Albert Wendt
wurde 1948 geboren. Er lebt seit seiner Kindheit in einem Dorf bei Leipzig. Nach dem Abitur arbeitete er als Heizer, Schlosser, Ringer, Traktorist, Armist, Kulturwissenschaftler, Bühnenarbeiter und Dichter. Er schreibt Aphorismen, Gedichte, Hörspiele, Kindergeschichten und Theaterstücke.
Bei Jungbrunnen sind folgende Titel von Albert Wendt lieferbar: Adrian und Lavendel (2004), Betti Kettenhemd (2008), Marta-Maria (2010), Der kleine Waldräuber (2012), Der kleine Fallschirmspringer (2013), Das tanzende Häuschen (2015) und Henrikes Dachgarten (2019).
ISBN 978-3-7026-5949-3
eISBN 978-3-7026-5950-9
1. Auflage 2020
Einbandgestaltung: b3k
© 2020 Verlag Jungbrunnen Wien
Alle Rechte vorbehalten – printed in Austria
Druck und Bindung: Buch Theiss GmbH, A-9431 St. Stefan
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Albert Wendt
Tok-Tok im Eulengrund
Das Geheimnis der Vogelfrau
Inhalt
1. Kapitel Rose-Rad-ab macht sich fein
2. Kapitel Ein Bär tappt in die Falle
3. Kapitel Drei Frauen im „Kopfstand“
4. Kapitel Wer schleicht da durch die Nacht?
7. Kapitel Erste Berufserfahrungen als Kinderschreck
8. Kapitel Ich bekam Prügel und Kupferspecht ein Frühstück
9. Kapitel Angriff und Belagerung
10. Kapitel Hohe Schule der Niedertracht
11. Kapitel Nachtschicht mit Kupferspecht
12. Kapitel Ich lüge und werde belogen
13. Kapitel Ein Habicht stürzt ins Lerchennest
15. Kapitel Aller Liebreiz dieser Erde
17. Kapitel Eine Entdeckung und eine Beförderung
18. Kapitel Ein Mondgesicht ist in Gefahr
20. Kapitel Glühwürmchen kämpft gegen Drachenfuß
22. Kapitel Miranda fliegt und stürzt ab
23. Kapitel Rückzug mit dicker Lippe
24. Kapitel Miranda und Tok-Tok
25. Kapitel Tok-Tok verschwindet spurlos und Rose füttert Sperlinge
26. Kapitel Zwei schüchterne Männer auf dem Mädchenstein
27. Kapitel In der Ferne ein Krokodil
1.Kapitel
Rose-Rad-ab macht sich fein
Der Eulengrund war eine Wildnis am Rande einer großen Stadt. Dort wucherte ein Dickicht über den Ruinen einer Eisenfabrik. Und mittendrin lag der Mädchenstein. Dieser Stein war eine Betonplatte, versteckt in einer Kuhle aus grobem Kies. Der Mädchenstein hieß Mädchenstein, weil kein Junge den Stein, das Kiesbecken und das Gestrüpp daneben betreten durfte.
An einem warmen Frühlingstag lagen zwei Mädchen, etwa 14 Jahre alt, winterblass und bezaubernd schön, auf dem Mädchenstein und sonnten sich. Die eine, etwas dünn, hieß Miranda, die andere, etwas rundlich, hieß Anna-Muriel und wurde Anna-Mu genannt. Neben ihnen spielte Bäumchen, Anna-Mus fünfjährige Schwester, mit Kieselsteinen.
„Keine Angst, Anna-Mu“, sagte Miranda, „die Jungen haben versprochen, uns nicht zu belauern. Das ist abgemacht, mit Schwur und Handschlag.“
„Elle Endstelle ist richtig mies, ganz der Vater, und Carlito ist auch nur ein Junge. Mimi-Randa, glaube mir, Jungs lassen sich so etwas nicht entgehen. Jungs müssen einfach herumschleichen und Mädchen, die sich nackt sonnen, ganz frech anglotzen.“
„Carlito ist so eine Art Königssohn“, sagte Miranda unverstellt schwärmend. „Er kann gar nicht unedel handeln. Er schleicht sich nicht an und äugt.“
„Da! Da!“, rief plötzlich das Bäumchen. „Der Schuft, er guckt!“
Die Mädchen kreischten, richteten sich auf, zogen die Beine an die Körper und umschlangen die Knie mit den Armen.
„Wer? Wo?“
„Der Kerl da am Himmel.“
„Ein Vogel, ein Milan“, sagte Miranda erleichtert.
„Blöde, kleine Kröte“, schimpfte Anna-Mu, „uns so zu erschrecken.“
„Aber der große Vogelkerl kreist schon so lange über uns, weil er gucken will.“
„Der Milan kreist“, erklärte Miranda, „weil es hier massenhaft Wildkaninchen gibt.“
Die Jungs, von denen auf dem Mädchenstein die Rede war, Carlito, der Königssohn,