bin ich einfach nicht dafür geschaffen, ein Familienvater zu sein.«
»Wem sagst du das?«, murmelte ich in mein Glas. Dann hob ich den Blick. »Aber du findest bestimmt auch noch die Richtige.«
»Mit der ich mich dann streiten kann, wo wir leben und wie wir unser Leben zu führen haben.« Ramor lachte erneut. »Bei den Göttern, ich hoffe es.«
Noch eine Weile saßen wir zusammen und mein Onkel erzählte mir von seiner Reise durch Arganta. Einerseits beneidete ich ihn, weil er so viel herumkam, andererseits war ich auch froh darüber, hier in Chakas zu leben. Ich liebte diese Stadt und wollte mein Zuhause um nichts in der Welt eintauschen.
Endlich gab ich mir einen Ruck und verabschiedete mich von meinem Onkel. Ich würde ihn in den nächsten Tagen bestimmt noch des Öfteren sehen und bald wäre mein Geburtstag, den wir alle zusammen feierten. Jetzt, da Ramor da war, freute ich mich sogar darauf, ein kleines Fest zu geben. Ich konnte es kaum erwarten, es meinen beiden Söhnen zu sagen. Die zwei mochten ihren Großonkel fast genauso sehr wie ich und würden vor Freude juchzen.
Gut gelaunt verließ ich den Zirkel auf meinem Pferd, um zurück zu den Klippen zu reiten. Ich hoffte, dass Shaia schon schlief, sodass ich mir ihre Standpauke erst morgen anhören müsste.
Doch als ich bei unserem Haus ankam, erkannte ich, dass noch Licht brannte.
Stirnrunzelnd stieg ich vom Pferd und übergab es einem Stalljungen, der mir entgegeneilte, um es in seine Box zu bringen.
Vor dem Haupteingang stand eine Kutsche, was mich noch stutziger machte.
Nachdem ich unser Haus betreten hatte, wandte ich mich zum Wohnzimmer, aus welchem ich leises Weinen hörte. Mitten in der Tür blieb ich wie angewurzelt stehen, denn das, was ich sah, ließ alles in mir gefrieren.
»Shaia?«, fragte ich, nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte. »Was … hat das zu bedeuten?« Ich zeigte auf unsere Kinder, die ihre Reisekleidung trugen – ebenso wie meine Gemahlin.
Mein kleiner Sohn rannte mir tränenüberströmt entgegen und schlang die Arme um mich. Ich strich ihm gedankenverloren über die feuerroten Locken, während ich versuchte zu begreifen, wann die Liebe aus dem Blick meiner Frau gewichen war.
»Ich verlasse dich«, sagte sie in ruhigem Tonfall. Doch in ihren dunklen Augen erkannte ich, dass es in ihrem Inneren stürmte. »Ich will nicht länger mit dir zusammen sein. Nicht auf diese Weise.«
»Das kannst du nicht tun«, stieß ich aus. »Du kannst mir nicht die Kinder wegnehmen!«
Sie schenkte mir einen Blick, der pure Enttäuschung ausdrückte. »Deine Kinder«, schnaubte sie. »Ich bin dir egal. Du liebst in erster Linie dich und deine Arbeit. Irgendwann kommen die Kinder und dann ist lange Zeit nichts mehr, ehe ich vielleicht noch eine Rolle spiele!« Sie verzog den Mund. »Ich habe genug davon. Genug von dir und deiner falschen Prioritätensetzung!«
»Ich liebe dich«, presste ich hervor. »Tu mir das bitte nicht an!«
»Du hast mir schon viel mehr angetan«, antwortete sie. »Hast mir versprochen, für mich da zu sein. Für unsere Familie da zu sein. Doch du verkriechst dich im Zirkel, verpasst es, wie unsere Söhne aufwachsen. Warst du da, als sie ihre ersten Worte sagten? Als sie ihre ersten Schritte taten? Nein.« Tränen bildeten sich in ihren Augen und sie blinzelte sie unwirsch weg. »Du warst nie da, Cilian. Weder für mich noch für unsere Kinder. Keines deiner Versprechen hast du eingehalten und jetzt ist Schluss damit. Meine Geduld ist am Ende und mein Entschluss steht fest. Ich reise zurück nach Fayl zu meinen Eltern! Leb wohl, Cilian.«
Damit ergriff sie die Hand meines älteren Sohnes und kam zu mir, um den Kleinen ebenfalls von mir wegzuziehen.
Ich stand da wie erstarrt, unfähig, etwas zu tun oder zu sagen. Sah untätig dabei zu, wie sie mit unseren Kindern das Haus verließ, in die Kutsche stieg und davonfuhr.
Hätte ich in dem Moment nur gewusst, dass es das letzte Mal war, dass ich sie lebend sah. Dass ich meine Kinder lebend sah … ich hätte mich wohl anders entschieden und um sie gekämpft. So aber dachte ich, ich lasse sie erst mal zur Ruhe kommen und sie würde sich schon wieder einkriegen. Ihre Drohung nicht wahr machen.
Das war unverzeihbar … und unendlich dumm.
Gegenwart
Es wiederholt sich … es wiederholt sich alles. Ich bin einfach nicht dafür geschaffen, eine Frau zu halten, das wird mir bewusster denn je, als ich mit dem Rücken zur Tür stehe, hinter der ich Damaris zurückgelassen habe.
Ich wollte es dieses Mal anders machen. Wollte um sie kämpfen.
Und habe alles nur noch schlimmer gemacht.
Wieso nur fallen mir nie die richtigen Worte ein? Wieso gelingt es mir nicht, das zu sagen, was ich wirklich sagen will?
So lange ist es her – so viele Jahrhunderte sind vergangen. Und noch immer fühle ich mich wie der neunundzwanzigjährige Idiot, der nichts dazugelernt hat. Doch die Wut, diese Abneigung und Enttäuschung in ihren Augen … ich konnte sie nicht ertragen, ohne mich selbst noch mehr zu hassen. Dafür, dass ich der Grund für ihre Gefühle bin. Dafür, dass ich es wieder einmal komplett verbockt habe.
Damaris hat recht: Es braucht viel mehr als nur ein Liebesgeständnis. Viel mehr als nur eine Entschuldigung. Ich habe ihr Vertrauen verloren und das wieder zurückzugewinnen, wird ein Kampf, wie ich ihn noch nie ausgefochten habe.
Aber ich werde nicht zulassen, dass sich meine Geschichte wiederholt. Ich werde kämpfen. Um sie, um ihr Leben, um ihre Liebe. Das schwöre ich mir, während ich das Gebäude des Greifenordens verlasse, um mich für die Zeremonie heute Abend umzuziehen.
Die Aufgaben, die den Auserwählten gestellt werden, sind nicht unmöglich, das wurde mir klarer, je mehr ich mich damit beschäftigt habe. Seit heute Morgen habe ich nichts anderes getan, als mich in Schriftrollen und Bücher einzulesen, um möglichst viel herauszufinden. Und das Wissen, das ich nun besitze, wird mir helfen, Damaris durch diesen verfluchten Wettkampf zu bringen. Und wenn mir das gelingt, werde ich mich nicht nur bei ihr entschuldigen, sondern sie auch zurückerobern.
Kapitel 9 - DAMARIS
Ich weine immer noch, als Auralie zu mir kommt, um mich für die Versammlung heute Abend zurechtzumachen. Aufgrund der vielen Tränen meinerseits eine wahre Herausforderung, denn die Gesichtsfarbe, die sie mir auftragen will, verschmiert immer wieder.
Schließlich stehe ich vor dem Spiegel und betrachte mich widerwillig. Dass sie mich so herausgeputzt hat für etwas, das ich verabscheue, behagt mir nicht. Gleichzeitig muss ich da durch, ob ich will oder nicht.
Ich streiche mit den Händen über das weiß-goldene Kleid, das eng anliegt, und zupfe ein paar Strähnen aus der Stirn. Mein Haar ist seit meiner Ankunft hier im Zirkel schon um einiges länger geworden.
»Bereit?«, fragt Auralie, die hinter mir steht.
»Muss ich wohl«, murmle ich. »Schneeflocke?« Ich wende mich zu meinem Greif, der sich in dem Sessel zusammengerollt hat.
Er gibt ein leises Murren von sich, das mir zeigt, dass er ebenfalls keine Lust auf diese Versammlung hat.
»Dann gehen wir«, sagt Auralie und legt mir die Hand aufs Schulterblatt, um mich zur Tür zu schieben.
Schneeflocke blinzelt schläfrig und schickt mir ein Bild vom Zirkelplatz. Ich verstehe, dass er zu mir stoßen wird, da er direkt vom Balkon aus dorthin fliegt.
Im Gebäude ist es ungewöhnlich still, womöglich sind die meisten Greifenreiter bereits auf dem Innenhof. Mir wird mulmig zumute, als ich daran denke, was mir gleich bevorstehen wird. Nicht nur, dass ich Cilian wiedersehe, ich werde auch endlich erfahren, welche Aufgaben uns erwarten und wer außer Adrién und mir sonst noch ausgewählt wurde.
Zu meiner Nervosität gesellt sich nun Neugierde, was keine gute Mischung für meinen Magen darstellt, den ich mir dann doch noch mit den Früchten und dem Brot gefüllt habe.