Ramona Stolle

Radau im Adventskalender


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Vollmond“, unterbrach Elva.

      „Genau“, nickte Mama, „und der Traum, den du in dieser Nacht träumst, wird in Erfüllung gehen.“

      Nun wollte Elva gar nicht mehr ins Bett gehen, denn sie fürchtete sich davor, etwas besonders Schlimmes oder Gruseliges zu träumen.

      „Alles ist gut. Gute Nacht, mein Schatz.“ Mit diesen Worten küsste Mama Elvas Stirn und ging aus dem Zimmer. Die Tür hatte sie nur angelehnt, sodass ein schwacher Lichtschein zu sehen war. Natürlich spendete auch die kleine Lampe auf ihren Nachttisch ein bisschen Licht, aber nicht viel. Erst als der Weihnachtsmond am Nachthimmel so gewandert war, dass er in ihr Zimmer schien, wurde es heller. Elva blickte zum Fenster hinüber, wo unbeweglich Omas Engel saß.

      „Pass gut auf mich auf“, flüsterte sie ihm zu, aber vorsichtshalber entschied sie sich, heute nicht einzuschlafen. Sie wollte auf keinen Fall etwas träumen, was sie vielleicht gar nicht haben wollte. Einmal hatte Elva von einem riesigen Zotteltier mit spitzen Zähnen geträumt, das sie durch die Straßen gejagt hatte. Dieses Wesen wollte sie auf keinen Fall wiedertreffen. Zum Schluss würde es vielleicht noch in ihr Zimmer einziehen und mit ihren Sachen spielen. Undenkbar!

      Wenn man so gemütlich im kuscheligen Bett lag, dann hatte man manchmal das Gefühl, dass die Nacht viel länger dauerte, als man gedacht hatte. So ging es Elva jetzt! Die Müdigkeit schlich in ihren Körper und ihre Augenlider fühlten sich immer schwerer an. Sie spürte, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis sie einschlief, deshalb setzte sie sich noch einmal aufrecht hin und starrte den Weihnachtsmond an. Der Engel saß neben der Laterne und blickte Elva freundlich an.

      „Wer hat dich umgedreht?“, fragte Elva erstaunt. „Du kannst ja den Mond gar nicht mehr sehen.“

      Der Engel räusperte sich leise und warf einen flüchtigen Blick nach hinten. „Ich kenne den Mond gut. Er ist nicht böse, wenn ich ihm den Rücken zudrehe.“

      Elva bekam ganz große Augen. Ihre Müdigkeit war verschwunden. „Du kennst den Mond?“

      „Ja“, kicherte der Engel und setzte sich so, dass er mit seinen Beinen hin und her wippen konnte, „der Vollmond ist doch schon sehr alt – so wie ich.“

      „Aber“, staunte Elva, „das ist nicht nur der Vollmond. Das ist …“

      „Der Weihnachtsmond“, lachte der Engel. „Du musst dich nicht vor ihm fürchten.“

      Elva schnaufte empört. Woher wusste der Engel, dass sie Angst hatte?

      „Ich bin ein Engel“, kicherte das kleine Wesen und schüttelte seine goldenen Locken, „ich weiß alles.“

      Elva rieb sich die Augen. Das konnte sie sich doch jetzt nicht alles einbilden. Es war doch völlig unmöglich, dass sie hier in ihrem Bett saß und sich mit einem Engel unterhielt. Und es war ja nicht irgendein Engel, sondern Omas Weihnachtsengel. Oma hätte es ihr doch bestimmt gesagt, wenn es ein sprechender Engel gewesen wäre. Noch immer hielt sie die Hände vor die Augen.

      „Ich hab keine Angst vor dem Weihnachtsmond!“ Elva senkte die Arme. „Wer bist du überhaupt? Bist du schon der Traum?“

      Der Engel klatschte begeistert in die Hände, dann stellte er sich neben die Laterne und begann, mit seinen Flügeln zu flattern. Mit Schwung hob er ab und flog zu Elvas Bett. Er setzte sich auf ihre Decke, geradeso, dass er ihr ins Gesicht sehen konnte. „Wie gemütlich“, quietschte er.

      „Wer bist du?“, fragte Elva mit fester Stimme, doch das kleine Wesen, das ihr gegenübersaß, lächelte so freundlich, dass sie sich ein bisschen schämte, weil sie so unfreundlich war. „Wer bist?“, flüsterte Elva deshalb ein zweites Mal und diesmal war der Klang ihrer Stimme viel weicher.

      „Yumi“, lächelte der Engel, „mein Name ist Yumi.“

      Das klang so schön, dass Elva ganz ruhig wurde.

      „Es ist sehr schön, hier bei dir“, flüsterte Yumi, „ich bleibe bei dir heute Nacht. Niemand wird dir etwas tun.“

      „Und der Weihnachtsmond?“, fragte Elva und spürte, dass ihre Augenlider immer schwerer wurden. Ganz warm legte sich die Müdigkeit um ihre Schultern.

      „Er erfüllt deinen Traum“, sagte Yumi mit so viel Ruhe, dass Elva sich hinlegte und sich in ihr Kissen kuschelte. „Und weil ich hier bin, hast du nichts zu befürchten. Nie mehr, liebe Elva, kann ein Monster in deine Träume huschen. Ich beschütze dich, weil ich in der Nacht des Weihnachtsmondes zu dir kam.“ Yumi war sich nicht sicher, ob Elva ihre Worte noch hörte. Das Mädchen hatte die Augen geschlossen und war eingeschlafen. „Ich passe auf dich auf“, hauchte der Engel, „ich passe immer auf dich auf.“

      Elva blinzelte verschlafen und knuffte ihr Kopfkissen, dann streckte sie sich. Tatsächlich war sie irgendwann in der Nacht eingeschlafen, obwohl sie unbedingt wachbleiben wollte. Zum Glück hatte sie keine Monster getroffen, sondern einen Engel. Das war ein sehr schönes Erlebnis.

      „Yumi? Yumi, bist du da?“, fragte Elva und rieb sich die Augen. Als sie keine Antwort bekam, setzte sie sich auf und blickte zum Fenster. Dort saß der Weihnachtsengel und blickte sie an. Er saß genauso, wie sie ihn gestern Abend hingesetzt hatte.

      „Yumi!“ Der Engel blieb still, doch Elva glaubte, ein kleines Zwinkern in seinem linken Auge gesehen zu haben. Nun wusste sie, dass der Traum der letzten Nacht in Erfüllung gegangen war. Es würde kein Monster jemals wieder durch ihr Zimmer laufen und kein Zotteltier würde sie jemals wieder jagen.

      „Yumi wird immer auf mich aufpassen.“

      Elva stand auf und ging zum Fenster. Der Mond war längst verschwunden, trotzdem blickte sie zum Himmel und flüsterte: „Danke, Weihnachtsmond.“ Dann senkte sie den Blick und streichelte mit dem Zeigefinger über die blonden Engelslocken. „Danke, Yumi.“

      *

      Ein Pfefferkuchenpaar

      Kleiner Pfefferkuchenmann,

      ich fang gleich zu backen an,

      denn du sollst nicht einsam sein.

      Schöner ist es doch zu zweien.

      Schau, der Teig ist schnell gemacht,

      doch ich lass ihn heute Nacht

      in der warmen Küche steh’n.

      Morgen wird es weitergeh’n.

      Ofen an schon in der Früh

      und ich forme ohne Müh‘

      eine Pfefferkuchenfrau.

      Ihre Augen mach ich blau.

      Zöpfe trägt sie auf dem Kopf,

      ihre Jacke ziert ein Knopf.

      Drunter trägt sie noch ein Kleid

      und dann ist es schon soweit.

      Süßer Duft erfüllt den Raum,

      lecker wie ein Weihnachtstraum.

      Glücklich lebt nun Jahr für Jahr

      unser Pfefferkuchenpaar.

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