Edmond Hamilton

Captain Future 09: Jenseits der Sterne


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Hirn besteht aus schwammförmigen Metallen statt aus lebendem Gewebe wie die euren, und es nimmt die Stimulation sehr viel bereitwilliger an und wird entsprechend stärker stimuliert. Eure Hirne sind doppelt so leistungsfähig wie sonst, meins hingegen hat seine Effizienz vervierfacht.«

      Captain Futures übernatürlich geschärfter Verstand erwog Grags Argumentation. In der Tat – dieser seltsame Nebel hatte dafür gesorgt, dass der große Roboter vorübergehend der Klügste von ihnen war.

      Als Curt klar wurde, in welcher Gefahr sie schwebten, beschloss er augenblicklich, Grags plötzliche Brillanz auszunutzen. Dass die Gefahr in der Tat beträchtlich war, wurde eindrucksvoll von der Dunkelheit unterstrichen, die sich ganz langsam über seinen Verstand zu senken drohte.

      »Kannst du den schnellsten Weg aus diesem Nebel hinaus bestimmen, Grag?«, fragte er langsam. »Sollten wir umkehren?«

      Grag beugte sich über die Elektroskope und studierte die Anzeigen, dann versank er für einen Moment tief in seinen Gedanken.

      »Umzukehren wäre zu riskant«, sagte er dann knapp. »Wir sind bereits so tief in den Nebel vorgedrungen, dass unsere Hirne ausbrennen würden, ehe wir wieder hinausfinden. Meinen Berechnungen zufolge ist der Nebel ungleichmäßig eiförmig, und wir befinden uns in seiner nordöstlichsten Ausdehnung. Dort entlang also.«

      Hastig änderte Captain Future den Kurs der Komet. Die unnatürliche Klarheit ihrer Gedanken verabschiedete sich bereits, vertrieben von einer kriechenden Dunkelheit, die sie in die Bewusstlosigkeit ziehen wollte und gegen die sie verzweifelt ankämpften.

      Die waghalsige Geschwindigkeit, mit der Curt das Schiff durch den Nebel jagte, war eben jener Verzweiflung geschuldet. Er hatte keine Zeit dafür, auf die Warnungen des Meteormeters zu achten. Sein sich rasch verdunkelnder Verstand ahnte deutlich die sehr viel größere Gefahr, die ihnen drohte: die mentale Auslöschung.

      Unvermittelt brach das Schiff aus den Nebeln in die schwarze Leere des Alls hinaus. Sie hatten einen Arm des gewaltigen Lichtmeers durchquert. Und die Energie, die drauf und dran gewesen war, ihren Verstand zu zerstören, wich von ihnen.

      »Dank sei den Göttern des Alls, dass wir da raus sind!«, stieß Captain Future hervor. »Auch wenn ich mich jetzt nicht mehr wie ein Geistesriese fühle.« Er sah Grag an. »Wenn nicht dasselbe Phänomen dich zu einem Geistesgiganten gemacht hätte, Grag, dann wäre es jetzt mit uns aus und vorbei. Nie und nimmer hätten wir es noch rechtzeitig geschafft.«

      Dass er für kurze Zeit der Klügste von ihnen gewesen war, schien Grag sehr zu gefallen.

      »Ach, nicht der Rede wert, Chef«, donnerte er gönnerhaft. »Mein Hirn scheint nur einfach lernfähiger zu sein, das ist alles.«

      »Hört ihn euch an, diesen Riesensohn einer Zinkwanne!«, spottete Otho. »Jetzt wird er die ganze Zeit mit geschwellter Brust herumstolzieren, weil er sich für ein verkanntes Genie hält.«

      »Soll das ein Witz sein?«, fragte Grag den Androiden.

      Während ihrer Unterhaltung hatte Captain Future die Geschwindigkeit stark gedrosselt, denn jetzt befanden sie sich in unmittelbarer Nähe zu den Sternenhaufen. Dort, direkt vor ihnen, erstreckte sich das Innere des Ehrfurcht gebietenden Sagittarius-Sektors. Gewaltige Kugelsternhaufen, unzählige Sonnen und zerschmetterte Sterne lagen wie ein leuchtendes Band vor der bedrohlichen Dunkelheit der kosmischen Staubwolke. Der Anblick dieser gewaltigen sternenübersäten Wildnis ließ selbst die furchtlosen Futuremen verstummen. Unermesslich gewaltig und feierlich erschien ihnen dieses übervolle Herz des Universums, in das sie so tollkühn vordrangen. Lange herrschte Stille, bis schließlich Curt Newton das Wort ergriff.

      »So, nun haben wir also den Teil des Universums erreicht, in dem die Wiege der Materie liegt. Aber damit haben wir nur den ersten Schritt geschafft.«

      »Wo liegt die Wiege von hier aus gesehen?«, fragte Otho.

      Curt warf einen Blick auf den Kosmischen Kompass. Die zitternde Nadel zeigte leicht nach links, tiefer hinein in das Durcheinander aus lauter Sonnen, Nebeln und Sternenwirbeln, die sich vor ihnen zusammenballten. Sie zeigte in die ausgedehnte schwarze Wolke dahinter.

      »Die Wiege der Materie muss irgendwo hinter dieser Wolke liegen«, sagte Curt nachdenklich. »Was sagen die Strahlungsanzeigen, Simon?«

      Das Gehirn benutzte eine verbesserte Version des guten alten Geigerzählers, um die Stärke der kosmischen Strahlung zu messen, der sie folgten.

      »Die Strahlung ist sehr stark, Junge«, sagte er. »Wir müssen uns näher an der Wiege befinden, als ich gedacht hätte.«

      Curt nickte nachdenklich.

      »Ab jetzt müssen wir sehr wachsam sein. Wir können nicht vorhersehen, was wir finden werden, aber wir wissen, dass sich unser Ziel mitten im Herzen unberechenbarer kosmischer Kräfte befindet.«

      Er steuerte die Komet auf den Kurs, den ihnen die zitternde Nadel wies. Mehrere Stunden lang segelten sie am flammend hellen Saum des gewaltigen Nebels entlang, mit einem konstanten Tempo von mehr als hundertfacher Lichtgeschwindigkeit.

      4. Kapitel: Dunkles Geheimnis

      Nervosität erfasste Curt, eine Anspannung, wie er sie noch nie zuvor verspürt hatte. Es lag nicht nur an der betäubenden Majestät der riesigen Sterne und dem hellen Leuchten ringsum. Es war das Wissen, dass sie sich rasch dem mysteriösen Ziel ihrer Reise näherten, der sogenannten Wiege der Materie, die der Mittelpunkt des ganzen Universums war.

      Wie würde sie wohl sein, diese unbekannte Urquelle der Schöpfung, die auf irgendeinem Weg unablässig aus Strahlung neue Materie hervorbrachte? Was war das Geheimnis dieses wundersamen natürlichen Schöpfungsakts? Und konnten sie wirklich darauf hoffen, dieses allergeheimste Rätsel des Kosmos zu lösen?

      Viele Stunden lang flogen sie durch leeren Raum auf die riesige, dunkle kosmische Wolke zu. Der Kosmische Kompass zeigte unbeirrbar ihren Kurs an. Die Wolke, die inmitten der dicht gedrängten Sonnen und Nebel lag wie ein gewaltiges, wartendes Wesen von Ehrfurcht gebietender tiefschwarzer Majestät, erstreckte sich über mindestens dreißig Milliarden Kilometer vor ihnen durchs All.

      Zu ihrer Überraschung schlug auf einmal der Reibungsalarm an. Eine schnelle Überprüfung verriet Curt und Simon, dass das All um sie dichter wurde – kosmischer Staub.

      »Das hätten wir uns eigentlich denken sollen, mein Junge«, sagte das Gehirn mit seiner schnarrenden Stimme nachdenklich. »Schließlich wussten wir, dass die Wiege winzige Partikel kosmischen Staubs hervorbringt, die in gewaltigen Strömen in die gesamte Galaxie getragen werden. Und da wir uns nun in der Nähe der Wiege befinden, werden diese Ströme aus Staub vermutlich stetig dichter werden.«

      Captain Future nickte.

      »Das bedeutet, dass wir uns vergleichsweise nah an der Wiege befinden müssen. Womöglich ist sie gleich auf der anderen Seite dieser dunklen Wolke.«

      Er sah sich gezwungen, die Geschwindigkeit noch weiter zu drosseln, damit sich die Hülle nicht zu sehr aufheizte. Inzwischen verdeckte die kosmische Staubwolke gut die Hälfte des sternübersäten Universums, das vor ihnen lag.

      »Es wird Zeit, dass wir der Wolke ausweichen«, merkte Captain Future an und änderte den Kurs.

      »Warum fliegen wir nicht einfach mitten hindurch?«, fragte Grag.

      »Hört euch nur Grag an, das Genie«, spottete Otho. »In einer solchen dunklen Wolke kann sich alles Mögliche verbergen, von einem Schwarzen Loch bis hin zu einem Meteoritenschwarm, du Blecheimer. Einfach da reinzueiern wäre reiner Selbstmord.«

      Während die Komet an dem gewaltigen dunklen Nichts vorbeisegelte, bekam sie es mit erheblich stärkeren Staubströmen zu tun. Die unermessliche dunkle Masse zu ihrer Rechten war ein sogar noch ehrfurchtgebietenderes Spektakel als der Gasnebel. Die Dunkelheit war undurchdringlich.