und trägt eine ebenso weiße Mütze. Es sieht aus wie eine Schneeflocke. Eine Schneeflocke, die weint. Juliane traut ihren Augen nicht.
„Ich schniefe“, antwortet das kleine Geschöpf, „weil niemand mein Bäumchen will. Es ist noch klein und schief, aber das ist doch kein Grund.“ Jetzt wird die Stimme energischer. „Nur weil man klein ist, kann man doch ein schöner, prächtiger Weihnachtsbaum werden. Sieh nur, die Wurzeln hat man ihm gelassen. So könnte er sogar noch weiter wachsen ...“
„… und eines Tages der größte und schönste Weihnachtsbaum weit und breit werden“, beendet Juliane den Satz.
„Stimmt genau! Ich bin übrigens Alba, eine Tannenfee. Ich bin verantwortlich für diesen kleinen Nadelfreund. Er ist mein erster Auftrag, aber ich glaube, ich habe versagt. Niemand will ihn. Im Feenreich werden sicher alle über mich lachen.“ Und wieder schniefte die kleine Tannenfee laut los.
„Ich bin Juliane. Willst du mit zu mir kommen? Dann überlegen wir gemeinsam, wie wir deinem Freund und dir helfen können.“
Juliane hört sich diese Worte sagen, aber sie kann es nicht glauben. Sie will doch auch einen großen, geraden, prächtigen Weihnachtsbaum. Auf der anderen Seite ist es echt toll, mit einer echten Tannenfee zu reden. Das glaubt ihr bestimmt niemand.
„Papa!“ Juliane hört sich rufen, laut rufen. Mehrere Leute drehen sich nach ihr um.
Da taucht endlich der Vater auf.„Den da will ich!“ Sie zeigt auf die kleine Tanne. Jetzt hört man den Vater schniefen. Laut und langsam schnieft er durch die Nase. „Juliane, wie soll ich das deiner Mutter erklären? Wir sollen einen gerade gewachsenen, kräftigen Baum kaufen.“ Er seufzt jetzt ganz leise: „Es soll doch ein schöner Weihnachtsbaum sein!“
„Den da will ich. Der ist wunderschön!“
Alba sitzt auf der Tannenspitze und beobachtet das Gespräch. Ihr Herz schlägt ganz schnell, denn sie ist aufgeregt.
Juliane kräuselt ihre Stirn und schaut ihren Vater mit großen Augen an. Sie weiß, dass er ihr so kaum noch einen Wunsch abschlagen kann. „Bitte“, gurgelt sie aus tiefster Kehle, „bitte.“
Keine fünf Minuten später gehen Vater und Tochter nach Hause. Die Hektik der anderen Menschen ringsumher stört sie nicht. Sie freuen sich jetzt auf das Weihnachtsfest mit dem kleinen, schiefen Tannenbäumchen. Der Vater hält den Eimer mit dem Wurzelwerk fest im Arm. Das Bäumchen ragt in den Himmel wie ein Mast im Wind, und an der höchsten Stelle sitzt die kleine Tannenfee, schaukelt mit den Beinchen und ist so glücklich.
Die Mutter hat die Hände voller Plätzchenteig, als der Vater, Juliane und das Bäumchen samt Fee nach Hause kommen. Juliane merkt sofort, dass die Mutter nicht begeistert ist.
„Das ist ein Wunder-Weihnachtsbaum“, sagt Juliane schnell.
„Wohl eher ein Wunder, dass es jemanden gibt, der ihn gekauft hat“, sagt die Mutter und blickt strafend ihren Mann an.
Da kommt Großmutter Lina ins Zimmer und beginnt zu lachen. „Mein Gott, seit Jahren hab’ ich nicht mehr ein solch’ wunderbares Bäumchen gesehen. Das wird sicher der prächtigste Weihnachtsbaum, den wir jemals hatten“, juchzt sie. „Ich hole mal einen schönen Topf aus dem Keller. Da kleben wir goldene Sterne drauf, dann kommt das Bäumchen rein. Komm Juli, es gibt noch viel zu tun, bevor der Weihnachtsmann an die Tür klopft.“
Jetzt schnauft die Mutter durch die Nase, aber dann dreht sie sich um, geht in die Küche und kümmert sich wieder um die Plätzchen. Der Vater stellt den Baumschmuck bereit, und Juliane holt das goldene Bastelpapier und beginnt Sterne auszuschneiden.
Das Bäumchen steckt noch in dem alten Eimer. Der Vater hat ihn im Flur abgestellt. Natürlich ist Juliane furchtbar neugierig, was es mit der Fee noch auf sich hat. Sie setzt sich zum Basteln in den Flur und flüstert dabei: „Hallo, hallo, bist du noch da?“
„Natürlich! Ich danke dir sehr. Wir, das Bäumchen und ich, werden euch ein goldenes Weihnachtsfest bereiten.“
„Warum bist du denn nicht im Wald geblieben, als das Bäumchen geholt wurde?“ Juliane ist neugierig.
Nun erzählt Alba, dass jeder Tannenbaum, der einmal zur Weihnachtszeit leuchten soll, eine Fee hat, die für ihn sorgt und ihn am Weihnachtsabend zum Leuchten bringt. „Manchmal holen die Menschen einen Baum zu früh aus dem Wald“, erzählt sie. „Es wäre so schön, wenn mein Bäumchen noch ein paar Jahre in die Erde zurückkönnte. Die Wurzeln sind ja noch dran.“
Juliane hat nun genug Sterne ausgeschnitten. „Ich muss zur Großmutter. Wir sehen uns später noch“. Sie springt auf und verschwindet.
Wie in jedem Jahr ist Juliane furchtbar aufgeregt. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und blättert in einem Buch, als die Mutter endlich die Tür öffnet und sie ins Wohnzimmer holt. Der große Augenblick ist da. Feierliche Weihnachtsmusik ertönt, die Kerzen brennen und der Weihnachtsbaum steht vor dem Fenster in einem roten Topf mit goldenen Sternen und strahlt heller als jeder Stern am Himmel.
„Er sieht so groß und festlich aus“, flüstert die Mutter.
Juliane lächelt glücklich und zwinkert Alba zu, die auf der Christbaumspitze sitzt und ab und zu ihren Feenstaub ins Zimmer pustet. So hüllt sie alles in goldenes Zauber-Licht. „Und im Frühling setzen wir das Bäumchen in Großmutters Garten“, lächelt Juliane. Großmutter Lina nickt zufrieden. Der Vater hat eine kleine Träne im Auge.
„Danke, lieber Wunder-Weihnachtsbaum“, denkt die Mutter.
*
Der Gutenachtengel
Elva hatte heute ihre Oma besucht. Dafür musste sie mit Mama und Papa fast zwei Stunden mit dem Auto fahren. Zurück hatte es auch noch einmal zwei Stunden gedauert. Das war ganz schön anstrengend für Elva, denn am Morgen war sie natürlich ausgeschlafen und freute sich darauf, ihre Oma wiederzusehen. Auf dem Heimweg schlief sie ein bisschen im Auto ein, so verging die Zeit viel schneller. Im Auto war es gemütlich und ruckelte so schön, außerdem waren ja Mama und Papa da, deshalb hatte Elva auch keine Angst vor bösen Träumen. In ihrem Zimmer, wenn sie so allein in ihrem Bett lag, dann kribbelte es manchmal in ihrem Bauch. Das passierte immer, wenn es irgendwo quietschte oder ein Schatten im Zimmer auftauchte. Das war so unheimlich, dass das Kribbeln immer größer wurde. Sie zog dann die Bettdecke über die Nase und zwinkerte in die Dunkelheit. Obwohl es gar nicht richtig dunkel war, denn es leuchtete immer eine kleine Lampe auf ihrem Nachttisch. Aber wenn man Angst hat, dann ist es eben dunkel und überall werden aus Schatten richtig fiese Monster!
Das hatte Elva auch heute ihrer Oma erzählt und die war sofort aufgestanden und hatte etwas aus dem Schubfach ihrer Kommode geholt. „Nun kann dir nichts mehr passieren“, hatte Oma verständnisvoll geschmunzelt und einen wunderschönen Weihnachtsengel in Elvas Hand gelegt.
„Ist der nur für Weihnachten?“, hatte sie wissen wollen, doch Oma hatte den Kopf geschüttelt.
„Die Engel sind immer da.“
Nun hielt Elva ihren Weihnachtsengel in der Hand und überlegte, wo er wohl am besten auf sie aufpassen könnte. Ihr Zimmer war zurzeit ganz festlich geschmückt mit Weihnachtsbildern und einer Schneekugel, die Morgen Kinder wird’s was geben spielen konnte, wenn man an einem Rädchen drehte. Außerdem stand eine kleine Krippe auf dem Tisch und goldene Sterne hingen von der Decke herab. Am Fenster stand eine kleine Laterne, in der eine künstliche Kerze wie echt flackerte.
„Das ist ein schöner Platz“, sagte Elva und hielt den Engel in die Höhe. Er hatte ein weißes Kleidchen an und seine Flügel waren golden. Sie hatten die gleiche Farbe wie sein Haar, das ihm in langen Locken bis zur Hüfte reichte. Für einen Moment glaubte sie, der Engel hätte ihr zugenickt, aber dann lachte sie nur und lief zum Fenster. Vorsichtig setzte sie den Engel neben die Laterne und drehte ihn so, dass er zu ihrem Bett sehen konnte, aber auch zum Mondschein, der heute besonders hell ins Zimmer schien.
„Das