ein wenig ausruhen. Sie sind immer noch sehr blass“, sagte er entschieden. Er verschwand, und sie hörte, wie er sich in der winzigen Küche zu schaffen machte.
Sie blieb liegen. Über dem Fußende des Bettes hing ein Regal, darauf standen ein großer Flakon Chanel No. 5 und ein Fläschchen tiefroter Nagellack. Und eine Flasche Old Spice Rasierwasser. Vielleicht war es der Duft, den sie an Svart wahrgenommen hatte?
Der Tee, den Svart in großen, rustikalen Bechern hereintrug, verbreitete ein verführerisches Aroma im Zimmer. Svart stellte ihn auf dem Sofatisch ab und trat wieder an Solbjørg heran. Er beugte sich über sie und strich mit der Hand über ihre rechte Schulter. Sein Gesicht kam näher, und sie hielt den Atem an.
„Sie haben da noch eine verletzte Stelle“, sagte Svart.
Mit einem leisen Keuchen atmete sie aus.
Er sah sie an. Lange.
Dann öffnete er die Arzttasche, beugte sich erneut über sie, reinigte die Wunde und klebte ein Pflaster darüber.
Er duftete tatsächlich nach Old Spice.
Sein Atem streichelte ihr Gesicht und ihren Hals, duftete nach kühler Pfefferminze, aber auch nach warmem, pulsierendem Leben. Nach Mann.
Ruckartig setzte sie sich auf, als er die Wunde versorgt hatte. Sprang beinahe hinüber zum Sofatisch, griff nach einem der Becher und trank einen Schluck.
„Danke für den Kaffee“, sagte sie, nahm ihr Strandkleid vom Stummen Diener und schlüpfte in ihre Sandalen, während sie das Kleid auf die Schultern gleiten ließ.
Gerade als die Tür hinter ihr zufiel, hörte sie Jens Svarts Stimme: „Mache ich so schlechten Tee?“
„Ich bin gefallen, unten am Strand“, sagte sie, als sie zurück im Ferienhaus war.
Ulf drehte sich in seinem Sessel zu ihr um. Sie zeigte auf die Pflaster an Hand und Schulter.
„Doktor Svart kam vorbei und hat mir geholfen“, fügte sie hinzu.
„Gütiger“, sagte Ulf. „Du gehst zum Strand und fällst einfach so hin?“
„Ich bin gelaufen.“
„Wieso das denn? Du musst auf dich aufpassen.“ Mit besorgtem Blick sah er sie an.
Seine rotbraunen Haare hatten die gleiche Farbe wie die Sommersprossen auf seiner Nase. Sie lächelte, ging um den Sessel herum und trat hinter ihn, legte die Arme auf seine Brust und küsste sein Haar, dann seine Wange und ließ die Hände weiter nach unter wandern.
Er erstarrte, wandte den Kopf ab und nahm ihre Hände weg.
„Du weißt doch, Solbjørg, das Zölibat hat begonnen.“ Er hob die Zeitung, blätterte eine Seite um.
„Das geht mir ganz schön auf die Nerven“, sagte Ulf, als sie am nächsten Tag von ihrem Morgenspaziergang den Strand entlang zurückkam. „Irgendjemand ruft ständig hier an, und wenn ich rangehe, wird einfach aufgelegt.“
„Kannst du nicht einfach den Stecker rausziehen?“, fragte Solbjørg.
„Nein, es könnte ja sein, dass jemand aus der Gemeinde mich braucht.“ Er verschwand im Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich. Ein gemeinsames Frühstück sollte es heute anscheinend nicht geben.
Ihr Ferienhaus hatte einen Telefonanschluss bekommen, damit die Gemeinde Ulf erreichen konnte. Solbjørg wäre es anders lieber gewesen, Ferienhäuser und Telefone gehörten nicht zusammen. Aber die Gemeinde tat sich schwer, ohne ihren charismatischen Gründer zurechtzukommen, also war nichts zu machen gewesen.
Solbjørg machte sich ein Frühstück, stellte alles auf ein Tablett und ließ sich mit ein paar alten Wochenzeitschriften bewaffnet draußen auf der Terrasse nieder.
Dann klingelte das Telefon im Flur, und als Ulf nicht reagierte, ging sie ran.
„Jens Svart hier“, drang eine tiefe Stimme in ihr Ohr. „Ich wollte hören, wie es Ihnen geht.“
„Ich wusste gar nicht, dass Sie einen Telefonanschluss im Ferienhaus haben“, sagte sie.
„Habe ich auch nicht“, entgegnete er. „Ich bin mit dem Rad zur Telefonzelle unten beim Einkaufsladen gefahren.“
Die Tür zum Arbeitszimmer ging auf. Ulf streckte den Kopf heraus. „Wer ist es denn?“, rief er mit stirnrunzelnd.
„Ich melde mich wieder“, sagte Svart, dann war ein Klicken zu hören.
„Falsch verbunden“, sagte sie zu Ulf und legte auf.
Ulf verschwand einmal mehr in seinem Arbeitszimmer.
Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
Später an diesem Tag schlenderte sie am Eiscafé vorbei und entdeckte zufällig eine Postkarte mit dem Motiv eines Bernhardiners im Arztkittel. Sie kaufte die Karte und eine Briefmarke dazu, borgte sich einen grünen Bic-Kugelschreiber und schrieb: „Ich habe mich noch gar nicht für Ihre Hilfe neulich bedankt. Also hiermit: Danke.“ Dann noch Jens Svarts Name und Adresse, keine Unterschrift und ab in den Briefkasten, bevor sie es bereute.
Am nächsten Vormittag klingelte erneut das Telefon.
„Jederzeit gerne wieder“, sagte Jens Svart und legte auf.
Sie lachte leise.
Nach dem Kaffee machten Solbjørg und Ulf einen Spaziergang am Strand. Sie blieben stehen und blickten über das lilaweiße Meer, beobachteten die lilafarbenen Wolken, hinter denen sich die Sonne verbarg, wie ein purpurroter Ball aus Seide, den ein kindlicher chinesischer Kaiser dort hingeworfen hatte. Ulf gefiel es nicht, wenn Solbjørg so redete. Das göttliche Schöpfungswerk verglich man nicht mir nichts dir nichts mit einem Kinderspielzeug, hätte er gesagt. Also behielt sie es für sich und versuchte, sich darüber zu freuen, dass er mit ihr einen Abendspaziergang unternahm. Aber seine Zurückweisungen und diese ganze Sache mit dem Zölibat formten sich zu einer kleinen, harten, eisigen Kugel in ihrer Magengegend.
„Ich denke in letzter Zeit immer öfter an ein Kind“, setzte sie an. „Wir hatten doch besprochen, dass wir versuchen wollen, Eltern zu werden, wenn ich als Balletttänzerin aufhöre.“
„Das ist ein paar Jahre her, dass wir darüber gesprochen haben“, entgegnete Ulf. „Und du willst doch jetzt unterrichten, oder? Das Theater hat dir doch die Stelle an der Ballettschule angeboten, und für mich hörte es sich so an, als wolltest du sie annehmen.“
„Ich könnte ja unterrichten, bis das Kind da ist. Und dann wieder anfangen, wenn es ein halbes Jahr oder so alt ist.“
„Und wer soll auf das Kleine aufpassen? Erwartest du etwa, dass ich mich darum kümmere?“ Er lachte.
„Nein, natürlich nicht, aber wir könnten doch ein Kindermädchen einstellen.“
Er seufzte tief. „Das passt ganz einfach alles nicht zusammen, Solbjørg. Erst opferst du deine besten Jahre der Tanzerei, dann willst du ein Kind, willst dich aber nicht darum kümmern, weil du anderen das Tanzen beibringen willst. Ich bin überzeugt, wir sollten nicht versuchen, ein Kind zu bekommen, wenn du gar kein Interesse daran hast, es großzuziehen. Weder jetzt noch in zwei Jahren.“
Diese Nacht schlief sie im Gästezimmer. Es war, als hätte sie nicht nur einen Messerstich in den Rücken bekommen, sondern gleich mehrere, als Ulf plötzlich sie und ihre Vergangenheit angriff und all ihre gemeinsamen Pläne kaputt machte. Sie lag da und starrte ins Halbdunkel, während die Dünung des Meeres und die Schreie der Möwen den Klangteppich für ihre Gedanken bildeten, die sich kraftlos im Kreis drehten.
Oben im Schlafzimmer stand Ulf am Fenster und schaute über das Wasser. Er ging zum Bett, wieder zurück zum Fenster, dann zur Kommode.
Schließlich ließ er sich in den Schaukelstuhl sinken und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. War er ungerecht zu ihr gewesen? Er konnte doch nicht anders. Er wagte es nicht, ein Kind zu