James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


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zartem Stoffe gewebt, als daß er im Wald zugrunde gehen dürfte. Ich bitte dich, schließe dich meinem Haushalt an, wäre es auch nur, bis dein Arm geheilt ist. Meine Tochter, die demselben vorsteht, wird dir sagen, daß du willkommen bist.«

      »Gewiß«, sagte Elisabeth, deren Eifer nur durch die weibliche Zurückhaltung etwas gezügelt war. »Der Unglückliche ist jederzeit willkommen, und doppelt, wenn wir uns den Vorwurf machen müssen, daß wir seine Lage verschuldet.«

      »Ja«, fügte Richard bei, »und wenn Ihr einen Truthahnsbraten liebt, so versichere ich Euch: er findet sich nirgends häufiger und besser als in unserem Hühnerhof.«

      Als Marmaduke sich so kräftig unterstützt sah, verfolgte er seinen Vorteil weiter. Er setzte dem jungen Mann die Obliegenheiten der ihm zugedachten Stellung auseinander und berührte ausführlich die Belohnung und alles dasjenige, was unter Geschäftsleuten als wichtig erscheint. Edwards hörte in schwerem Seelenkampf zu, der sich in seinen Zügen nicht verkennen ließ; denn hin und wieder schien er den Vorschlag begierig aufgreifen zu wollen, dann aber flog wieder der Ausdruck einer unbegreiflichen Abneigung wie eine dunkle Wolke, welche die Nachmittagssonne verdüstert, über sein Antlitz.

      Der Indianer, in dessen ganzer Haltung sich tiefe Zerknirschung wegen seiner Selbsterniedrigung aussprach, lauschte auf die Worte des Richters mit einer Teilnahme, die mit jeder Minute wuchs. Er kam der Gruppe allmählich näher, und als sein scharfer Blick in den Zügen seines jungen Gefährten die entschiedensten Spuren der Nachgiebigkeit entdeckte, änderte er plötzlich seine Haltung. Der Ausdruck der Scham wich von der Stirn des indianischen Kriegers, der jetzt mit großer Würde vortrat und also zu sprechen begann:

      »Höre auf deinen Vater«, sagte er, »seine Worte sind alt. Mögen der junge Adler und der große Landhäuptling miteinander essen und ohne Furcht nebeneinander schlafen! Die Kinder von Miquon lieben kein Blut; sie sind gerecht und wollen Gerechtigkeit üben. Die Sonne muß oft auf-und niedergehen, ehe die Menschen eine Familie bilden können; es ist nicht das Werk eines Tages, sondern vieler Monate. Die Mingos und die Delawaren sind geborene Feinde; ihr Blut kann sich nie in einem Wigwam mischen: es wird nie auf derselben Seite fließen in der Schlacht. Was macht den Bruder von Miquon und den Adler zu Feinden? Sie sind desselben Stammes: ihre Väter und Mütter sind eins. Lerne warten, mein Sohn; du bist ein Delaware, und ein indianischer Krieger weiß sich zu gedulden.«

      Diese bilderreiche Anrede schien ein großes Gewicht für den jungen Mann zu haben, der allmählich Marmadukes Vorstellungen nachgab und sich endlich dessen Vorschlag gefallen ließ. Es geschah jedoch nur versuchsweise, und jeder der Beteiligten sollte den Vertrag aufheben können, wenn es ihm so gut dünkte. Das sonderbare und schlecht verhehlte Widerstreben des Jünglings, auf ein Anerbieten einzugehen, welches die meisten Menschen in seiner Lage für ein unverhofftes Glück gehalten hätten, erregte bei allen, welche ihn nicht kannten, keine geringe Verwunderung und war durchaus nicht geeignet, einen vorteilhaften Eindruck zu machen Als die Parteien sich trennten, wurde die Sache natürlich Gegenstand der Besprechung, und wir beginnen mit einer Mitteilung der Gedanken, welche der Richter, seine Tochter und Richard auf ihrem langsamen Rückweg nach dem Herrenhaus gegenseitig austauschten.

      »Ich mußte mir in der Tat alle Mühe geben, in meiner Verhandlung mit diesem unbegreiflichen jungen Menschen die heiligen Vorschriften unseres Erlösers im Gedächtnis zu behalten, in denen er uns diejenigen heben heißt, die uns verachten«, begann Marmaduke. »Ich weiß nicht, was ein Mensch von seinen Jahren in meinem Hause Schreckhaftes finden könnte, – es müßten denn deine Anwesenheit und dein Gesicht sein, Beß.«

      »Nein, nein«, versetzte Richard mit großer Gutmütigkeit, »Bäschen Elisabeth ist’s nicht. Aber wann hast du je einen Mischling gesehen, Duke, der sich mit der Zivilisation vertragen konnte? In dieser Hinsicht sind sie noch schlimmer als die Wilden selbst. Bemerktest du nicht, wie er mit schlotternden Knien dastand, Elisabeth, und welche wilden Blicke seine Augen schossen?«

      »Ich achtete weder auf seine Augen noch auf seine Knie, obschon den ersten ein bißchen Demut anstehen würde. In der Tat, lieber Vater, ich glaube, du hast die christliche Tugend der Geduld ritterlich erprobt. Seine Mienen gefielen mir schon lange nicht, noch ehe er einwilligte, einen Teil unserer Familie zu bilden. In der Tat, wir müssen uns durch diese Verbindung sehr geehrt fühlen! In welchem Zimmer soll er untergebracht werden, Vater? Und an welchem Tische müssen wir ihm seinen Nektar und seine Ambrosia vorsetzen?«

      »Er speist mit Benjamin und Remarkable«, fiel Herr Jones ein, »denn du kannst doch nicht verlangen, daß der junge Mann einen Tisch mit den Negern teile! Er ist allerdings ein halber Indianer, aber die Eingeborenen sehen auf die Schwarzen mit großer Verachtung herunter. Nein, nein, er würde gewiß lieber Hungers sterben, ehe er sein Brot mit den Negern bräche.«

      »Ich werde es mir zur Ehre rechnen müssen, Dick, wenn ich ihn veranlassen kann, an unserem Tisch zu essen«, sagte Marmaduke. »Es kann daher von einem so unwürdigen Vorschlag, wie du ihn machst, keine Rede sein.«

      »Dann Vater«, sagte Elisabeth mit einer Miene, welche ausdrücken sollte, daß sie sich ihres Vaters Befehlen gegen ihren Willen füge, »dann ist es wohl deine Absicht, ihn als einen Gentleman zu behandeln?«

      »Allerdings, und ich hoffe, er wird sich als ein solcher erweisen. Es soll ihm eine Behandlung zuteil werden, wie sie seiner Stellung angemessen ist, bis wir finden, daß er sie nicht verdient.«

      »Wohl, wohl, Duke«, rief der Sheriff, »du wirst aber finden, daß es nichts Leichtes ist, einen Gentleman aus ihm zu machen; denn dem alten Sprichworte zufolge gehören drei Generationen dazu. Was mein Vater war, weiß jedermann, mein Großvater war ein Doktor medicinae, und sein Vater ein Doktor Divinitatis, dessen Vater aus England kam. Über die Abkunft des letzteren konnte ich nicht ins klare kommen; aber er war entweder ein großer Kaufmann aus London oder ein großer Rechtsgelehrter aus der Provinz oder der jüngste Sohn eines Bischofs.«

      »Nun, du hast einen echt amerikanischen Stammbaum«, sagte Marmaduke lachend, »er geht so weit, bis du ans Wasser kommst; und da man von dem, was drüber hinausliegt, nichts mehr weiß, so lautet von nun an alles im Superlativ. Jedenfalls bist du überzeugt, Dick, daß dein englischer Ahnherr ein großer Mann war, welchem Beruf er auch angehört haben mag.«

      »Zuverlässig«, entgegnete der andere. »Ich habe meine alte Tante oft von ihm sprechen hören. Wir sind von guter Familie, Richter Temple, und haben immer nur ehrenvolle Stellen bekleidet.«

      »Es wundert mich nur, daß du dich mit einem so spärlichen Vorrat von Adel in den alten Zeiten begnügst, Dick. Die meisten amerikanischen Genealogen beginnen ihre glaubwürdigen Berichte nach Weise der Kindermärchen mit drei Brüdern und tragen Sorge dafür, daß einer von diesem Triumvirat der Stammvater einer Familie wird, welche sich durch Erdengüter auszeichnet. Aber hier bei uns sind alle, die sich anständig zu benehmen wissen, gleich, und Oliver Edwards soll in meiner Familie die gleichen Ansprüche haben wie der Obersheriff und der Richter.«

      »Aber, Duke, das ist Demokratie, nicht Republikanismus! Doch ich will schweigen, sorge nur, daß er in den Schranken des Gesetzes bleibt; sonst will ich ihm zeigen, daß die Freiheit selbst in diesem Landstrich unter einem heilsamen Zwang steht«

      »Nun, Dick, du wirst ihn doch nicht aufknüpfen lassen wollen, ehe ich ihn verurteilt habe? Aber was sagt meine Beß zu dem neuen Hausgenossen? Wir müssen natürlich auch die Damen darüber hören.«

      »Ach, Vater«, entgegnete Elisabeth, »ich glaube, ich gleiche in diesem Stück einem gewissen Richter Temple – das heißt: ich bin nicht leicht von meiner Ansicht abzubringen. Aber, ernsthaft gesprochen, – obgleich ich die Einführung eines Halbwilden in die Familie für ein befremdendes Ereignis halten muß, so werde auch ich jeden, dem du deine Aufmerksamkeit schenkst, mit Achtung behandeln.«

      Der Richter zog ihren Arm fester an sich und lächelte, während Richard durch das kleine Tor hinter dem Hause voranging und seine bedenklichen Warnungen mit der gewohnten Geschwätzigkeit ausströmen ließ.

      Die Waldbewohner – denn die drei Jäger verdienen ungeachtet ihrer Charakterverschiedenheit gar wohl diese Benennung – gingen schweigend am Dorf vorbei ihres Weges.