… dir ist klar, dass ich nicht nach Chakas zurückkehren werde?«, frage ich.
Adrién seufzt. »Ja. Dafür hast du einen zu harten Dickkopf.«
»Und hänge zu sehr an meinem Leben«, ergänze ich.
Eine Weile schauen wir ins Feuer, dann springe ich unvermittelt auf und Adrién fährt zusammen.
»Was zum Henker …«, stößt er hervor, während er mir perplex dabei zusieht, wie ich die Stiefel ausziehe.
Ich werfe ihm einen schiefen Blick zu. »Ich war noch nie im Meer«, erkläre ich. »Und ehe ich zurück im Gebirge bin, will ich wenigstens einmal hineingehen.«
»In all den Monaten warst du nie im Wasser?« Er zieht verblüfft die Augenbrauen hoch. »Es ist doch dein Element, du müsstest dafür brennen, da reinzugehen.«
»Tue ich auch.« Ich kremple die Hosenbeine hoch. »Aber dass ich keine Gelegenheit dazu hatte, habe ich unter anderem dir zu verdanken.«
»Ich kann nichts dafür, dass du unerlaubterweise den Zirkel verlassen hast«, brummt er. »Zumindest nicht fürs erste Mal.«
Ohne ihn noch einmal anzusehen, gehe ich schnurstracks auf das Wasser zu, das in leisen Wellen an den Strand spült. Es liegt schwarz und mystisch vor mir, wird nur vom Mondlicht erhellt.
Als ich davorstehe, atme ich tief die salzige Luft ein.
Das Element in mir regt sich, scheint mich regelrecht dazu bringen zu wollen, in die Fluten zu gehen. Es ist wie ein Sog, der mich da hineinzieht und mein Herz vor Aufregung zum Stolpern bringt.
Ein bisschen bereue ich es, dass es Nacht ist und ich den Horizont nur erahnen kann. Wäre es Tag, würde ich vor lauter Freude wohl jubeln.
Mit einem weiteren Atemzug hebe ich einen Fuß und setze ihn auf den feuchten Sand. Im nächsten Moment wird er vom Wasser umspült und ich keuche erschrocken, da es viel kälter ist, als ich gedacht hätte. Trotzdem trete ich auch mit dem zweiten Fuß ins Meer und gehe ein paar Schritte hinein.
»Du solltest am Ufer bleiben«, höre ich Adrién vom Lagerfeuer her rufen. »Das Meer ist in der Nacht tückisch.«
»Keine Sorge, ich werde schon nicht ertrinken«, gebe ich zurück, ohne mich umzudrehen.
»Das würde ich dir auch nicht raten«, erklingt seine Stimme, dieses Mal direkt neben mir. »Noch einmal werde ich dich nicht retten.«
Ich wende mich ihm zu und bemerke, dass auch er seine Stiefel ausgezogen und die Hosenbeine hochgekrempelt hat. Wie er so dasteht und das Licht des Mondes auf seinen nackten Oberkörper fällt, muss ich widerwillig zugeben, dass er wirklich gut aussieht. Das kurze Haar steht ihm noch besser als das lange und seine Augen funkeln mich geheimnisvoll an.
»Was ist? Hast du Angst, dass ein Fisch kommt und dich frisst?«, necke ich ihn und gehe demonstrativ so weit ins Wasser, dass es mir bis zu den Knien reicht.
Er zieht die Augenbrauen zusammen und folgt mir. »Um mich mache ich mir keine Sorgen.«
»Und um mich musst du dir ebenfalls keine machen«, erwidere ich.
»Schon klar«, murmelt er.
Aus einer Eingebung heraus beginne ich, meine Hose auszuziehen. Adriéns Hemd ist lang genug, um alles Nötige zu verdecken.
»Was tust du da?«, fragt er perplex.
»Wonach sieht es denn aus?«, gebe ich zurück und werfe meine Hose in einem weiten Bogen zurück an den Strand. »Ich will baden.«
»Das wirst du bleiben lassen«, sagt er in energischem Tonfall.
»Hindere mich doch daran.« Ich strecke ihm die Zunge raus und als er tatsächlich nach mir greifen will, mache ich einen Satz ins tiefere Wasser, das mir nun bis zur Mitte der Oberschenkel reicht. »Dreh dich um«, fordere ich.
»Du willst …« Seine Augen gleiten über meinen Körper und ich schmunzle.
»Will ich.« Ich beginne, das Hemd aufzuschnüren.
»Ris, das solltest du nicht tun«, versucht er mich von meinem Vorhaben abzubringen.
»Wie gesagt, du musst dir um mich keine Sorgen machen«, entgegne ich.
»Das ist es nicht.« Er kommt mir mit einem Gesichtsausdruck entgegen, der mich mitten in der Bewegung innehalten lässt. »Aber wenn du dich ausziehst, werde ich es ebenfalls tun.«
Unwillkürlich gleitet mein Blick über seinen Oberkörper nach unten zu seinem Hosenbund, an den er beide Hände gelegt hat.
»Ich habe schon nackte Männer gesehen«, erwidere ich, wenngleich etwas weniger mutig, als ich eigentlich wollte.
»Ich weiß.« Seine Stimme ist eine Oktave tiefer geworden.
»Wenn du glaubst, du jagst mir damit Angst ein …«
»Tu ich nicht«, raunt er und bleibt knapp vor mir stehen. »Also?« Er sieht mich mit schief gelegtem Kopf an. »Ziehst du das durch?«
Ich schlucke und starre auf seine Brustmuskeln, die sich anspannen, als er tatsächlich beginnt, seine Hose aufzuschnüren.
Er will mich herausfordern und sehen, wie weit ich gehen werde. Das ist mir klar. Doch da ist auch diese Anziehung zu ihm. Dieser Wunsch, die Hände auf seine Brust zu legen, mich an ihn zu schmiegen.
Mist, ich muss damit aufhören, solange ich noch kann. Und das ist jetzt!
Ohne ein weiteres Wort gehe ich an ihm vorbei zurück zum Strand. Hinter mir höre ich ein leises Lachen und knurre in mich hinein.
Ja, er hat gewonnen. Doch nur für den Moment. Ich werde ihm schon noch zeigen, dass ich keine Angst vor ihm habe – irgendwann. Aber nicht heute Abend.
Als ich die Hose und Stiefel wieder trage, setze ich mich erneut ans Feuer und wärme meine Hände daran auf. Dabei ignoriere ich die Tatsache, dass Adrién sich dichter zu mir setzt als vorhin. Stattdessen starre ich in die Flammen.
So habe ich mir mein erstes Bad im Meer definitiv nicht vorgestellt …
Nachdem wir eine Weile still nebeneinandergesessen haben, bricht Adrién das Schweigen.
»Die Bedingung ist lediglich, dass du an dem Wettkampf teilnimmst«, murmelt er. »Du musst nicht gewinnen oder dein Leben riskieren. Du kannst auch einfach in der Wüste rumsitzen und Däumchen drehen – das ist ziemlich ungefährlich. Sogar für jemanden mit so viel Ohnmachtspotenzial, wie du ihn besitzt.«
Ich verenge die Augen und wende mich ihm zu. »Du gibst nicht auf, oder?«
Sein Mund verzieht sich zu einem leichten Lächeln. »In keinerlei Hinsicht.« Schon wieder funkeln seine Augen so sehr, dass ich ihn nicht länger anschauen kann.
Was will er mir damit sagen? Dass er sich ebenfalls zu mir hingezogen fühlt? Was ist das nur zwischen uns?
Rasch bringe ich das Gespräch wieder auf ein anderes Thema. »Auralie hat etwas von Aufgaben erzählt, die schwierig zu bewältigen seien«, sage ich so unbefangen wie möglich. »Weißt du mehr darüber, was für Aufgaben es sein werden?«
»Ich habe versucht, es herauszufinden, bin mir aber nicht sicher«, antwortet Adrién stirnrunzelnd und beginnt, mit einem Ast in den Flammen vor uns herumzustochern, dass die Funken stieben. »Ich weiß, dass fünf Greifenreiter und fünf Magier ausgewählt wurden. Anscheinend wird jeder von ihnen einen Gegenstand erhalten. Die Magier dürfen eine Woche früher in die Wüste aufbrechen, da wir sie mit unseren Greifen sonst überholen würden. Sie reiten auf Kelmen, die wochenlang ohne Wasser auskommen können.«
»Wir müssen also erst in einer Woche aufbrechen?«, hake ich nach.
»Sofern meine Informationen stimmen, ja.« Er sieht mich mit schmalen Augen an. »War das etwa eine Zustimmung?«
Rasch schüttle ich den Kopf. »Mit Sicherheit nicht.«
Er