wieder eine halblaute Bemerkung machte.
»Das darf uns nicht im geringsten wundernehmen«, konnte er sagen. »Ein Halbwilder ist nie von seiner ungeordneten Lebensweise abzubringen, und im ganzen ist er für einen Menschen von seiner Abkunft viel zivilisierter, als man vernünftigerweise erwarten dürfte.«
XX
Fort, zögern wir nicht länger beim Gesang
Denn mancher steile Pfad steht uns bevor.
Byron
Als der Frühling sich langsam näherte, begannen auch die ungeheuren Schneemassen, die durch den Wechsel von Frost und Tauwetter und durch wiederholte Stürme eine ungemeine Festigkeit erhalten hatten, dem Einfluß milderer Winde und einer wärmeren Sonne zu weichen. Hin und wieder schienen sich sogar die Pforten des Himmels zu öffnen und ihre milde Luft über die Erde zu ergießen, um die beseelte und die leblose Natur aus ihrem Winterschlaf zu wecken, so daß, wenn auch nur für wenige Stunden, dem Auge die Heiterkeit des Lenzes von jedem Feld entgegenlächelte. Dann übten aber wieder die schneidenden Nordwinde ihren ertötenden Einfluß auf die Gegend, und schwarze düstere Wolken, welche die Strahlen der Sonne auffingen, ließen den Wechsel um so schmerzlicher empfinden. Diese Kämpfe der Natur wurden täglich häufiger, während die Erde, gleichsam das Opfer des Streites, langsam den heitern Schmuck des Winters verlor, ohne den des Frühlings zu gewinnen.
Mehrere Wochen wurden in dieser unlustigen Weise zugebracht, während welcher die Einwohner der Gegend allmählich von den Geschäften des Winters zu den mühsameren der folgenden Jahreszeit übergingen. Im Dorf drängten sich nicht mehr fremde Gäste; der Handel, der in den letzten Monaten die Läden belebt hatte, begann flau zu werden; die Landstraßen verwandelten ihre glänzenden festgetretenen Schneerinden in einen fast unwegsamen Kot und ließen nichts mehr von den heiteren und lärmenden Reisenden blicken, die sich den Winter über mit ihren Schlitten darauf getummelt hatten, – mit einem Wort, alles schien auf eine gewaltige Umwandlung hinzudeuten, welche nicht nur die Erde, sondern auch diejenigen betraf, die aus ihrem Schoße die Quellen des Wohlstandes ableiteten.
Die jüngeren Glieder der Familie im Herrenhaus, denen man auch Luise Grant beizählen konnte, waren keineswegs gleichgültige Zuschauer bei diesem langsamen und schwankenden Wechsel. Solange der Schnee die Straßen in brauchbarem Zustand erhielt, hatten sie die Freuden des Winters in reichlichem Maße genossen, indem sie nicht nur Tag für Tag Ausflüge über die Berge und durch die Täler im Bereich von zwanzig Meilen machten, sondern auch auf dem Spiegel des gefrorenen Sees viele Gelegenheit zur Belustigung fanden. Richard jagte seine vier Pferde mit Windeseile über die eisige Glasrinde hin, die nach jedem Tauwetter sich wiederherstellte. Dann fanden auch die aufregenden und gefährlichen ›Kreiseltänze‹ auf dem Eis statt. Reiber oder Handschlitten, von einem einzigen Pferd gezogen, das die Herren auf ihren Schlittschuhen antrieben, kamen gleichfalls an die Reihe, – kurz, es wurde alles aufgeboten, was die Langeweile eines Winters in den Bergen vertreiben konnte. Elisabeth mußte ihrem Vater gestehen, daß ihr mit Hilfe seiner Bibliothek die Jahreszeit weit angenehmer dahinschwinde, als sie erwartet hatte.
Da Bewegung in der freien Luft für die Familie gewissermaßen nötig war, so bediente man sich statt anderer Transportmittel der Sattelpferde, wenn der beständige Wechsel zwischen Frost und Tauwetter die schon zur günstigsten Jahreszeit ziemlich gefährlichen Wege für Wagen unpassierbar machte. Die Damen machten dann auf kleinen und sicheren Tieren Ausflüge in die Berge und die entlegensten Täler, wo nur irgend der Unternehmungsgeist eines Ansiedlers eine Wohnung geschaffen hatte. Bei diesen Gelegenheiten wurden sie, je nachdem es die Geschäfte gestatteten, von einem oder von einigen Herren der Familie begleitet. Der junge Edwards fand sich stündlich mehr in seine Lage und nahm nicht selten mit einer Sorglosigkeit und Heiterkeit, die für eine Weile alle trüben Erinnerungen aus seiner Seele bannen mochte, an der Gesellschaft teil. Gewohnheit und der leichte Sinn der Jugend schienen die Oberhand über die geheimen Quellen seiner Unruhe zu gewinnen, obgleich es nicht an Augenblicken fehlte, da seinen Verkehr mit Marmaduke derselbe auffallende Ausdruck von Widerwillen begleitete, der sich ihren Gesprächen in den ersten Tagen ihrer Bekanntschaft beigemischt hatte.
Es war am Schluß des Monats März, als es dem Sheriff gelang, sein Bäschen und ihre Freundin zu überreden, ihn nach einem Hügel zu begleiten, der auf eine eigentümliche Weise über den See hinausragen sollte.
»Dann können wir auch anhalten, Bäschen Elisabeth«, fuhr der unermüdliche Richard fort, »und Billy Kirbys Zuckerpflanzung in Augenschein nehmen. Er wohnt an dem östlichen Ende von Ransoms Gut und macht Zucker für Jared Ransom. Niemand in der ganzen Gegend versteht sich so gut aufs Kochen wie dieser Kirby. Du erinnerst dich, Duke, daß ich ihn anfangs in unserm eigenen Feld verwendete; da ist es natürlich kein Wunder, daß er seine Sache versteht.«
»Billy ist ein guter Holzfäller«, bemerkte Benjamin, der den Zügel des Pferdes hielt, während der Sheriff aufstieg, »und handhabt seine Axt ebensogut wie ein Backmann seinen Marlpfriem oder ein Schneider sein Bügeleisen. Man sagt ihm nach, er könne allein einen Pottaschekessel aus dem Gemäuer nehmen, obgleich ich nicht behaupten will, daß ich es mit eigenen Augen gesehen habe; aber die Leute sagen so. Ich habe Zucker aus seiner Fabrik gesehen, der vielleicht nicht so weiß war wie ein altes Bramsegel, von dem aber meine Freundin, die Jungfer Prettybones, sagte, er schmecke wie der beste Sirup; und Sie wissen recht wohl, Squire Dickens, daß Jungfer Remarkable einen remarkablen Zahn für Süßigkeiten in ihrem Nußknackergesicht stecken hat.«
Das laute Gelächter, welches dieser Witz Benjamins veranlaßte, und in das er selbst in nicht gar harmonischen Tönen miteinstimmte, war bezeichnend für die Sinneseinheit, welche zwischen diesem edlen Paar herrschte. Das Treffende davon ging jedoch für die übrige Gesellschaft verloren, die eben die Pferde bestieg oder den Damen Beistand leistete. Als alles wohlbehalten im Sattel saß, ging der Zug in schönster Ordnung durch das Dorf. Man machte einen Augenblick vor Monsieur Le Quois Tür halt, der sofort gleichfalls sein Pferd bestieg; und nachdem man die kleine Häusergruppe hinter sich hatte, schlug die Gesellschaft eine der Hauptstraßen ein, die sich in der Mitte des Dorfes kreuzten.
Das Eis, welches jede Nacht mit sich brachte, taute im Lauf des Tages auf, und so sahen sich die Reiter genötigt, einzeln hintereinander am Saum des Weges hinzuziehen, wo der Rasen und die Festigkeit des Bodens den Pferden sicher aufzutreten gestatteten. Es waren noch wenige Anzeichen von Vegetation zu sehen, und die Erde bot noch immer einen kalten, feuchten und unerfreulichen Anblick, bei dem einem das Blut in den Adern erstarrte. Schneeflecken waren noch in den meisten Lichtungen der Berghänge zu sehen, aber hin und wieder ließ sich auch ein Stück freies Feld blicken, wo die weiße Decke dem Einfluß einer wärmeren Sonne gewichen und das helle, liebliche Grün des Weizens dazu angetan war, die Hoffnungen des Landwirts zu wecken. Nichts war bezeichnender als der Gegensatz zwischen der Erde und dem Himmel; denn während die erstere den beschriebenen, traurigen Anblick darbot, verbreitete eine warme und belebende Sonne ihre Strahlen an einem Firmament, das nur ein einziges Wölkchen blicken ließ, und durch eine Atmosphäre, die bis an den Horizont nur wie ein blaues Meer erschien.
Richard ritt voraus und war somit bei dieser, wie bei allen andern Gelegenheiten, die keinen Aufwand ungewöhnlicher Fähigkeiten erforderten, der erste; da er sich nur langsam vorwärts bewegte, so versuchte er zugleich, die Gesellschaft mit dem Klang seiner kräftigen Stimme zu erheitern.
»Dies ist wahres Zuckerwetter, Duke«, rief er, »eine kalte Nacht und ein sonniger Tag. Ich wette, der Saft läuft an diesem warmen Morgen wie ein Milchstrahl aus den Ahornbäumen. Es ist schade, Richter, daß du die Zuckerfabrikation unter deinen Pächtern nicht wissenschaftlich zu begründen suchst. Es ließe sich tun, ohne daß man Doktor Franklins Kenntnisse besitzt, – ja, gewiß, es ginge, Richter Temple.«
»Es muß der erste Gegenstand meiner Sorgfalt sein«, erwiderte Marmaduke, »die Quellen dieser großen Fundgrube des Wohlstandes und des Reichtums gegen die blinde Wut der Leute zu schützen. Wenn dieser wichtige Zweck erreicht ist, wird es immer noch Zeit sein, unsere