er schwören können –, was sie ihm nicht sagen wollte. Es hatte ein Gesicht, einen Geschmack. Es war nichts Gutes.)
Schließlich sagte sie: »Ich kann keine Miete zahlen.«
»Nein, ist das dein Ernst?« Er lachte erleichtert. »Ich weiß, dass du keinen Job hast. Ich weiß das doch alles. War das, was dich beschäftigt hat?«
Sie zuckte mit den Achseln (das war es nicht gewesen), strahlte aber wieder Wärme aus. War wieder, wie Kate immer war.
»Schon okay«, sagte Ben. »Ich kümmere mich um die Miete. Kein Problem.«
»Ich könnte mir einen Job suchen. Es ist ja nicht so, dass ich keinen kriegen würde. Aber es könnte ein bisschen dauern.«
»Oder wir wohnen irgendwo, wo es billig ist. Queens, zum Beispiel.«
»Queens«, sagte sie. »Ja, ich mag Queens. Lass uns eine Wohnung suchen.«
Sie fanden Zazie (die Hündin) und gingen mit ihr spazieren; dabei stellten sie sich vor, sie würden sich jetzt gleich eine Wohnung suchen und gingen schweigend den ganzen Weg bis zur Sixty-First Street hinunter, einfach nur glücklich. An der Sixty-First hielten sie vor einem Juweliergeschäft, das bereits im Oktober für Weihnachten dekoriert war, und Ben betrachtete das Lametta und die Lichter und die Diamantringe, und ein gewaltiges Gefühl der Euphorie überkam ihn, denn zum ersten Mal in seinem Leben glaubte er an Verlobungsringe – wenn er Kate einen Diamantring kaufen musste, um seine Liebe zu beweisen, würde er verdammt noch mal einen Diamantring kaufen, auch wenn es definitiv Geldverschwendung war und dazu ein Relikt aus Zeiten der Mitgift. Er würde ihn kaufen, nur um Geld für Kate aus dem Fenster zu werfen. Er würde einen weißen Elefanten kaufen, nur um So groß! zu sagen. Vielleicht sollte er wirklich einen Elefanten kaufen. Kate würde den Elefanten dem Ring sicher vorziehen.
Kate wandte sich zu ihm und sagte: »Ich weiß, woran du jetzt denkst.«
»Wirklich?«