Sabine Prigge

Nicht ohne Jasper


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       Nicht ohne Jasper

      Sabine Prigge

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      Impressum:

      Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind

      zufällig und nicht beabsichtigt.

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      © 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

      Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

      Titelbild: Heike Georgi

      Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2010

      Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM

      ISBN: 978-3-940367-75-4 - Taschenbuch

      ISBN: 978-3-96074-299-9 - E-Book (2020)

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Inhalt

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      Für Lara

      *

      1.

      Kim erinnerte sich später genau an den Tag im Juni, der alles änderte.

      Es regnete ganz feinen leichten Sommernieselregen und es roch gut – nass und warm und würzig. Sie schloss die Haustür auf und stutzte einen Moment. Die Jacke ihrer Mutter hing an der Garderobe. Das war ungewöhnlich. Ihre Mutter arbeitete bis in den späten Nachmittag als Verkäuferin in einer Bäckerei. Das Mittagessen kochte Kims Vater.

      Kim stellte ihre Schultasche in die Ecke, schmiss die Jacke darauf und zog sich mit den Füßen wechselseitig die Schuhe aus. Sie schnupperte. Pommes frites? Die gab es eigentlich nur zu besonderen Gelegenheiten – wegen des Fritteusengestanks. Hatte sie etwas vergessen? Ihr Geburtstag war im Februar, Zeugnisse gab es erst in einem Monat. Erwartungsvoll trat sie in die Küche, gab zur Begrüßung erst ihrer Mutter, dann ihrem Vater einen Kuss auf die Wange und setzte sich.

      Frank Heinrich sah richtig glücklich aus und auch Sylvie Heinrich wirkte nicht so gestresst wie sonst.

      „Wie war es in der Schule?“, erkundigte sich die Mutter.

      „Okay“, erwiderte Kim. „Nichts Besonderes.“ Unsicher schaute sie ihre Eltern an. „Warum bist du zu Hause, Mama? Was ist los?“

      „Ich bin nur kurz hier, muss gleich wieder weg.“

      „Und warum?“

      „Weil ich wieder arbeiten muss.“

      „Warum du hier bist, will ich wissen.“

      „Um mich ganz doll mit Papa und mit dir zu freuen.“

      „Mensch Mama! Sagt mir endlich, was los ist!“

      „Frank“, lachte Frau Heinrich. „Sag es ihr, sonst platzt sie.“

      Frank Heinrich sah seine Tochter liebevoll an. „Kim“, sagte er dann, „ich habe wieder eine Stelle!“

      „Papa“, juchzte Kim. „Das ist ja obercool.“

      Sie sprang auf und drückte ihrem Vater einen Kuss auf die Stirn.

      Ihr Vater litt so sehr darunter, arbeitslos zu sein, und das seit mehr als zwei Jahren.

      „Mit über vierzig Jahren bist du zu alt, dann will dich keiner mehr“, seufzte er, wenn wieder eine Absage auf eine Bewerbung kam. Sie lebten eine Weile nur von seinem Arbeitslosengeld. Dann fand Sylvie Heinrich eine Arbeit als Verkäuferin in einer Bäckerei.

      „Was soll’s, bin ich eben der Hausmann“, hatte er gelächelt und seine Tochter an sich gedrückt. „Wir schaffen das schon.“

      Kim war ziemlich stolz auf ihren Vater.

      Jetzt setzte sie sich wieder und schob sich mit der Gabel fünf Pommes auf einmal in den Mund. „Wo denn?“, fragte sie. Es hörte sich an wie: „Ho henn?“

      „Kim, mach den Mund leer, bevor du sprichst“, rügte sie ihre Mutter.

      Kim schluckte. Ihr Gesicht war gerötet vor Aufregung, die blauen Augen schauten neugierig hin und her.

      „Bleibt Mama dann wieder zu Hause?“, fragte sie. „Oder geht ihr beide? Das fände ich aber doof, es ist schön, wenn einer von euch zu Hause ist.“

      „Erzähl du, Sylvie“, forderte der Vater seine Frau auf.

      „Na gut, also: Papa hat wieder eine Stelle in einem Krankenhaus gefunden. So wie er sich das gewünscht hat. Er wird dort stellvertretender Abteilungsleiter sein.“ Das sagte sie mit so viel Stolz in der Stimme, als würde ihr Mann der nächste Papst. Liebevoll legte sie ihre Hand auf seine.

      Kim verdrehte die Augen. Immer dieses peinliche Getue.

      Dabei freute sie sich eigentlich, dass ihre Eltern sich so gut verstanden. Die Eltern ihrer Freundin Hanna lebten seit einiger Zeit getrennt. Hannas Vater wohnte jetzt mit einer anderen Frau zusammen. Seitdem war Hanna ziemlich bedrückt und viel ernster als früher. Sie trafen sich auch seltener. Kim besuchte Hanna nicht mehr so gerne, weil deren Mutter oft weinte oder auf Hannas Vater schimpfte. Und Hanna kam kaum noch zu Kim, weil sie ihre Mutter nicht immer alleine lassen wollte. Das war alles ganz schön blöde. Kim fürchtete manchmal, ihren Eltern könnte es genauso gehen. In der letzten Zeit stritten sie öfter. Aber das lag daran, dass ihr Vater unzufrieden wegen seiner Arbeitslosigkeit war. Außerdem fehlte immer Geld, weil ihre Mutter nicht so viel verdiente. Sie mussten dauernd sparen, fuhren nicht in Urlaub und so weiter. Aber am Tag nach einem Streit gingen ihre Eltern immer ganz besonders nett miteinander um. Dann wusste Kim, sie würden sich nie trennen.

      „He, Träumerle“, holte ihre Mutter sie aus ihren Gedanken und strich ihr über die kurz geschnittenen blonden Haare. „Freust du dich?“

      „Na klar, freue ich mich“, beeilte Kim sich zu sagen und spießte ihr Würstchen auf. „Dann kommt alles wieder in Ordnung.“

      Ihre Eltern sahen sich bedeutungsvoll an.

      Kim bemerkte den Blick. Sie legte die Gabel auf den Teller.

      „Was stimmt nicht?“, fragte sie misstrauisch.

      „Papa wird nicht im Diakonie-Krankenhaus arbeiten“, antwortete Sylvie Heinrich.

      „Wo denn dann?“, fragte Kim. „Hier gibt es doch nur das eine Krankenhaus.“

      „In einer großen Klinik am Rhein, in Ensburg. Das ist in der Nähe der holländischen Grenze“, sagte Herr Heinrich ganz vorsichtig, als könne etwas explodieren.

      „Wo?“, fragte Kim ungläubig.

      „In einer großen ...“, wollte Frank Heinrich wiederholen, doch seine Frau unterbrach ihn.

      „Du hast schon verstanden, Liebes“, sagte sie zu Kim. „Papa kann nächsten Monat anfangen. Er wird sich zuerst irgendwo ein Zimmer nehmen und schauen, ob alles klappt. Dann sucht er uns eine Wohnung und wir ziehen um.“

      „Umziehen?“, fragte Kim. „Wir können doch nicht umziehen! Hier ist unser Zuhause. Ich will das nicht, ich will in Neustadt bleiben!“

      „Ich weiß, Kim. Aber es geht nicht anders“, erwiderte die Mutter.

      „Ohne mich“, sagte Kim. „Das ist euch ja wohl hoffentlich klar.“

      „Nein“, sagte Sylvie Heinrich. „Mit dir, du bist nämlich erst elf und damit definitiv zu jung, um alleine zu bleiben.“ Sie lächelte dabei, aber es wirkte wenig überzeugend.

      Kim funkelte sie an. „Ich