James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


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Sheriff. »Ist nicht Wärme genug in Dukes bestem Madeira, um bei diesem Tauwetter die tierische Wärme zusammenzuhalten? Vergeßt nicht, alter Knabe, daß der Richter gewaltig rar tut mit seinem Buchen-und Ahornholz, denn er fürchtet bereits jetzt, dieser kostbare Artikel möchte ihm ausgehen. Ha, ha, Duke, ich will zwar pflichtgemäß zugeben, daß du ein wackerer und teilnehmender Verwandter bist, aber im Grunde hast du doch manche Wunderlichkeiten an dir.

      Fort, fort mit den Grillen

       Und fort mit den Stillen!«

      Die Töne seines Gesangs gingen allmählich in ein Summen über, während der Majordomo seine Last abwarf und sich sodann mit ernster Miene an den Frager wandte:

      »Ja, sehen Sie, Squire Dickens, es mag wohl eine warme Breite um diesen Tisch hier sein, aber der Stoff reicht doch nicht zu, in meinem Leib die gehörige Temperatur zu erhalten; denn dies vermag außer gutem Holz oder allenfalls den Steinkohlen von Newcastle nur ein echter, guter Jamaikarum. Aber, meine Herren, wenn ich mich überhaupt auf das Wetter verstehe, so ist es jetzt Zeit, sich zusammenzudrücken, die Löcher zu verstopfen und das Feuer ein bißchen anzuschüren. Ich denke wohl, daß ich nicht umsonst siebenundzwanzig Jahre auf den Meeren herumgefahren bin und andere sieben hier in den Wäldern gelebt habe.«

      »Steht uns wohl eine Veränderung des Wetters bevor, Benjamin?« fragte der Herr des Hauses.

      »Der Wind ist umgesprungen, Euer Gnaden«, entgegnete der Hausmeister, »und wenn der Wind sich ändert, so darf man in diesen Bergen auch auf einen Witterungswechsel zählen. Sehen Sie, meine Herren, ich war bei Rodneys Flotte an Bord – ungefähr um die Zeit, als wir dem De Grasse, dem Landsmann von Monschür Ler Quaw da, zu Leibe gingen –, und der Wind blies nach Süden und Osten; und ich war unten mit dem Mischen eines Mundvoll heißen Grogs für den Marinekapitän beschäftigt, der an demselben Tage in der Kajüte speiste; und da war es, als ob er das Feuer des Kapitäns dadurch löschen wollte, daß er den Raum in eine Feuerspritze verwandelte; denn als ich eben das Getränk nach öfterem Kosten ganz nach meinem Geschmack zugerichtet hatte (die Soldaten sind nämlich schwer zufriedenzustellen) – klapps schlug das Focksegel gegen den Mast, und das Schiff drehte sich auf seiner Hieling wie ein Kreisel. Es war ein Glück, daß unser Steuer niedergelassen war, denn da wir [deinseten?], so wurden wir wohl wieder frei, was nicht jedes Schiff in der Flotte tat oder tun konnte. Dann aber stach das unsrige durch eine Welle, daß eine gewaltige Wassermasse über die Billen hereinschlug. Ich habe in meinem Leben nie so viel klares Wasser geschluckt wie damals; denn ich sah eben an der hinteren Luke in die Höhe.«

      »Da nimmt es mich wunder, Benjamin, daß Ihr nicht an der Wassersucht gestorben seid«, sagte Marmaduke.

      »Hätte wohl sein können, Richter«, entgegnete der alte Seebär mit einem breiten Grinsen, »aber ich brauchte keinen Medizinkasten, um mich zu kurieren; denn da ich dachte, mein Gebräu sei nun nicht mehr nach dem Geschmack eines Seemanns, und ich nicht wissen konnte, ob nicht eine andere Welle käme und es so verdürbe, daß es meinem eigenen gleichfalls nicht mehr zusagte, so trank ich den Krug auf der Stelle aus. Dann wurden alle Hände an die Pumpen gerufen, und damals war es, als wir die Pump – –«

      »Gut, aber das Wetter?« unterbrach ihn Marmaduke. »Wie steht es mit dem Wetter draußen?«

      »Nun ja, wir haben den ganzen Tag Südwind gehabt, und jetzt ist alles so ruhig, als ob sein Blasebalg geborsten wäre; und im Norden hängt ein Streifen über dem Berg, der vor einer kurzen Weile nicht größer als meine Hand war; und dann trieben die Wolken, als ob man ein Großsegel geite, und die Sterne kamen zum Vorschein wie ebenso viele Lichter und Leuchttürme, die uns den Wink geben, Holz zuzulegen; und wenn ich mich überhaupt aufs Wetter verstehe, so ist es Zeit, ein tüchtiges Feuer anzumachen, sonst zersprengt der Frost die Hälfte dieser Porter-und Weinflaschen im Schrank, noch ehe die Morgenwache aufzieht.«

      »Du bist eine verständige Schildwache«, sagte der Richter. »So verfahre wenigstens für diese Nacht nach Gutdünken mit den Wäldern.«

      Benjamin tat, wie ihm geheißen wurde, und noch ehe zwei Stunden vergingen, erfuhr man, daß seine Vorsichtsmaßregeln nicht unnötig gewesen waren. Der Südwind hatte sich in der Tat ganz ausgeblasen, und es war jene Windstille eingetreten, die gewöhnlich eine bedeutende Wetterveränderung anzeigt. Lange vorher, ehe sich die Familie zur Ruhe begab, wurde die Kälte schneidend scharf, und als Monsieur Le Quoi aufbrach, um im Mondschein sein eigenes Nachtquartier aufzusuchen, sah er sich genötigt, eine Wolldecke zu entleihen, um seinen Körper darein zu hüllen, trotz der vielen Kleider, mit denen er sich weislich für diese Gelegenheit versehen hatte. Der Geistliche und seine Tochter blieben für die Nacht als Gäste in dem Herrenhaus, und die Nachwehen der vorangegangenen Nachtschwärmerei veranlaßten die Herren, sich zeitig nach ihren Gemächern zurückzuziehen. Die ganze Familie war daher schon lange vor Mitternacht in den Federn.

      Elisabeth und ihre Freundin waren noch wach, als sie schon den Nordwestwind um das Gebäude heulen hörten, und erfreuten sich des angenehmen Gefühls, das unter solchen Umständen stets mit einem Zimmer, in welchem das Feuer noch nicht zu glimmen aufgehört hat, verbunden ist, zumal wenn sich Vorhänge, Läden und Bettdecken vereinigen, um eine angenehme Temperatur zu unterhalten. Als Elisabeth eben ihre Augen im letzten Stadium der Schläfrigkeit noch einmal öffnete, ließ sich aus dem Brausen des Windes ein langes klägliches Geheul vernehmen, das für einen Hund zu wild schien und doch eine große Ähnlichkeit mit den Lauten dieses treuen Tieres hatte, wenn die Nacht seine Wachsamkeit steigert and seiner Unruhe eine gewisse Feierlichkeit verleiht. Luise Grant drängte sich unwillkürlich näher an die junge Erbin, welche, als sie fand, daß ihre Gefährtin noch wache, mit leisem Ton, als fürchte sie mit ihrer Stimme irgendeinen Zauber zu unterbrechen, zu sprechen begann.

      »Diese fernen Laute tönen so kläglich und doch schön. Können es wohl die Hunde aus Lederstrumpfs Hütte sein?«

      »Es sind Wölfe, die sich von den Bergen an den See heruntergewagt haben«, flüsterte Luise, »und die nur durch die Lichter vom Dorf abgehalten werden. Der Hunger trieb sie, seit wir hier sind, einmal des Nachts bis vor unsere Türe. Das war eine schreckliche Nacht! Aber Richter Temples Reichtum gewährt ihm zu viel Schutz, als daß man in seinem Hause etwas zu fürchten hätte.«

      »Die Absicht meines Vaters ist, auch die Wälder zu zähmen«, rief Elisabeth, indem sie die Decke zurückwarf und sich im Bett aufrichtete. »Wie schnell ist die wilde Natur vor der Zivilisation zurückgewichen!« fuhr sie fort, indem ihre Augen nicht nur über die Bequemlichkeiten, sondern auch über den Luxus ihres Gemachs hinflogen, während ihr Ohr auf das fern vom See her tönende Geheul horchte. Als sie jedoch fand, daß die Furcht der Gefährtin auch ihr die Töne unheimlich machte, legte sie sich wieder zurück und vergaß bald die Schrecken des Landstriches in einem tiefen Schlaf.

      Die Mädchen wurden am andern Morgen durch das Eintreten einer Dienerin geweckt, die das Feuer anmachen wollte. Sie standen auf und beendigten die kleinen Vorbereitungen zu ihrer Toilette in der reinen und kalten Atmosphäre, welche sich sogar durch Miß Temples wohlverwahrtes Zimmer nicht ausschließen ließ. Als Elisabeth sich angekleidet hatte, näherte sie sich einem Fenster, zog den Vorhang auf, öffnete den Laden und versuchte, durch die Scheiben einen Blick auf das Dorf und den See zu werfen. Aber dicke Eisblumen bedeckten das Glas und hemmten die Aussicht, obgleich sie dem Licht Zutritt gestatteten. Sie öffnete sodann das Fenster, und nun bot sich ihrem Auge ein wahrhaft entzückender Anblick.

      Der See hatte seine fleckenlose Schneedecke gegen eine Fläche von dunklem Eis vertauscht, welche die Strahlen der aufgehenden Sonne gleich einem polierten Spiegel zurückwarf. Die Häuser waren in ein ähnliches Gewand gekleidet, das übrigens seiner Lage wegen wie blanker Stahl erglänzte, während ungeheure Eiszapfen, die von jedem Dach herunterhingen, das herrliche Licht auffingen und sich gegenseitig zuzuwerfen schienen, da jeder auf der Lichtseite in goldenen Strahlen glitzerte, die sich auf der anderen in die Schatten eines dunklen Hintergrundes verloren. Das anziehendste Schauspiel bildete jedoch der Anblick der endlosen Forsten, welche die hintereinander sich auftürmenden Berge bedeckten. Die riesigen Arme der Fichten und Schierlingstannen beugten sich unter der Wucht des Eises, das sie zu tragen hatten, während ihre Spitzen sich über die rundlichen Gipfel der Eichen, Buchen und Ahorne wie Türme von geglättetem