James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


Скачать книгу

der Ruhe und Behaglichkeit ihrer Stellung die ihrem Stolz beigebrachte Wunde bereits verschmerzt hatte und sich noch immer in der Familie des Richters Temple befand, wurde nun beauftragt, Luise nach der bescheidenen Wohnung, die Richard bereits ›die Rektorei‹ benannt hatte, zu führen, wo sie bald in den Armen ihres Vaters lag.

      Inzwischen blieben Marmaduke und seine Tochter mehr als eine Stunde im Zimmer eingeschlossen, und wir wollen uns keinen Eingriff in das Heiligtum elterlicher Liebe gestatten, indem wir etwa das dort statthabende Gespräch mitteilen.

      Sobald sich der Vorhang vor dem Leser wieder auftut, sieht er den Richter mit einem wehmütig zärtlichen Zug über seinem Gesicht im Zimmer auf und ab gehen, während seine Tochter mit geröteten Wangen und Augen, die in Kristall zu schwimmen scheinen, auf einem Kanapee zurückgelehnt sitzt.

      »Das war Hilfe in der Not! Ja, gewiß, das war Hilfe in der Not, mein Kind!« rief der Richter »Du hast also deine Freundin nicht verlassen wollen, meine wackere Beß?«

      »Ich glaube allerdings, standhaft ausgehalten zu haben«, versetzte Elisabeth, »wenngleich ich sehr zweifle, ob mir die Flucht etwas genutzt haben würde, selbst wenn ich soviel Mut gehabt hätte, diesen Ausweg einzuschlagen. Aber ich dachte nicht einmal daran.«

      »An was dachtest du denn, meine Liebe? Womit beschäftigten sich deine Gedanken vorzugsweise in jenem schrecklichen Augenblick?«

      »Mit dem Tier! Mit dem Tier!« rief Elisabeth, das Antlitz mit ihrer Hand bedeckend. »Oh! Ich sah nichts, ich dachte an nichts als an das Tier. Ich versuchte zu beten, aber das Entsetzen hatte mich zu sehr ergriffen, – die Gefahr lag zu nahe vor meinen Augen.«

      »Nun, gottlob! Du bist gerettet, und wir wollen nicht mehr bei einer so unangenehmen Szene verweilen. Ich hätte mir’s nicht gedacht, daß noch ein solches Tier in unsern Forsten hauste; aber wenn sie der Hunger treibt, so verlieren sie sich oft weit von ihren gewohnten Schlupfwinkeln und – –«

      Ein lautes Pochen an der Tür unterbrach hier die Rede des Richters; auf das entsprechende ›Herein‹ tat sich die Tür auf und ließ Benjamin erkennen, dessen verlegenes Gesicht bekundete, daß er fühlte, er komme mit einer sehr ungelegenen Meldung.

      »Squire Doolittle ist unten«, begann der Majordomo. »Er letzt sich im Hof bei einem Glas und hat etwas auf dem Herzen, das er von sich stauen will. Ich sagte ihm zwar: ›Mann‹, sagte ich, ›wollt Ihr mit Klagen an Bord kommen‹, sagte ich, ›wenn der Richter eben erst sein eigenes Kind sozusagen aus dem Rachen des Löwen erlangt hat?‹ Aber der verdammte Kerl hat auch kein bißchen Manier – ebensowenig, als ob er einer von den Guineas in der Küche drunten wäre; und da er immer näher und näher ans Haus heransegelte, so konnte ich nichts Besseres tun, als Euer Gnaden wissen zu lassen, daß der Kunde vor Anker liegt.«

      »Er hat wohl ein wichtiges Anliegen«, entgegnete Marmaduke; »wahrscheinlich etwas auf sein Amt Bezügliches, da nächstens Gerichtssitzung gehalten wird.«

      »Ja, ja, es ist so, Sir«, rief Benjamin. »Es handelt sich dabei um eine Klage gegen den alten Lederstrumpf, der aber nach meiner Ansicht jedenfalls der bessere Mann von den zweien ist. Meister Bumppo ist von gutem Schrot und Korn und weiß mit einem Spieß umzugehen, als ob er an Bord einer Kapitänsbarke erzogen oder mit einem Bootshaken in der Hand geboren worden wäre.«

      »Gegen Lederstrumpf?« rief Elisabeth, sich aus ihrer geneigten Lage aufrichtend.

      »Beruhige dich, mein Kind, ohne Zweifel eine Kleinigkeit. Ich glaube, ich habe bereits von seinem Anliegen gehört. Verlaß dich drauf, Beß, ich will dafür sorgen, daß dein Kämpe keine Gefahr läuft. Führt Herrn Doolittle ein, Benjamin!«

      Miss Temple schien sich bei dieser Versicherung zu beruhigen; ihre dunklen Augen blieben aber fest auf die Person des Architekten gerichtet, als dieser unmittelbar von der Erlaubnis Gebrauch machte und eintrat.

      Hirams Ungeduld schien, sobald er im Zimmer war, zu verschwinden. Er grüßte den Richter und seine Tochter, nahm den Stuhl, auf welchen Marmaduke deutete, blieb eine Minute sitzen, wobei er sich sein struppiges, schwarzes Haar mit einer Würde, die seiner amtlichen Stellung Ehre machen sollte, niederstrich, und begann endlich: »Dem Vernehmen nach ist Miss Temple auf dem Gebirge in eine gefährliche Nähe mit den Panthern gekommen.«

      Marmaduke machte nur eine leichte, bejahende Kopfbewegung, ohne zu sprechen.

      »Ich glaube, es steht eine gesetzliche Belohnung auf den Skalpen«, fuhr Hiram fort, »und in diesem Falle hat Lederstrumpf ein gutes Geschäft dabei gemacht«

      »Ich werde Sorge tragen, daß ihm seine Belohnung zuteil werde«, erwiderte der Richter.

      »Ja, ja, ich kann mir’s wohl denken. Niemand in der Gegend zweifelt an des Richters Großmut. Darf ich wohl fragen, ob der Sheriff hinsichtlich des Lesepultes oder des Diakonus-Standes unter der Kanzel zu einem Entschluß gekommen ist?«

      »Mein Vetter hat in der letzten Zeit nichts über diesen Gegenstand gesprochen«, versetzte Marmaduke.

      »Soviel ich schließen kann, werden wir diesmal eine ziemlich langweilige Gerichtssitzung haben. Jotham Riddel und der Mann, der sein Anwesen kaufte, sind, wie ich höre, eins geworden, ihren Streit durch Schiedsrichter schlichten zu lassen, und so werden, glaube ich, nicht mehr als zwei Zivilsachen auf die Tagesordnung kommen.«

      »Ich freue mich darüber«, sagte der Richter, »denn nichts tut mir weher, als wenn ich sehe, daß die Leute ihre Zeit und ihr Geld in unvorteilhaften Streitigkeiten vor dem Gericht verschwenden. Ich hoffe, es wird sich so verhalten, wie Ihr sagt.«

      »Ich denke wohl, daß es durch die Schiedsmänner ausgeglichen wird«, fügte Hiram mit einer Miene bei, welche zwischen Zweifel und Gewißheit die Mitte hielt, die aber Richter Temple für die letztere nehmen zu müssen glaubte. »Ich vermute, daß ich selbst in dem Fall beigezogen werde; denn Jotham sagte mir, er wolle mich nehmen. Der Gegenpart hat’s dem Anschein nach auf den Kapitän Hollister abgesehen, und wir beide sind schon halbwegs eins geworden, Squire Jones als den dritten zu wählen.«

      »Werden vielleicht Verbrecher vor Gericht gestellt?« fragte Marmaduke.

      »Wir haben die Falschmünzer vorzunehmen«, antwortete die Magistratsperson. »Da sie auf der Tat ertappt wurden, so wird vermutlich das Verdikt gegen sie lauten, in welchem Falle es wahrscheinlich ist, daß es ihnen an den Hals geht.«

      »Ah, diese Leute habe ich ganz vergessen. Hoffentlich gibt’s nichts Weiteres?«

      »Je nun, am letzten Unabhängigkeitsfest sind Feindseligkeiten vorgefallen; aber ich weiß nicht gewiß, ob das Gesetz einschreiten wird. Es soll sich dabei nur um Schimpfworte handeln; denn ich habe nichts davon gehört, daß es zu Tätlichkeiten gekommen sei. Man spricht auch davon, daß auf der Westseite des Patents, bei den Einzelsiedlungen, von einigen Squattern ein und der andere Hirsch außer der Zeit geschossen worden sei.«

      »Man soll jedenfalls eine Klage gegen sie einreichen«, rief der Richter. »Ich bin entschlossen, bei allen solchen Übertretungen das Gesetz buchstäblich in Vollzug zu setzen.«

      »Nun, ja, ich dachte mir’s, daß es dem Richter so genehm sein würde. Ich bin zum Teil selbst wegen einer derartigen Angelegenheit hier.«

      »Ihr?« rief Marmaduke, der jetzt mit einemmal einsah, wie ganz er sich durch die Schlauheit des andern hatte fangen lassen. »Und was habt Ihr vorzubringen, Sir?«

      »Ich glaube, Natty Bumppo hat im gegenwärtigen Augenblick einen erlegten Hirsch in seiner Hütte, und komme hauptsächlich deshalb her, um eine Vollmacht zur Haussuchung zu holen.«

      »Ihr glaubt nur, Sir? Wißt Ihr nicht, daß das Gesetz einen Eid für die Tatsache fordert, ehe ich eine Urkunde ausstellen kann? Müßige Eingriffe in das Hausrecht eines Bürgers auf einen leichten Verdacht hin sind nicht statthaft.«

      »Ich meine fast, ich könne es selbst beschwören«, erwiderte der unerschütterliche Hiram. »Auch ist Jotham auf der Straße und wartet nur, um in derselben Sache eine Angabe zu beeiden.«

      »Dann