Sabine Prigge

Nicht ohne Jasper


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neue Freunde finden.“

      „Ich will keine neuen Freunde.“ Auf einmal wurde ihr erst richtig klar, was das alles bedeutete. „Was ist mit Jasper?“

      Ihre Mutter seufzte: „Kim, Frau Hansen wird jemand anderen finden, der sich um Jasper kümmert.“

      Entsetzt sah Kim ihre Mutter an. „Jasper ist mein Hund.“

      „Nein“, sagte ihr Vater ungeduldig. „Du weißt genau, dass Jasper nicht dein Hund ist. Er gehört Frau Hansen und sie ist glücklich, dass du dich so viel um ihn kümmerst, weil sie es nicht mehr kann. Aber er ist und bleibt ihr Hund und eben nur ein Tier. Deshalb kann ich keine Arbeitsstelle sausen lassen.“

      „Nur ein Tier.“ Mit leiser, wütender Stimme wiederholte Kim die Worte ihres Vaters. „Jasper ist mein bester, mein allerbester Freund und ohne ihn gehe ich nirgendwohin, dass ihr es wisst.“ Kim sprang vom Stuhl auf und rannte in ihr Zimmer. Sie knallte die Tür hinter sich zu, warf sich auf ihr Bett und schluchzte in ihr Kopfkissen.

      Die Heinrichs liefen ihrer Tochter nicht nach. Sie blieben in der Küche und sagten erst einmal eine ganze Weile gar nichts. Sylvie Heinrich stocherte mit ihrer Gabel in dem mittlerweile kalten Essen herum, der Appetit war ihr vergangen. „Das mit dem nur ein Tier war nicht gut“, sagte sie.

      „Ich weiß“, sagte Frank Heinrich traurig. „Aber was sollen wir denn machen? Ich muss diese Stelle annehmen.“

      „Ja, natürlich“, erwiderte seine Frau. „Mit meinem Gehalt kommen wir einfach vorne und hinten nicht aus. Kannst du nicht mit Frau Hansen reden? Vielleicht gibt sie den Hund ab.“

      „Vergiss es“, sagte Frank. „Sie hängt an dem Hund genauso wie unsere Tochter, mit dem Unterschied, dass es ihrer ist. Nein, Kim wird damit klarkommen müssen. Sie muss sich an den Gedanken gewöhnen.“

      „Ich glaube, da kennst du deine Tochter schlecht“, seufzte Sylvie Heinrich. Sie stand auf. „Ich muss wieder los. Machst du die Küche?“

      „Ja, klar mach ich die Küche. Eine Weile spiele ich noch ganz gerne den Hausmann.“ Er nahm seine Frau in den Arm. „Alles wird gut“, sagte er.

      „Ja, alles wird gut“, antwortete Sylvie. Aber so ganz sicher war sie sich nicht.

      Kurze Zeit später verließ Kim wortlos die Wohnung. Ihr Vater hielt sie nicht auf, er wusste, wohin sie wollte. Er wartete darauf, sie die Treppe herunterpoltern zu hören. Ständig musste er sie ermahnen, ein wenig Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen. Diesmal jedoch ging sie ganz leise und das bedrückte ihn. Er seufzte und nahm das Geschirrtuch zur Hand.

      Das Mädchen ging zu Frau Hansen. Die alte Dame wohnte ein paar Häuser weiter. Ihre Wohnung befand sich im Erdgeschoss, sodass sie keine Treppen steigen musste.

      Kim klingelte und sofort schlug Jasper an. Es dauerte einige Zeit, bis Frau Hansen öffnete. Selbst die kurzen Wege innerhalb der Wohnung fielen ihr schwer. Sie konnte nur auf einen Stock gestützt gehen. Endlich ertönte der Summton des Türöffners. Kim drückte die Haustür auf. Jasper, ein wunderschöner Collierüde mit langem seidigen Fell drängte an Frau Hansen vorbei und sprang freudig jaulend an Kim hoch.

      „Ist ja gut, Japper, ist ja gut.“ Kim klopfte und streichelte ihn. Sie nannte ihn oft Japper. Jasper gehörte Frau Hansen, Japper ihr.

      „Hallo Kim.“ Frau Hansen lächelte das Mädchen an. „Schön, dass du da bist. Wir haben schon auf dich gewartet.“

      Jasper setzte sich zwischen sein Frauchen und seine Freundin und schaute beide im Wechsel an. Frau Hansen lachte. „Ja, nicht wahr? Du bist auch froh, dass wir die Kim haben, du läufst doch so gerne.“ Jasper bellte einmal kurz auf. Es klang, als wolle er „Ja“ sagen.

      Frau Hansen nahm die Leine von dem Garderobenhaken und befestigte sie an Jaspers Halsband. Der Hund hielt manierlich still.

      „Soll ich Ihnen etwas mitbringen, Frau Hansen?“, fragte Kim.

      „Oh ja, Kind, das wäre schön, wenn du mir ein paar Sachen einkaufen könntest. Hast du denn Zeit? Musst du keine Hausaufgaben machen?“

      Hausaufgaben. Natürlich musste Kim Hausaufgaben machen. Schlagartig war sie wieder da, die Sache mit dem Umzug. In den letzten Minuten hatte sie überhaupt nicht daran gedacht. Sie seufzte und fuhr mit der Hand über Jaspers schmalen Kopf.

      „Natürlich habe ich Zeit“, sagte sie. „Ich mache das doch gerne.“ Was interessierten sie noch Hausaufgaben, es waren ohnehin bald Ferien. Konnte sie die Zeit auch besser nutzen! Sie nahm den Einkaufszettel und einen 20-Euro-Schein entgegen, griff Jaspers Leine und zog los.

      Es regnete nicht mehr. Eine warme Sommersonne blickte ab und an zwischen den Wolken hervor. Kim konnte das jedoch nicht genießen. In Gedanken versunken schlug sie automatisch den Weg zum Stadtwald ein. Nach einer Weile setzte sie sich am Wegrand auf einen Baumstumpf. Jasper kam sofort zu ihr und schaute sie fragend an. Seine feinfühlige Hundeseele spürte die Sorgen seiner Freundin. Er setzte sich neben sie und legte seine Schnauze auf ihr Bein.

      „Japper“, sagte Kim. Sie kraulte ihn hinter den Ohren, das mochte er besonders gerne. „Was soll ich nur tun? Meine Eltern wollen wegziehen, weißt du. Ganz weit weg. So weit, dass ich nie wieder mit dir spazieren gehen kann.“

      Jasper stand auf und leckte ihr die Tränen aus dem Gesicht. Kim ließ es geschehen. Sie schlang die Arme um ihn und schluchzte in sein Fell. „Ich will nicht weg, Japper. Ich hab dich doch so lieb. Was soll ich nur ohne dich machen?“

      Der Hund jankte, wusste keinen anderen Trost, als seiner Freundin immer wieder über das Gesicht und die Hände zu lecken. So saßen sie eine ganze Weile da, das Mädchen und der Hund.

      „Ich lasse mir was einfallen, Japper“, sagte Kim, als das Weinen nachließ. Mit dem Ärmel wischte sie sich die restlichen Tränen und Jaspers Liebesbeweise aus dem Gesicht.

      „Noch haben wir Zeit. Es wird ein paar Wochen dauern, bis dahin weiß ich, was zu tun ist. Ganz bestimmt.“ Ihre Traurigkeit wich trotziger Entschlossenheit. Sie sprang auf, nahm einen Stock und warf ihn. Freudig rannte Jasper dem Stock hinterher, um ihn zurückzuholen. Er liebte dieses Spiel.

      Der Rückweg führte die beiden an einem kleinen Lebensmittelladen vorbei. „Sitz und bleib“, sagte sie zu dem Collie. Das hatte sie Jasper beigebracht und sie war sehr stolz darauf. Der Hund würde vor dem Geschäft sitzen bleiben und nichts und niemand würde ihn dazu bewegen, sich von der Stelle zu rühren.

      Etwas später klingelte sie wieder bei Frau Hansen, um Hund und Einkäufe abzugeben. Sie sagte der alten Frau nichts von den Plänen ihrer Eltern. Bestimmt würde ihr etwas einfallen, um die Trennung von Jasper zu verhindern. Warum also die Pferde scheu machen? Der Spaziergang hatte ihr gutgetan. Sie fühlte sich nicht mehr so verzweifelt und ohnmächtig. Trotzdem bestrafte sie ihre Eltern am Abend mit eisigem Schweigen.

      *

      2.

      Am darauffolgenden Tag kam Kim nicht gleich dazu, Hanna die Neuigkeiten zu erzählen. Hanna erschien zu spät zum Unterricht. Die Klassenlehrerin, Frau Otter, sagte nichts dazu. Überhaupt verhielten sich alle Lehrer Hanna gegenüber ausgesprochen rücksichtsvoll. Sie wussten von der Trennung der Eltern und wollten ihr nicht unnötig das Leben schwer machen.

      In der Pause erzählte Hanna Kim unter Tränen, dass ihre Eltern sich um das Sorgerecht stritten.

      „Mama und Papa wollen jetzt von mir, dass ich sage, bei wem ich bleiben möchte“, erzählte sie.

      „Bei wem willst du denn bleiben?“, fragte Kim.

      „Wenn ich ehrlich sein soll, bei meiner Mutter“, erklärte Hanna. „Aber das kann ich meinem Vater doch nicht sagen. Stell dir nur vor, wie traurig er wäre. Und wenn ich es nicht sage, ist Mama enttäuscht. Was ich auch mache, entweder tue ich ihr weh oder ihm.“

      Kim überlegte, ob sie sich für ihre