zögerte einen Augenblick, dann bat es den Jungen: „Nun sag mir, warum schaust du so bekümmert drein, wenn doch heute Heiligabend ist?“
„Warum sollte ich nicht, wo das Christkind schon seit langem ausbleibt!“
„Willst du’s mir nicht erzählen?“, fragte Schneeflöckchen mit sanfter Stimme.
Gemächlich trabte der Junge weiter und begann zu berichten: „Vor vielen Jahren trieb eine böse, alte Amme, welche mit dem Teufel im Bunde stand, ihr Unwesen. Sie hatte es sich zu eigen gemacht, jedes Kindlein, welches in der Heiligen Nacht geboren wurde, zu holen und in ihre Obhut zu nehmen. Am Heiligen Abend hämmerte die Amme nun an Großmutters Tür und forderte das soeben geborene Kind, um es des Teufels Braut werden zu lassen. Aber die Großmutter schickte die Amme in die Hölle, denn nie und nimmer wollte sie sich von ihrem Töchterchen trennen. Daraufhin stieß das böse Weib einen grausigen Fluch aus und rief zornig: Erst wenn die Rosen im Schnee erblühen, soll das Christkind wieder zu euch finden. Derweil soll Hunger, Armut und Krankheit euer ständiger Begleiter sein und nicht von euch weichen.“ Nachdem der Knabe geendet hatte, blieb er stehen, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht, öffnete eine Gartenpforte und zog den Schlitten hinter einen Holzverschlag. Schneeflöckchen setzte er auf dem Fenstersims nieder und sprach: „Nun, so will ich dir jetzt deinen Wunsch erfüllen.“
„Ich danke dir!“, erwiderte das Elfchen, „aber zuvor möchte ich, dass du allein in die Hütte gehst.“
„So soll es geschehen“, antwortete der brave Knabe, nahm ein paar Holzscheite vom Schlitten und trat in die Hütte hinein.
Hier empfing ihn eine wohlige Wärme, denn im Kamin prasselte bereits ein lustiges Feuer. Sein Schwesterchen kam geschwind auf ihn zu und rief freudig: „Schau, Ludwig, das Christkind war da!“ Dann nahm es den Bruder bei der Hand und zog ihn ins Zimmer, wo die Großmutter bereits auf ihn wartete. Begierig schweifte sein Blick durch die Stube und augenblicklich entdeckte er etwas Wundervolles: einen Christbaum. In der hintersten Ecke leuchtete er unter den vielen Wachskerzen, geschmückt mit üppigen Leckereien und war gar lieblich anzusehen. Wahrlich hingen an den zarten grünen Zweigen bunte Zuckerkringel, Marzipanfrüchte, Kandis und Lakritzestangen. Darunter stand ein Tellerchen mit Nüssen, umgeben von rotbäckigen Äpfeln, Lebkuchen und gebackenen Plätzchen. Neben der Ofenbank lagen für jedes Kind ein warmes Winterzeug sowie mit Silberschleifen verzierte Gaben. Augenblicklich öffnete sich die Kammer und die Mutter trat heraus, umarmte und herzte die Kinder und dankte dem Christkind.
Schneeflöckchen sah durch das erleuchtete Fenster in die Stube und sein Herz klopfte. Die Heilige Nacht, ja so muss sie wohl sein, dachte es. Wie gern wäre es im Lichterglanz um das Bäumchen gesurrt und hätte von den Köstlichkeiten genascht. Gerade wollte es in den Himmel entschweben, als sich die Hüttentür öffnete und Ludwig aus der Tür trat. Verlegen sah Schneeflöckchen zu ihm auf und sprach: „Nun muss ich mich aber sputen und eiligst wieder zum Himmelstor hinauf.“
Der Knabe nahm das Elfchen auf die Hand, führte es an seine Lippen, küsste es liebevoll auf die Stirn und nahm von ihm Abschied. Lange sah er Schneeflöckchen nach, bis es vollends in der Dunkelheit zwischen den Sternen entschwand. Als er sich umwandte, erblickte er zu seinen Füßen zarte Christrosen im Schnee, so weiß und rein, wie es nur Schneeflocken sein können.
Kathrin Dietze wurde 1963 in Erfurt geboren.
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Vom Tannenbaum, der kein Weihnachtsbaum werden wollte
Inmitten eines Waldes, nahe der Stadt Himmelspforte, standen eine große und eine kleine Tanne. „Es wird Winter“, sagte die große Tanne zu der kleinen Tanne. „Dann ist bald Weihnachten und die Menschen kommen, um uns aus dem Wald zu holen. Sie feiern ein großes Fest. Sie nennen es Christfest. Wir Tannenbäume werden wunderbar geschmückt. In Rot oder Weiß, in Silber oder Gold. Vielleicht mit Kugeln oder mit Sternen und Engeln. Ich freue mich darauf.“
„Ich aber nicht!“, entgegnete die kleine Tanne. „Ich will nicht von den Menschen geholt werden. Ich will kein Weihnachtsbaum sein! Hier im Wald habe ich meine Freunde. Das Rotkehlchen kommt jeden Tag und singt mir ein Lied. Was soll der Specht denken, wenn ich nicht mehr da bin und er sich auf meinen Zweigen nicht mehr ausruhen kann von seiner schweren Arbeit? Und die Fuchsfamilie, die gleich hier um die Ecke ihre Höhle hat! Die Kleinen spielen jeden Tag unter meinen Zweigen!“
„Ach“, seufzte die große Tanne. „Der Höhepunkt in meinem Leben ist, wenn ich ein Weihnachtsbaum werden darf.“
Die kleine Tanne überlegte, was daran Besonderes sein sollte. Dann müsste sie Abschied nehmen von allen ihren großen und kleinen Freunden. Tränen liefen über ihre Wangen, als sie sich das vorstellte. Inzwischen war es Winter geworden. Schnee lag auf den Zweigen der kleinen Tanne. Sie war herrlich anzusehen und sie war stolz, dass sie so stark war, den vielen Schnee zu tragen. Die große Tanne sah auch schick aus in ihrem weißen Kleid und sprach nur noch von Weihnachten. Allmählich wurde die kleine Tanne neugierig.
Einmal war es dann soweit. Die große Tanne wurde geholt. Hastig sagte sie: „Auf Wiedersehen!“ Das ging so schnell, dass sie sich nicht einmal zum Abschied umarmen konnten.
Nun wurde es der kleinen Tanne doch etwas einsam. Der Fuchs kam zwar jeden Tag zu Besuch und erzählte ihr, was er erlebt hatte, aber die kleine Tanne wurde nicht mehr richtig froh. Bis Heiligabend ...
Plötzlich ratterte und krachte es im Wald. Ein Trecker bahnte sich seinen Weg. Männer mit Hacken und Spaten saßen darauf. „Hier ist eine schöne Tanne für meinen Garten!“, rief ein Mann. Sie hielten genau vor der kleinen Tanne an.
„Oh je! Oh je!“, dachte die kleine Tanne und fragte sich bang: „Was geschieht jetzt mit mir?“ Schon wurde gegraben, gezogen und gerüttelt und siehe da – die kleine Tanne wurde auf den Trecker gehoben. Fuchs und Hase konnten noch rasch winken und „Tschüss!“ rufen, dann war es wieder still im Wald.
„Wo geht es mit mir hin?“, rätselte die kleine Tanne. Sie wurde es kurz darauf gewahr.
Vor einem schönen Haus mit grünen Fensterläden wurde sie abgeladen, in den Garten getragen und eingepflanzt. Eine Frau und zwei Kinder kamen aus dem Haus und brachten Lichterketten mit, mit denen sie die kleine Tanne schmückten.
„Seht mal!“, rief die Frau. „Wie schön dieser Baum ist! Jetzt haben wir auch einen Weihnachtsbaum.“ Alle bewunderten die kleine Tanne. Die wusste gar nicht, wie ihr geschah. Es ging alles so schnell. Aber als sie an sich herabschaute, musste sie sich eingestehen: Sie war schön, einfach wunderschön! Nun war sie doch ein Weihnachtsbaum. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit wurden die Lichterketten angebracht und die kleine Tanne erstrahlte zu einem schönen Weihnachtsbaum – zum schönsten Weihnachtsbaum weit und breit. Dann seufzte sie: „Ach, es ist doch wunderbar, ein Weihnachtsbaum zu sein!“
Lore Buschjohann ist 79 Jahre alt und wohnt in Gütersloh. Sie hat durch die erfolgreiche Teilnahme am Anthologie-Projekt „Und was ich dir noch sagen wollte ...“ das Schreiben für sich entdeckt und inzwischen weitere Kindergeschichten und auch ihre Lebenserinnerungen zu Papier gebracht.
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Adventskonzert
„Ich freue mich überhaupt nicht auf Weihnachten!“, pustet Melusine hinter den langen blonden Strähnen hervor. Sie zieht den viel zu warmen Pullover über den Kopf, wirft die Haare zurück und wiederholt: „Ich freue mich nicht auf Weihnachten!“ Pummelchen macht ganz erschrockene Augen und Wilma lässt die Flöte sinken. Sie hat – gerade als ihre Freundin zur Tür hineinkam – noch völlig fehlerfrei „Bald nun ist Weihnachtszeit, fröhliche Zeit …“ gespielt. Und ihre kleine Schwester Anna, das Pummelchen, hat gesungen wie ein Barockengel. Jetzt ist die Stimmung verflogen. Anderen Leuten die Laune verderben, das kann sie gut, die schöne Melusine.
Wilma fragt ungerührt: „Kriegst du nichts geschenkt?“ Sie setzt die Flöte wieder an und spielt eine andere Melodie. „Ich steh’ an Deiner Krippe hier …“ Melusine kennt den Text. Niemand singt. Der kleinen Schwester kullert eine