seine Worte am Beratungsfeuer wurden nicht vom Winde verweht«
»Ach, er hat nun in seinem Gesang die eitlen Überreste des Heidentums aufgegeben!« rief der gute Geistliche. »Was spricht er jetzt? Erkennt er seinen verlorenen Zustand?«
»Ach Gott, Mann«, entgegnete Natty, »er weiß so gut wie Sie oder ich, daß sein Ende nahe ist; aber weit entfernt, seinen Zustand für einen verlorenen zu halten, glaubt er vielmehr, dadurch viel zu gewinnen. Er ist alt und steif, und Ihr habt das Wild so selten und scheu gemacht, daß sogar bessere Schützen als er es schwer finden, ihr Leben zu fristen. Er hofft jetzt, an einen Ort zu gehen, wo es immer gute Jagdgründe gibt, wo kein schlechter oder ungerechter Indianer hinkommt, und wo er seinen ganzen Stamm wieder antrifft. Ein Mann, dessen Hände kaum noch Körbe flechten können, verliert nichts durch den Tod, und wenn von einem Verlust die Rede ist, so ist er auf meiner Seite. Ach, wenn er heimgegangen ist, wird mir wenig mehr übrig bleiben, als ihm zu folgen.« »Sein Beispiel und Ende, das, wie ich demütig hoffe, noch herrlich sein wird«, erwiderte Herr Grant, »sollte Euren Geist auf die Betrachtung eines anderen Lebens führen. Ich fühle jedoch, daß es meine Pflicht ist, dem hinscheidenden Geist den Weg zu ebnen. – Der Augenblick ist da, John, wo der Rückblick auf deine Hingabe an die Vermittlung deines Erlösers Balsam in deine Seele bringen muß. Verlaß dich nicht auf die Wirkungen deines früheren Lebens, sondern lege die Last deiner Sünden zu Seinen Füßen nieder, um dir die segensvolle Gewißheit zu erkaufen, daß er dich, seiner Verheißung gemäß, nicht verlassen werde.«
»Was Sie da sagen, ist wohl wahr und auf Worte des Evangeliums gegründet«, versetzte Natty. »Sie werden aber nichts mit dem Indianer anfangen können. Er hat seit dem Krieg keinen Mährischen Priester mehr gesehen, und es ist schwer, einen Indianer abzuhalten, auf seinen ursprünglichen Weg zurückzukehren. Es wird daher besser sein, den alten Mann in Frieden hinscheiden zu lassen. Er ist jetzt glücklich, ich lese es in seinem Auge; das ist mehr, als sich von dem Häuptling sagen ließ, seit die Delawaren von den Quellen ihres Flusses aufbrachen und nach Westen zogen. Ach! das ist eine schmerzlich lange Zeit, und wir haben seitdem viele trübe Tage miteinander gesehen.«
»Hawk-eye!« sprach Mohegan, die letzten Lebensreste zusammenfassend. »Hawk-eye, höre auf die Worte deines Bruders!«
»Ja, John«, versetzte der Jäger in englischer Sprache, indem er sich, tief ergriffen von diesem Ausruf, über ihn niederbeugte, »wir sind Brüder gewesen, Brüder in einem engeren Sinne, als es die Sprache der Indianer gewöhnlich versteht. Was willst du von mir, Chingachgook?«
»Hawk-eye! Meine Väter rufen mich in die glücklichen Jagdgründe. Der Pfad ist offen, und die Augen Mohegans werden wieder jung. Ich blicke umher, – aber ich sehe keine weißen Häute; dort sind nur gerechte und brave Indianer. Leb wohl, Hawk-eye! – Du wirst mit dem Feueresser und dem jungen Adler in den Himmel der Weißen gehen; mich aber zieht es zu meinen Vätern. Laß den Bogen, den Tomahawk, die Pfeife und den Gürtel Mohegans in sein Grab legen; denn er wird wie ein Krieger auf dem Kriegspfad zur Nachtzeit aufbrechen und darf sich dann nicht aufhalten, um sie zu suchen.«
»Was sagt er, Nathanael?« rief Herr Grant angelegentlich und mit augenscheinlicher Beklemmung. »Beruft er sich auf die Verheißungen unseres göttlichen Mittlers? Und sucht er sein Heil in dem Felsen der Zeiten?«
Obgleich der Glaube des Jägers keineswegs ein klarer war, so waren die Früchte seines früheren Unterrichts doch in der Wildnis nicht ganz verlorengegangen. Er glaubte an einen einzigen Gott und einen einzigen Himmel, und sobald ihm das überwältigende Gefühl, das ihn beim Abschied von seinem alten Freund ergriff und sich in jeder Muskel seines verwitterten Gesichtes ausdrückte, zu reden gestattete, versetzte er:
»Nein, – nein, – er vertraut nur auf den Großen Geist der Wilden und auf seine eigenen guten Handlungen. Er glaubt wie alle seines Volkes, daß er nun wieder jung werde und jage und glücklich sei, bis an das Ende der Ewigkeit. Es ist fast das gleiche wie bei den Leuten von anderen Farben, Pfarrer. Ich kann mir zwar nicht denken, daß ich diese Hunde und mein Gewehr in einer anderen Welt wiedertreffen werde, aber doch überwältigen mich hin und wieder bei dem Gedanken, sie für immer verlassen zu müssen, bittere Gefühle, und ich klammere mich deshalb begieriger an das Leben an, als es sich wohl für einen Siebziger ziemen mag.«
»Möge Gottes Barmherzigkeit einen solchen Tod von denjenigen abwenden, welche mit dem Zeichen des Kreuzes besiegelt sind!« rief der Geistliche in heiligem Eifer. »John –«
Die Macht der Elemente gebot ihm jedoch innezuhalten. Während das eben Mitgeteilte stattfand, hatten sich ohne Unterlaß schwere düstere Wolken am Horizont auf getürmt, und die ehrfurchtgebietende Stille, die jetzt in der Luft herrschte, verkündigte eine Krisis im Zustand der Atmosphäre. Die Flammen, die noch immer an der Flanke des Berges fortwüteten, wirbelten nicht länger in den selbsterzeugten, wechselnden Luftströmungen, sondern loderten hoch und stetig gen Himmel. Es lag sogar in den Verheerungen des feindseligen Elementes eine Ruhe, als sehe es voraus, daß eine Hand, größer als seine eigene verderbenbringende Gewalt, im Begriff sei, seinen Fortschritt zu hemmen. Die Rauchmassen, die über dem Tal lagen, begannen aufzusteigen und sich rasch zu zerstreuen, und Blitze durchzuckten die über den westlichen Bergen hängenden Wolken. Während Herr Grant noch sprach, fuhr ein leuchtender Strahl durch das Dunkel, den ganzen gegenüberliegenden Horizont beleuchtend, und unmittelbar darauf folgte ein lautes Donnergetöse, das schwer über die Berge hinrollte und die Erde in ihren Grundfesten zu erschüttern schien. Mohegan richtete sich auf, als nehme er dies für ein zu seinem Abscheiden gegebenes Zeichen, und streckte seine abgemagerten Arme gen Westen. Auf seinem dunklen Gesicht leuchtete ein Blick der Freude, der sich jedoch allmählich in eine ausdruckslose Starrheit auflöste; seine Muskeln erschlafften, als er seine ruhende Stellung wieder einnahm – ein leichtes Zucken spielte leise um seine Lippen, und sein Arm sank langsam an der Seite nieder. Der Körper des toten Kriegers lag an den Felsen gelehnt, die gläsernen Augen weit offen und auf die fernen Berge geheftet, als ob die verlassene Hülle dem Flug des Geistes nach seinem neuen Aufenthalt nachschaue. Herr Grant war mit stummem Entsetzen Zeuge dieser Szene; als aber der letzte Widerhall des Donners dahinstarb, schlug er mit frommem Eifer seine Hände zusammen und sprach in den vollen, reichen Tönen eines überzeugten Glaubens:
»Oh, Herr! wie unerforschlich sind deine Gerichte und wie unergründlich deine Wege! Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und daß er wiederkommen wird am Tage des Gerichtes. Mögen auch die Würmer diesen Körper zerstören, so werde ich doch in meinem Fleische Gott schauen: ja, diese meine Augen werden ihn sehen, der meine Zuversicht hienieden war.«
Als der Geistliche sein Gebet geschlossen, ließ er das Haupt demütig auf die Brust sinken, und in seinem ganzen Wesen sprach sich das ergebungsvolle Vertrauen aus, dem seine Begeisterung Worte geliehen hatte.
Sobald Herr Grant von der Leiche zurückgetreten war, näherte sich der Jäger seinem verblichenen Freund, ergriff dessen welke Hand und sah ihm eine Weile stumm und nachdrücklich in das erstarrte Gesicht; dann machte er seinen Gefühlen Luft, indem er mit der wehmütigen Stimme eines Tief ergriffenen also begann:
»Rote Haut oder weiße, – es ist jetzt alles vorüber! Er wird einen gerechten Richter finden, der sich nicht an Gesetze bindet, welche die Menschen gemacht haben. Nun, jetzt braucht nur noch einer zu sterben, und die Welt bleibt mir und meinen Hunden überlassen. Freilich muß der Mensch harren, bis es Gott gefällt, aber ich fange an, des Lebens müde zu werden. Die Bäume, die ich kenne, werden niedergeschlagen, und es wird mir schwer, ein Gesicht zu finden, mit dem ich in jüngeren Tagen vertraut war.«
Jetzt begannen große Tropfen Regen zu fallen und den trockenen Fels zu befeuchten, während das Gewitter rasch näher kam. Die Leiche des Indianers wurde hastig nach der Höhle hinuntergeschafft, und die Hunde folgten winselnd; denn sie vermißten den Blick, mit dem der Häuptling stets ihre Begrüßungen hingenommen hatte.
Edwards entschuldigte sich hastig und verwirrt, daß er Elisabeth nicht an denselben Ort, der jetzt vorn vollständig mit Holzpflöcken und Baumrinden geschlossen war, mitnehmen könne, indem er unverständlich etwas von dessen Dunkelheit und von der Unannehmlichkeit, sich mit einer Leiche in demselben Raum zu befinden, sprach. Miss Temple fand jedoch unter dem Felsenvorsprung einen zureichenden