fragte er und hob kurz seinen leichten Hut an. „Und ihr Mann selbstverständlich ebenfalls“, fügte er hinzu.
Solbjørg und Jens sahen sich an. „Ihr Mann auf jeden Fall gerne“, antwortete er. „Und was ist mit meiner Frau?“, wandte er sich ihr zu. Sie lachte.
Der Makler hielt sie für Mann und Frau, und sie ließen ihn in dem Glauben. Jens klopfte an Wände und inspizierte Türangeln, während Solbjørg die Wasserhähne auf- und wieder zudrehte und die Herdplatten in Augenschein nahm. Kurz darauf legte Jens ihr den Arm um die Schultern und zeigte ihr die Aussicht aus einer der Kammern im oberen Stock. Hoffentlich bemerkte der Immobilienmakler ihr leises Stöhnen und Jens' hämmernden Pulsschlag nicht, den sie in seiner Hand und seinem Arm wahrnahm.
Mit der Visitenkarte des Maklers in Jens' Tasche gingen sie dicht nebeneinander den schmalen Bürgersteig entlang.
Dann spürte sie Jens' kleinen Finger der linken Hand an ihrer rechten.
Sie zog die Hand nicht zurück.
Und seine Finger schoben sich zwischen ihre und hielten fest.
Sie schauten geradeaus, sagten kein Wort, gingen einfach weiter bis zu seinem Citroën.
Auch auf der Rückfahrt sprachen sie kaum miteinander. Das Leben war prickelnde Lust und gleichzeitig schwarz wie eine wolkenverhangene Dezembernacht.
Hinter der Bäckerei brachte er den Wagen zum Stehen, sodass Solbjørg diskret den Heimweg antreten konnte.
Sie brachte ein leises „Auf Wiedersehen“ hervor und war schon dabei, die Autotür zu öffnen, als er ihr linkes Handgelenk ergriff und sie sanft zurückhielt. Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf den Mund, leicht nur und ganz kurz. Lebendige, gebende Lippen, die mit aller Kraft ihr Verlangen nach den ihren zügelten.
Sie mussten aufhören, jetzt und hier. Solbjørg wusste es. Sie waren beide verheiratet, und das Gelübde einer Ehe brach man nicht einfach.
In der Nacht wachte sie auf, als Ulf an ihrer Schulter rüttelte. Verwirrt fuhr sie hoch.
„Was ist denn?“
„Bist du krank?“, fragte er. „Du stöhnst die ganze Zeit.“
„Ich habe wohl schlecht geträumt“, sagte sie und ließ sich wieder in die Kissen sinken.
„Ein Albtraum?“, fragte Ulf.
„Ja, ja vielleicht“, sagte sie.
Ulf antwortete nicht. Er schlief schon wieder.
Sie lag noch eine Weile wach und schaute hinaus ins Licht der Sommernacht. Es war kein Albtraum gewesen. Sie hatte von einem Mann geträumt, der auf ihr lag. Einem Mann, der in sie eindrang und in sie stieß, bis sie kurz vor einem Orgasmus war. Er war groß gewesen, und sie meinte, ihn noch immer in sich zu spüren.
Ulf schnarchte.
Sie musste raus. Schlug leise die Bettdecke zurück, stand auf und öffnete vorsichtig die Schlafzimmertür, schlich die Treppe hinunter und zur Hintertür hinaus. Eine leichte Brise spielte mit ihrem Nachthemd. Irgendwo oben auf der Landstraße klapperte und quietschte ein schlecht geöltes Fahrrad. Ein Fischer auf dem Weg zu seinem Boot oder ein Ferienhausbewohner, der keinen Schlaf finden konnte und umherstreifte? Sie wollte niemandem begegnen und ging rasch zum Gartenhäuschen. Drinnen zwischen Werkzeug und alten Möbeln war es nach dem sommerlichen Tag immer noch angenehm warm. Sie setzte sich auf eine wacklige Gartenbank.
Es roch nach Harz, und sie sah Jens Svarts grüne Augen vor sich. Sie griff nach einer alten Polsterauflage, rollte sie zusammen und setzte sich rittlings darauf. Dann streckte sie den Rücken durch, drückte sich auf die Rolle, sank zusammen und richtete sich wieder auf. Sie wiederholte die wellenartige Bewegung, die sie zuletzt als Teenagerin angewendet hatte. Und im fahlen Licht der Sommernacht, umhüllt vom Duft nach Harz, kam sie stöhnend zum Höhepunkt und stieß dabei immer wieder seinen Namen aus. Jens.
Ulf wäre entsetzt gewesen über die Art, wie sie sich bewegte, und über ihre Worte. Der Gedanke daran verlängerte ihren Orgasmus nur.
In den nächsten Tagen erinnerte sie sich an die eisenharte Disziplin des Balletts und konzentrierte sich darauf, alte Gartenmöbel und ein altes Bett anzustreichen, ohne zu wissen, wozu sie noch gut sein sollten.
Ihre Spaziergänge am Strand unternahm sie spät abends, wenn die Dunkelheit hereinbrach und die Menschen sich in ihre Häuser zurückzogen. Sie wollte es um alles in der Welt vermeiden, Jens zu begegnen.
Eines Abends sah sie ihn auf der Bank in den Dünen direkt unterhalb Havstuen sitzen. Wieder und wieder fuhr er sich mit den Fingern über die Stirn und durch das dichte Haar. Schnell duckte sie sich in den Schatten einer der Dünen und machte sich leise auf den Rückweg.
Es war ein drückend heißer Tag, und als sie die Bäckerei mit zwei Napoleonshüten verließ, stand er da, mit seinem Rad, mitten auf dem Schotterweg. Er wirkte wie vom Blitz getroffen, und ihr ging es ebenso. Ich muss hier weg, dachte sie, blieb aber doch stehen. Er kam näher, und sie sah seinen Blick, so grün und blendend, und dann liefen sie beide los, nicht voneinander weg, sondern zueinander hin.
Die Leute sahen ihnen nach. Er hatte so breite Schultern in dem weißen Hemd, und die Arme unter den aufgekrempelten Ärmeln waren sonnengebräunt und sehnig, genauso wie die Beine in den beigefarbenen Shorts, und er lächelte mit seinen weißen Zähnen. Sie sagte „Jens“, und er streckte die Hand aus und strich ihr über die Wange und tat es doch nicht, und jetzt schauten die Leute zu ihnen herüber.
„Komm, gehen wir“, sagte er, nahm ihr die Schachtel mit den Teilchen aus der Hand und legte sie in den Gepäckträger des Fahrrads. Das Rad lehnte er gegen die Wand der Bäckerei, während sie die Sonnenbrille von ihrem angestammten Platz oberhalb der Stirn nahm und aufsetzte, damit die Leute ihre Augen nicht sehen konnten. Er hob den Kopf und blickte offen geradeaus. Sie gingen Richtung Dünen, bis der Weg zu Ende war, und stapften weiter vorwärts.
Sie blickten sich gleichzeitig um, und als sie sicher waren, dass die Leute sie nicht mehr sehen konnte, schauten sie sich an, lachten und sie sagte „Du –“ im selben Moment, in dem er „Ich –“ sagte, und sie sah den Schweiß in seinem Haar, und er legte den Arm um sie und war so groß. Dann war sein Gesicht ganz nah, und seine Lippen liebkosten die ihren. Sie konnte seinen Schweiß schmecken und legte die Arme um seinen Hals, und er zog sie an sich, sodass der Schweiß ihr Marimekko-Kleid durchdrang. Seine Zunge war da, und er schmeckte nach Salz und Erde, und sie konnte nicht genug bekommen.
„Wir dürfen das nicht, wir sind schon zu weit gegangen“, sagte sie dennoch und stieß ihn weg.
„Du hast Recht“, sagte er und starrte sie mit wildem Blick aus tiefen Augenhöhlen an.
Sie folgten einem schmalen Pfad oberhalb der Dünen, und sie erzählte von den frisch gestrichenen Gartenmöbeln und er von dem Kind seiner Schwester. Solbjørgs Magen zog sich vor Traurigkeit zusammen, gleichzeitig fühlte sie eine überschäumende Freude, weil Jens neben ihr ging.
„Sieh mal, die Kumuluswolken da drüben. Es wird ein Gewitter geben“, unterbrach er sich und zeigte auf ein sich auftürmendes grauweißes Wolkengebilde. Im nächsten Augenblick krachte ein Donnerschlag über ihren Köpfen, und nicht weit entfernt traf ein Blitz auf die Wasseroberfläche des Meeres.
„Wir müssen uns unterstellen!“, rief er, ergriff ihre Hand und zog sie mit sich zu einer alten Fischerhütte, die versteckt in einer Senke zwischen den Dünen lag.
Jetzt brach das Gewitter los, und Solbjørg war erleichtert, als sich zeigte, dass die Hütte unverschlossen war. Jens warf die Tür hinter ihnen zu, und im nächsten Augenblick prasselte der Regen auf das Dach. Die Hütte wirkte verlassen, nur ein paar verschlissene Fischernetze hingen an den Wänden und leisteten einem Tisch ohne Stühle Gesellschaft. In der Ecke stand eine rostige Wasserpumpe.
„Das wird gleich vorbei sein“, sagte Jens und schaute nach draußen in das Chaos aus Blitz und Donner.
Er sollte sich irren. Zwar schien es einige Male so, als zöge das