nach dem in Kauen gegebenen Beispiel ähnliche Aktionen, wenn auch in kleinerem Umfange, statt, die sich auch auf zurückgebliebene Kommunisten erstreckten. Durch Unterrichtung der Wehrmachtsstellen, bei denen für dieses Vorgehen durchweg Verständnis vorhanden war, liefen die Selbstreinigungsaktionen reibungslos ab. Dabei war es von vornherein selbstverständlich, daß nur die ersten Tage nach der Besetzung die Möglichkeit zur Durchführung von Pogromen boten. Nach der Entwaffnung der Partisanen hörten die Selbstreinigungsaktionen zwangsläufig auf.
Wesentlich schwieriger war es, in Lettland ähnliche Säuberungsaktionen und Pogrome in Gang zu bringen“ (L-180).
Es versteht sich von selbst, daß diese „Tumulte“ von der Regierung und der Nazi-Partei inszeniert worden sind. Wenn wir darüber im Zweifel wären, brauchten wir nur in einer Denkschrift Streichers vom 14. April 1939 nachzulesen, in der er erklärt: „Die Judenaktion vom November 1938 ist nicht spontan aus dem Volke gekommen... Mit der Durchführung der Judenaktion waren Teile der Parteigliederungen beauftragt“ (406-PS).
Den Juden in ihrer Gesamtheit wurde eine Buße von einer Milliarde Mark auferlegt. Sie wurden vom Wirtschaftsleben ausgeschlossen und die Versicherungsansprüche für das Eigentum, das durch den Brand vernichtet worden war, wurden vom Staate beschlagnahmt. Alle diese Maßnahmen wurden auf Grund einer Verordnung des Angeklagten Göring getroffen (Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, Seite 1579 bis 1582).
Die Synagogen wurden mit besonderer Rache heimgesucht. Am 10. November 1938 wurde folgende Anweisung ausgegeben: „Auf Befehl des Gruppenführers sind sofort innerhalb der Brigade 50 sämtliche jüdische Synagogen zu sprengen oder in Brand zu setzen... Die Aktion ist in Zivil auszuführen... Vollzugsmeldung bis 8.30 Uhr an Brigadeführer oder Dienststelle“ (1721-PS).
Einige vierzig Fernschreibmeldungen von verschiedenen Polizeipräsidien schildern die Raserei, mit der sämtliche Juden in Deutschland in diesen furchtbaren Novembernächten verfolgt worden sind. Die SS- Truppen wurden losgelassen, und die Gestapo führte die Aufsicht. Jüdischer Besitz wurde auf höheren Befehl zerstört. Die Gestapo ordnete die Festnahme von zwanzigtausend bis dreißigtausend „wohlhabenden Juden“ an, die in die Konzentrationslager gebracht werden sollten. Gesunde, arbeitsfähige Juden sollten verhaftet werden (3051-PS).
Mit der Ausdehnung der deutschen Grenzen durch den Krieg erweiterte sich auch der Feldzug gegen die Juden. Der Plan der Nazis war nie auf ihre Ausrottung in Deutschland beschränkt, er sah stets vor, die Juden in Europa-zuweilen auch in der Welt – zu vernichten. Im Westen wurden die Juden ermordet und ihr Eigentum wurde übernommen. Den Gipfel der Wildheit erreichte der Feldzug gegen sie aber im Osten. Die Ostjuden haben gelitten wie nie ein Volk zuvor. Ihre Leiden wurden sorgfältig an die Behörden gemeldet, um darzutun, wie getreulich die Pläne ausgeführt worden waren. Ich werde hier nur das nötigste Beweismaterial heranziehen, um zu zeigen, wie weit die Pläne der Nazis zur Ermordung von Juden gingen.
Wenn ich diese Greueltaten mit eigenen Worten wiedergäbe, würden sie mich für maßlos und unzuverlässig halten. Glücklicherweise brauchen wir niemandes anderen Zeugnis als das der Deutschen selbst. Werfen Sie mit mir einen Blick auf einige aus der riesigen Zahl erbeuteter deutscher Befehle und Berichte, die wir als Beweismaterial anbieten, um zu zeigen, was ein Einmarsch der Nazis bedeutete.
Wir werden einen Bericht der „Einsatzgruppe A“ vom 15. Oktober 1941 vorlegen, der sich rühmt, daß bei dem Überrennen der baltischen Staaten „schon in den ersten Stunden nach dem Einmarsch einheimische judenfeindliche Kräfte zu Pogromen gegen die Juden veranlaßt“ worden seien.
In diesem Bericht heißt es weiter:
„Es war von vornherein zu erwarten, daß allein durch Pogrome das Judenproblem im Ostlande nicht gelöst werden würde. Andererseits hatte die sicherheitspolizeiliche Säuberungsarbeit gemäß den grundsätzlichen Befehlen eine möglichst umfassende Beseitigung der Juden zum Ziel. Es wurden daher durch Sonderkommandos, denen ausgesuchte Kräfte – in Litauen Partisanentrupps, in Lettland Trupps der lettischen Hilfspolizei – beigegeben wurden, umfangreiche Exekutionen in den Städten und auf dem flachen Lande durchgeführt. Der Einsatz der Exekutionskommandos war reibungslos...
Die Gesamtzahl der in Litauen liquidierten Juden beläuft sich auf 71105. Bei den Pogromen wurden in Kauen 3800, in den kleineren Städten rund 1200 Juden beseitigt... In Lettland sind bisher insgesamt 30000 Juden exekutiert worden. 500 wurden durch die Pogrome in Riga unschädlich gemacht“ (L-180).
Ein erbeuteter Bericht des Gebietskommissars von Sluzk vom 30. Oktober 1941 beschreibt die Dinge mehr im einzelnen. Es heißt darin:
„.... Der Oberleutnant erklärte, daß das Polizeibataillon den Auftrag erhalten hätte, hier in der Stadt Sluzk in zwei Tagen die. Liquidierung sämtlicher Juden vorzunehmen... Ich bat dann darum, die Aktion um einen Tag zu verschieben. Er lehnte dieses jedoch ab, mit dem Bemerken, daß er überall in allen Städten die Aktion durchzuführen habe, und für Sluzk nur zwei Tage zur Verfügung stünden. In diesen beiden Tagen müßte die Stadt Sluzk unbedingt frei von Juden sein.... Sämtliche Juden ohne Ausnahme wurden trotz der Vereinbarung aus den Betrieben und Werkstätten herausgeholt und abtransportiert. Ein Teil der Juden wurde allerdings über das Ghetto geleitet, wo noch viele von mir erfaßt und aussortiert worden sind, während aber ein großer Teil direkt auf Lastwagen verladen und außerhalb der Stadt ohne weiteres liquidiert worden ist... Was im übrigen die Durchführung der Aktion anbelangt, muß ich zu meinem tiefsten Bedauern hervorheben, daß letztere bereits an Sadismus grenzte. Die Stadt selbst bot während der Aktion ein schreckenerregendes Bild. Mit einer unbeschreiblichen Brutalität sowohl von seiten der deutschen Polizeibeamten, wie insbesondere von den litauischen Partisanen, wurde das jüdische Volk, darunter aber auch Weißruthenen aus den Wohnungen herausgeholt und zusammengetrieben. Ueberall in der Stadt knallte es und in den einzelnen Straßen häuften sich Leichen erschossener Juden. Die Weißruthenen hatten größte Not, um sich aus der Umklammerung zu befreien. Abgesehen davon, daß das jüdische Volk, darunter auch die Handwerker, furchtbar roh vor den Augen des weißruthenischen Volkes brutal mißhandelt worden ist, hat man das weißruthenische Volk ebenfalls mit Gummiknüppeln und Gewehrkolben bearbeitet. Von einer Judenaktion konnte schon keine Rede mehr Sein, vielmehr sah es nach einer Revolution aus“ (1104-PS).
Es liegen Berichte vor, die einfach nur die Zahlen der Ermordeten aufführen. Ein anderes Beispiel bringt, daß „... der beim Einrücken der Wehrmacht gebildete estnische Selbstschutz sofort mit einer umfassenden Festnahmeaktion sämtlicher Juden begann“.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß dies ein Bericht der Wehrmacht ist, die gemeinsam mit der SS in diese Taten verwickelt war.
„... Festnahme aller männlichen Juden über sechzehn Jahre und Festnahme aller arbeitsfähigen in Reval und Umgebung wohnhaften Jüdinnen im Alter von sechzehn bis sechzig Jahren, die zum Torfstechen eingesetzt wurden.“ Juden wurden allen möglichen Einschränkungen unterworfen, sämtlicher jüdischer Besitz beschlagnahmt.
„Die männlichen über sechzehn Jahre alten Juden wurden mit Ausnahme der Ärzte und der Judenältesten exekutiert.“ Nach Abschluß der Aktion blieben im Ostland von ursprünglich 4500 Juden nur noch 500 Jüdinnen und Kinder übrig.
37180 Personen wurden in Weißruthenien während des Oktobers von der Sicherheitspolizei und dem SD beseitigt.
In einer Stadt wurden 337 Jüdinnen erschossen, weil sie „ein besonders aufsässiges Verhalten an den Tag legten“. In einer anderen Stadt wurden 380 Juden erschossen, weil sie „Hetz- und Greuelpropaganda gegen die deutschen Besatzungstruppen betrieben hatten“.
Und so geht es in dem Bericht weiter. Er führt Stadt um Stadt auf, in denen Hunderte und aber Hunderte von Juden ermordet worden sind.
In Witebsk wurden 3000 Juden wegen Epidemiegefahr liquidiert.
In Kiew wurden 33771 Juden exekutiert, und zwar am 29. und 30. September als Vergeltung für Brände, die angelegt wurden.
In Schitomir „mußten 3145 Juden erschossen werden“, weil sie als Träger bolschewistischer Propaganda betrachtet worden sind.
In Cherson