verzehren können.
Just als ich fertig bin, fällt mein Blick auf eine kleine Schildkröte, die in Flussnähe durch das Steppengras krabbelt und wohl ebenfalls ihren Durst stillen möchte. Oder aber sie hat sich verirrt, denn wahrscheinlich sollte sie im Meer schwimmen.
Eine Weile beobachte ich das Tierchen, ehe ich seufze. Wenn ich eine Schildkröte wäre, bestände mein größtes Problem darin, Steppengras zur Seite zu schieben. Welch erstrebenswertes Leben.
Gedankenversunken tauche ich meine Hände ins kühle Wasser des Flusses und benetze meinen Nacken, Gesicht und Hals, denn es ist bald Mittag und daher inzwischen erdrückend heiß geworden.
Ich bin so abgelenkt, dass ich die Präsenz, die mich wohl die ganze Zeit betrachtet hat, zu spät bemerke. Nämlich erst, als eine schattenartige Gestalt hinter einem der höheren Büsche, die den Fluss säumen, hervorprescht. Direkt auf mich zu.
Vor lauter Schrecken fehlt mir die Zeit, um festzustellen, worum es sich genau handelt – aber das Knurren, das die Kreatur ausstößt, ist Grund genug, einen Schutzschild zu bilden. Keine Sekunde zu früh, denn schon schabt eine krallenbestückte Klaue zwei Mal quer über meine Brust, genau an der Stelle, wo mein Herz sitzt.
Ohne Schutzschild wäre ich jetzt aufgeschlitzt!
Keuchend stolpere ich nach hinten und kann gerade so das Gleichgewicht halten. Dass ich dabei das Tuch mit den Beeren mit mir reiße, bekomme ich nur am Rande mit.
Nachdem ich den ersten Schock überwunden habe, fokussiere ich den Blick auf das Wesen, das mich angriff, und erschaudere. Es handelt sich um eine Art Echse, die jedoch auf zwei Beinen geht und einen schwarz geschuppten Körper besitzt, der dem eines Menschen nicht unähnlich scheint. Was mich allerdings am meisten erschreckt, ist, dass rund um ihre Gestalt ein nebelartiger Schleier weht, der aussieht, als würden Schattenwesen um sie herum ihre Finger ausstrecken. Diese Schatten verschlingen jegliches Sonnenlicht, das auf die Kreatur fallen würde, und lassen die dunklen Schuppen an ihrem Körper stumpf wirken.
Ich habe keine Ahnung, was mir da gegenübersteht, aber auch keine Zeit, zu überlegen, denn die rot glühenden Echsenaugen richten sich auf mich, und der Hass, der darin brennt, lässt eine Gänsehaut über meinen Rücken rinnen.
Dieses Wesen ist nicht von dieser Welt – ganz sicher nicht …
Gerade so weiche ich einer zweiten Attacke aus, ehe ich zum Gegenangriff übergehe. Ich forme mit meiner Magie Wasserpfeile und schleudere drei davon auf die Kreatur. Doch statt das Wesen zu verletzen, fliegen die Geschosse einfach durch es hindurch. Meine Augen weiten sich, als ich merke, dass ich ihm keinerlei Schaden zufügen kann. Denn auch meine Eispfeile verfehlen jegliche Wirkung.
Wenn das Wesen so etwas wie Lippen besitzt, dann grinst es jetzt und setzt zum Sprung an. Es trifft mich so hart mit den Beinen, die es mir in den Bauch stößt, dass ich mit einem schmerzerfüllten Laut zu Boden gehe. Nur mein Schutzschild verhindert, dass die Klauen, die auf meinen Kopf schlagen, mir nicht Schlimmeres als dröhnende Kopfschmerzen verpassen.
Ich schirme mit meinen Armen weitere Angriffe ab, doch mein Schutzschild wird nicht ewig halten, solange Schneeflocke noch nicht zurück von der Jagd ist. Und das kann eine Weile dauern, wie ich weiß, denn mein Greif neigt dazu, mit seiner Beute erst ausgiebig zu spielen, ehe er sie erlegt. Ich versuche, ihn in Gedanken zu erreichen, aber er ist schon zu weit entfernt, um meinen Ruf zu hören.
Die Kreatur hat sich nun über mir aufgebaut und lässt ihre Krallen fast schon genüsslich über meinen Schild gleiten. Dabei stößt sie einen kehligen Laut aus, der sowohl Knurren als auch hämisches Lachen sein könnte.
Wo wir gerade bei Spielen sind …
Ich schließe die Augen und konzentriere mich einzig und allein auf meinen Schutzschild. Ohne ihn werde ich in den nächsten Minuten sterben, so viel ist gewiss. Denn dieses Monster wird nicht aufgeben, ehe ich meinen letzten Atemzug getan habe. Das war in seinen hasserfüllten Augen deutlich zu sehen.
Noch einmal mobilisiere ich all meine Kräfte, bäume mich auf und stoße mit beiden Händen gegen die beschuppten Arme des Monsters, um es von mir wegzudrücken. Doch wie meine Pfeile vorhin gleiten meine Finger einfach durch die Kreatur hindurch. Was man von ihren eigenen Klauen allerdings nicht behaupten kann, denn diese dringen mit einem Mal in meinen Schutzschild und reißen mir die Haut an der Brust auf. Ein brennendes Gefühl breitet sich dort aus, wo sie mich verletzt, und ich schreie vor Schmerz. Blut quillt aus den Wunden hervor und ehe ich michs versehe, wird mir speiübel und schwummrig.
Ich hasse Blut …
Das ist der letzte Gedanke, bevor ich merke, wie mein Schutzschild aufflimmert und erlischt, da ich mich nicht mehr darauf konzentrieren kann.
Ich starre der Gestalt entgegen, die sich über mich beugt, und nun kann ich tatsächlich so etwas wie einen Mund in dem schattenhaften Echsengesicht ausmachen. Allerdings einen ohne Lippen, dafür aber mit messerscharfen, spitzen Zähnen, die sich darauf freuen, in mein Fleisch zu beißen. Erneut treibt mir die Kreatur die Klauen in die Brust, dieses Mal auf der anderen Seite.
»Götter, helft mir«, flehe ich, ehe ich die Augen schließe.
Ich spüre den heißen Atem der Bestie, der mein Gesicht streift, und rieche den bestialischen Gestank, der von seinem Schlund ausgeht. Nach faulen Eiern und Eisen. Eine Kombination, die mich noch stärker würgen lässt.
Hastig drehe ich den Kopf zur Seite, um mich nicht an meinem Erbrochenen zu verschlucken, und übergebe meinen Mageninhalt dem Steppenboden. Tränen schießen mir in die Augen, als ich ein drittes Mal Krallen spüre, die meinen Oberarm aufschlitzen. Langsam, beinahe genießerisch, zerreißen sie mein Oberteil und ritzen die Haut darunter auf.
Erneut schießt ein feuriger Schmerz durch meinen Körper, und ich wimmere vor Qual, reiße die Augen wieder auf. Nur um in das Gesicht der Kreatur zu blicken, die mich in den nächsten Sekunden töten wird.
Das Blut ist überall. Mein Blut. Doch mein Blick fällt auf etwas, das ich kaum gehofft hatte, noch einmal zu sehen. Einen dunklen Punkt am Himmel über uns.
»Schneeflocke«, hauche ich und versuche sofort, eine Verbindung zu ihm herzustellen.
Aber mein Geist ist zu schwach – oder es liegt daran, dass die Dunkelheit an mir nagt, mich zu sich holen will. Es gelingt mir nicht.
Ein letztes Mal starre ich zu Schneeflocke empor. Er soll das letzte Lebewesen sein, das ich vor meinem Tod erblicke. Nicht dieses grässliche Ungeheuer, das mich in den nächsten Sekunden verschlingen wird.
Tränen verschleiern meine Sicht, verformen den dunklen Punkt über mir zu einem breiten Fleck. Dann schließe ich die Augen und lasse mich in die Dunkelheit fallen, die schon die ganze Zeit darauf wartet, mich zu sich zu holen.
Kapitel 5 - DAMARIS
Wenn man stirbt, ist einem vor allem eines: hundeelend. Mein Magen rebelliert immer noch, als ich im Totenreich erwache. Da, wo ich nun für immer bleiben werde.
Ich liege auf einer Decke, starre zu den leuchtenden Sternen empor und neben mir brennt ein Lagerfeuer.
Eigentlich gar nicht so schlimm, wäre da nicht diese Übelkeit, die in mir nachhallt. Und der Schmerz an meinem Oberarm sowie quer über der Brust, der mich fast wahnsinnig macht.
»Da bist du ja endlich«, höre ich eine tiefe Stimme und fahre zusammen, als ich den Kopf drehe und ausgerechnet in das Gesicht schaue, das ich noch weniger sehen wollte als jenes von Cilian.
»Adrién«, murmle ich krächzend, da sich mein Hals rau anfühlt.
»Trink.«
Im nächsten Moment spüre ich, wie ein Wasserschlauch an meine Lippen gedrückt wird, und schlucke reflexartig die Flüssigkeit, die in meinen Mund fließt. Sie ist viel zu warm, aber es ist Wasser und benetzt meine trockene Kehle.
Dass ich wieder mal nicht tot bin, ist mir natürlich klar. Adrién muss mich vor diesem Wesen – was auch immer es war – gerettet haben. Wahrscheinlich