sich dieses Wesen zuordnete, menschlich war es jedenfalls nie und nimmer!
Ein grünes Gesicht mit brauner Maserung, die in zufälligen Linien über Stirn, Wangen und so etwas wie einen Nasenrücken lief. Ein Gesicht, das an eine Wespe erinnerte und den Eindruck durch die schrägstehenden Augen noch verstärkte. In diesem bizarren Sehapparat gab es keine Pupille und kein Weiß. Nur eine einzige fluoreszierende Fläche, die alles in einem Lidschlag zu scannen schien. Die wunderschöne Farbe sah aus wie ein dunkelblaues Pfauenauge mit goldenen Linien, die im Licht schimmerten.
Angst, Faszination, Entsetzen, Abscheu.
So viele Empfindungen und Kaya schaffte sie alle in einem Atemzug zu benennen. Dr. Schuller wäre bestimmt sehr stolz.
Die hohe singende Stimme erklang erneut. Dazu bewegten sich an den Mundwinkeln des Wesens hauchfeine Barteln. Kaya überprüfte die Körperhaltung der Kreatur. Wenn sie diese nach terrestrischen Maßstäben betrachtete, hatte sie keine feindselige Stellung eingenommen. Im Gegenteil. Bei einem neuen Schwächeanfall spürte Kaya einen festen Griff am Ellenbogen. Sie wurde hochgezogen und ab da waren die Erinnerungen schwammig.
Irgendwann stand sie vor ihrem Haus. Mittlerweile war es dunkel geworden und das Außenlicht schmerzte Kaya in den Augen. Während sie den Schnee von den Füßen trat, überlegte sie, was Vater zu seinen schlechten Messungen sagen würde, weil die Instrumente nicht freilagen.
Doch nachdem Kaya den Hausflur betrat, rannte Linette ihr entgegen.
„Gott sei Dank bist du zurück, Schatz! Seit du weg warst, hat sich die Welt, ach was, das ganze Universum verändert. Komm rein!“
Im Wohnzimmer brüllte Vater irgendwas in sein altes Militärfunkgerät. Der Bildschirm an der Wand flimmerte weiß und schwarz, die Dic-Da-Dics lagen unbenutzt auf dem Sofatisch. Bekka wippte nervös in ihrem Lieblingssessel auf und ab und kaute ihre Oberlippe durch.
„Was ist mit den Amerikanern?“, hörte Kaya Vater rufen.
Immer noch hörte sich für sie alles an wie in einer Taucherglocke. Die Mutter stieß sie in die Seite.
„Aliens, Kaya! Aliens, hörst du? Aliens hier! Vor den Toren der Welt. Wir sind nicht allein.“
Kaya bastelte sich den Sinn ihrer Worte durch Lippenlesen und Raten zusammen. Da Vater sein uraltes Equipment aus dem Keller geholt hatte, schien der Satellitenempfang immer noch nicht zu funktionieren. Kaya wandte sich zu Linette.
„Dass wir nicht alleine sind, wissen wir doch schon“, sagte sie, ohne sich selbst richtig zu hören. „Vor zehn Jahren waren eindeutig Sichtungen andersartiger Flugobjekte um den Mars dokumentiert worden.“
Naja, auf den Anblick des fremden Lebewesens im Wald hatte sie dieses Wissen auch nicht vorbereitet.
Bekka schoss von ihrem Sessel auf.
„Dein emotionsloses Gefasel kannst du dir sonst wohin stecken! Unser Leben ist in Gefahr. Die haben heute eine ganze Insel im Südpazifik hochgejagt.“
Kaya zuckte zusammen. Waren die Wesen doch nicht friedlich? Die grüne Amazone im Wald hatte keinen aggressiven Eindruck gemacht. Aber die wenigen Minuten die sie zusammen waren, machten Kaya nicht zum Experten.
„Ehrlich, du kotzt mich an“, schnauzte Bekka weiter.
Kaya stand eine Weile benommen im Wohnzimmer. Während ihre Familie ausflippte und sie das wahrscheinlich auch tun sollte, schälte sie sich stattdessen aus ihrer Winterjacke und stellte Berechnungen an, wie viele Kilometer Luftlinie vom Pazifik bis zur Zugspitze lagen.
Die BEOCIS (Body of extraodinary crisis) und die Pangaea Allianz, die asiatisch, europäisch, nordamerikanische Vereinigung, hatte weltweiten Notstand ausgerufen. Am Nachmittag des 28. Dezembers 2118 um 15:50 Uhr tauchte ein Raumschiff unbekannter Herkunft im Orbit der Erde auf und blieb dort, als wäre es vor Anker gegangen.
Die unangekündigten Gäste hatten offenbar Manieren und versuchten sich vorzustellen. Leider kam kein einziger Ton aus ihrem Mund, obwohl sie während der Übertragung die Lippen bewegten. Nach einer halben Stunde betretenen Schweigens beider Seiten mussten die Hausherren feststellen, dass mehrere Sonden des Raumschiffes in den Luftraum der Erde eingedrungen waren und nicht genehmigte Scans durchführten. Um die frechen Eindringlinge in ihre Schranken zu weisen, empfahl das Verteidigungsministerium einen warnenden Schuss vor den Bug vorzunehmen. Der Schusser, welcher das riesige Raumschiff traf, machte sich eher wie ein Feuerwerkskracher aus, der einen Pottwal rammte, aber man fühlte sich besser damit. Schließlich wollte man ja nicht provozieren, nur seinen Missmut ausdrücken.
Mit der durchschlagenden Antwort hatte allerdings keiner gerechnet. Binnen Sekunden, nachdem der Sternspeierhagel am Lack des Raumschiffes gekratzt hatte, schoss ein mächtiger blauer Strahl auf den Planeten Erde hinab, traf eine winzige Insel im Pazifik und löschte diese von der Landkarte. Da half es auch nicht, dass die Insel unbewohnt gewesen war und man den Aliens zugutehalten könnte dies bei dem interstellaren Säbelrasseln berücksichtigt zu haben.
Das war Hausfriedensbruch!
Genau 62 Minuten nach Sichtung des Raumschiffes im Orbit durchbrach ein kleines ovales Objekt die Atmosphäre. Es sah aus wie eine kleine Schildkröte, war schnell wie ein Jet und genauso unwillkommen wie die Sonden. Diesmal zeigten die Menschen, dass sie mehr im Petto hatten als Knallfrösche und die Schildkröte wurde mit schwerem Geschütz beballert, getroffen, ging über Deutschland runter und verschwand schließlich vom Radar.
Für weitere fünf Minuten hielt die Welt den Atem an. Doch ein Gegenschlag des Mutterschiffs blieb aus. Die Sonden wurden zurückgezogen. Die Schildkröte blieb verschwunden. Die Atombomben aus allen Ländern der Pangaea Allianz zeigten auf den riesigen Eindringling. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass niemand einen nervösen Zeigefinger hatte.
Im Jahr des Echow 5/26
Logbucheintrag 26
Kapitän Äile Ino Mmah von Bugschiff I
Ort: Unbekannt
Status: Wir arbeiten dran
Die Crew ist den Umständen entsprechend wohlauf. Trotz leichter Verletzungen kann jedermann stehen und seiner Tätigkeit nachgehen. Tede Beg und Leutnant LIR haben Erkundigungen eingezogen und sind vor 9/2 Tanos auf das Bugschiff zurückgekehrt. Das Magnetfeld scheint zu halten und weitere Gegenschläge der Bewohner des blauen Planeten bleiben bisher aus. Wenn wir Glück haben, spüren sie uns nicht auf, bis wir die Reparaturen abgeschlossen haben.
Pilotin Tede Beg berichtete, dass wir in unbesiedeltem Gebiet niedergegangen sind. Das ist als einziger positiver Faktor zu werten. In einer Situation wie der unseren nicht zu verachten. Allerdings scheinen die Begebenheiten nicht ideal. Ein nasskaltes, weißes Pulver bedeckt die Landschaft und erschwert das Vorwärtskommen zu Fuß ungemein. Außerdem setzt es unseren Geräten zu. Tede Beg schlug vor die Außenaggregate minimal laufen zu lassen, obwohl es das Risiko auf Entdeckung erhöht.
Vor 3/5 Tanos ist die Nacht über uns hereingebrochen. Sie ist so dunkel wie es bei uns niemals möglich wäre. Ich habe die Besatzung angewiesen schlafen zu gehen. Vorerst können wir nichts tun.
Offizieller Teil Ende
Eine Bemerkung für dich, Vater.
Ich bin über die Entwicklung der Dinge alles andere als erfreut und möchte hier ganz offiziell eingestehen, dass mir als Verantwortlicher ein großer Fehler unterlaufen ist. Meiner Wut und meiner Anspannung, die ich nicht in Zaum halten konnte, ist es zuzuschreiben, dass ein Stück Land auf diesem Planeten vernichtet wurde. Natürlich wusste ich, dass dieses Eiland von Aliens unbewohnt gewesen war, aber ich hätte mich nicht so provozieren lassen dürfen.
Wärst du hier gewesen, du hättest mich bestimmt übers Knie gelegt.
Was Leu angeht, sorge dich nicht. Er ist gesund und munter.
Kaya hob den Kopf. Das Radio in der Küche war an und brüllte ungewöhnlich laut in den ersten Stock. Es klang wie Nachrichten. Scheinbar funktionierte der Empfang. Sie rollte herum und stemmte sich