wenn ich nur mit Cammi zusammen war, nicht einmal dann fühlte ich mich so richtig entspannt, sondern war die ganze Zeit auf der Hut, leicht nervös, daß ich etwas Falsches sagen könnte.
Wenn ich mit mehreren Leuten zusammen war, wurde es natürlich noch schlimmer, da fühlte ich mich fast immer unmöglich – unbeholfen, albern, abgelehnt und ausgeschlossen.
Ich entspannte mich, setzte mich gemütlich in mir selbst zurecht.
Manchmal bekam ich allerdings auch höllische Angstanfälle, wenn ich allein war. Dann fürchtete ich mich vor allem – vor mir selbst, vor allen meinen verrückten Ideen, ich bekam Angst vor Katastrophen, daß das Haus abbrennen würde oder daß ich einen Schlaganfall bekommen könnte. Mann, ich bin vielleicht ein schräger Typ, kein Mensch außer mir hat so eine weiche Birne, da bin ich sicher. Es würde mich kein bißchen wundern, wenn ich eines Tages in der Klapsmühle landete.
Eins stand wenigstens fest – wenn ich alleine war, konnte ich mich sowohl saugut als auch sauschlecht fühlen. Also brauchte ich ja nur dafür zu sorgen, daß ich mich jetzt ausschließlich saugut fühlte.
Ich blieb noch eine Viertelstunde neben der Garage sitzen, zur Sicherheit, um mich davon zu überzeugen, daß ich tatsächlich ganz allein war. Die ganze Viertelstunde lang befürchtete ich, daß der Audi zurückkommen könnte und meine Mutter mich zwingen würde, nach Schonen mitzukommen.
Natürlich ist sie halbtot vor Angst, daß mir was zustößt, und garantiert ruft sie an, kaum daß sie angekommen sind. Vielleicht sollte ich den Stecker rausziehen, dachte ich – einfach so, aus Bosheit. Dann würde sie außer sich geraten vor Panik und könnte nicht einschlafen. Allerdings bestand die Gefahr, daß sie statt dessen meinen Vater zwingen würde, mitten in der Nacht den ganzen Weg zurück zu fahren. Und das wäre ganz und gar nicht gut.
Ich stand auf und lief die Treppe zum Haus hinauf. Als ich ins Wohnzimmer kam, blieb ich stehen und lauschte.
Eine blauweiße Standuhr tickte in einer Ecke. Weit draußen in der Bucht waren Schiffe zu hören. Irgendwo heulte ein Automotor auf. Ein Kind lachte.
Ich ging die Treppe rauf und zog in das größere Schlafzimmer um. Holte meine Zigaretten aus der Umhängetasche.
Langsam ging ich die Treppe runter, Schritt für Schritt, und setzte mich in das große cremefarbene Ledersofa, das mitten im Zimmer stand. Ich zündete mir eine Zigarette an, schaute zu den offenen Terrassentüren hinaus und sah den heißen, blaßblauen Himmel und die Inseln hinten am Horizont.
Genau wie im Kino, dachte ich. Na ja, vielleicht nicht ganz so exotisch wie es dort meistens aussieht, aber doch annähernd.
I need a drink, dachte ich laut.
Mit der Fluppe im Mundwinkel ging ich in die Küche, mixte mir einen ‚Sicilian Flyer‘ und kehrte damit zum Sofa zurück. Gedankenverloren nippte ich an meinem Glas und rauchte.
Das stellte ich mir wenigstens so vor, und das genügte. Daß es in Wirklichkeit ein Glas Pepsi war, in dem eine Zitronenscheibe und ein paar Eiswürfel schwammen, spielte keine Rolle.
The Amigo Factor
Ich wurde von einem wütenden Sonnenstrahl geweckt, der mir ein Loch ins linke Augenlid zu brennen versuchte. Als ich die Augen aufschlug, wurde ich geblendet und schloß sie daher sofort wieder, rückte ein Stück zur Seite und machte einen neuen Versuch.
Der Lasersonnenstrahl kam von einem Spiegel draußen im Flur, der das schräg einfallende Sonnenlicht von der Terrasse auffing.
Halt, was war denn das – demnach lag ich im Wohnzimmer? Auf dem Sofa? Seltsam. Ich war fest davon überzeugt, daß ich oben im Schlafzimmer ins Bett gegangen war.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis das Gehirn und das Gedächtnis die Situation gemeinsam geklärt hatten.
Ja, stimmt, natürlich... So war das. Peinlich. Sehr peinlich. Als ich die Nachttischlampe nachts um eins ausgemacht hatte, überfiel mich plötzlich diese Wahnsinnsangst.
Ganz plötzlich war mir aufgegangen, daß in jedem Film, wo jemand allein daheim ist und einschläft, dieser jemand gleich von klirrendem Glas und Schritten aufgeweckt wird.
Und da wurde mir bewußt, daß ich hier oben tatsächlich in einer Falle steckte. Abgesehen von der Tür, die zur Treppe rausführte, gab es in dem Zimmer nur ein Fenster, und wenn man aus dem Fenster sprang, segelte man erst mal fünf, sechs Meter durch die Luft, bevor man auf den tödlich spitzen, schroffen Felsen endete.
Ich warf sofort die Decke von mir und nahm das Leintuch mit nach unten.
Du Hornochse, dachte ich, du hättest dir die Videos nicht reinziehen sollen. Goldfinger hätte ja nichts ausgemacht, aber den ‚Amigo Factor‘, den hätte ich mir sparen können. Unten auf dem Sofa hatte ich wenigstens zwei Fluchtwege. Einmal durch die Haustür oder durchs Küchenfenster, falls sie von der Terrasse kämen. Oder auf die Terrasse hinaus, wenn sie aus der anderen Richtung kämen. Draußen könnte ich die Treppe runterrennen und dann den Pfad entlang, der zu den beiden Nachbarhäusern führte. In beiden Häusern war erfreulicherweise Licht gewesen.
Mann, wie idiotisch darf man denn sein? dachte ich, riß mir das Leintuch vom Leib und trat auf die Terrasse hinaus.
Ein wolkenloser Himmel, und ohne die erfrischende Brise von der Bucht wäre es unerträglich heiß gewesen. Jetzt schon, morgens um Viertel vor neun. Heiliger Pharao!
Was mach ich jetzt? überlegte ich.
Frühstücken wäre kein schlechter Anfang, schlug mein Magen vor. Ich war zur Küche unterwegs, als ich jemand am Küchenfenster scharren hörte.
Jemand scharrte am Küchenfenster!
Mann, bleib cool, schließlich ist es hellichter Tag.
„Hallo?“ krächzte ich und stapfte in die Küche.
Da scharrte es noch mehr, und dann hörte ich kratzende Geräusche auf dem Fensterblech und sah nur kurz etwas Braunes, Buschiges, das im Affentempo runterglitt und verschwand. Ein Eichhörnchen.
Es war ein Eichhörnchen. Ich trat ans Fenster und schaute hinaus, sah aber nichts. Gleich darauf hörte ich, wie es direkt neben dem Fenster an die Wand klopfte, dann kam es angeklettert, hüpfte aufs Fensterblech und spähte mit großen schwarzen Augen zu mir herein.
„Du hast mich ganz schön erschreckt“, sagte ich und bildete mir ein, daß es mir direkt in die Augen starrte.
Dann wurde es ihm zu dumm, worauf es davonhoppelte.
Ich füllte die Kaffeemaschine mit Wasser, warf Kaffee ein und schaltete das Ding an. Dann schaltete ich die Ministereoanlage ein, die zwischen einer italienischen Espressomaschine (die völlig unbenutzt aussah) und einem Mikrowellenherd eingeklemmt war.
Eine breiige Stimme quakte etwas über Schiffe, glitzernde Sonne und Buchten. Ich stellte den Lärm sofort wieder ab und holte eine meiner ‚selected‘–Kassetten aus dem Schlafzimmer – das sind Kassetten, wo ich selbst die Songs ausgewählt und gemixt hab. Vor allem ältere Songs, die gefallen mir nämlich besser als dieser ganz Mist, der zur Zeit auf den Markt kommt.
Ich drückte die Kassette rein.
‚Relax and swing‘, sang David Sylvian.
„Genau das hab ich vor“, sagte ich.
Ich öffnete den Kühlschrank und holte Margarine und ein großes Stück Käse raus. Brot gab es auch. Dann suchte ich mir einen kleinen Kochtopf für mein Frühstücksei.
Ein Glück, daß ich keine Alpträume bekommen habe, dachte ich. Aber ich hatte verdammt lange gebraucht, bis ich eingeschlafen war.
Warum ist man so viel ängstlicher, wenn es dunkel ist? Hat das was mit Fernsehen und Kino und Krimis und Horrorfilmen zu tun? Oder kommt man mit eingebauter Angst vor der Dunkelheit auf die Welt? Oder bin ich der einzige, dem es nachts im Bett so richtig wahnsinnig eiskalt vor Entsetzen wird? Am nächsten Morgen fällt es mir immer schwer, ‚Ich selbst im Morgenlicht‘ mit dem erregten,