Louise Roholte

Freundeskrise


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      Louise Roholte

      Freundeskrise

      Lindhardt & Ringhof

      Vorbemerkung der Übersetzerin:

      Die Währung in Dänemark ist die Dänische Krone.

      7 dänische Kronen entsprechen ca. einem Euro.

      In Dänemark ist es üblich, die Lehrer mit Vornamen anzusprechen.

      Die Schmetterling-Serie richtet sich an Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren. Themen, Sprache und Gefühle sind exakt an die Leser der Zielgruppe angepasst, und bei der Auswahl der Geschichten für die Serie wird Wert auf die Qualität gelegt. Da die Zielgruppe dieser Serie verhältnismäßig breit ist, sind die Titel in zwei Gruppen eingeteilt. Ein Schmetterling bedeutet, dass sich der Titel an den jüngeren Teil der Zielgruppe (9-11 Jahre) richtet, zwei Schmetterlinge verweisen darauf, dass der Titel für den älteren Teil der Zielgruppe (12-14 Jahre) gedacht ist.

      1. Kapitel

      Der Ball saust an Michelles Ohr vorbei. Sie wirft sich auf den Boden, als Emilie ruft, dass sie sich ducken soll.

      „Chill doch mal!“ schreit Michelle. „Das ist nur Völkerball und du kriegst keinen Preis dafür, dass du am meisten zerdepperst.“

      Emilie hört sie nicht, sie hat nur Augen für die Gegner. Eine Sekunde später feuert Sofie den Ball von der anderen Seite des Strichs auf Michelle. Er trifft sie am Oberschenkel und darum ist sie gar nicht böse, jetzt nicht mehr die Zielscheibe sein zu müssen.

      „Das hättest du echt vermeiden können“, motzt Emilie. „Jetzt sind nur noch ich und der König im Spiel.“

      „Oh neiiiin, was für eine Katastrophe“, zieht Michelle sie auf und tut so, als ob sie in ihre Nägel beißt. „Glaubst du, wir schaffen das?“

      Jytte schnappt sich die Pfeife und pustet fest hinein. „Ganz ruhig, Mädels. Seid nett zueinander.“

      Signe sitzt auf dem Boden mit dem Rücken an der Sprossenwand und betrachtet den dunkelblauen Lack auf ihren Zehennägeln. Ihr Ball ist vor Kurzem gefangen worden, aber das war mit Absicht, weil sie ihn Sofie direkt in die Arme geworfen hat. Sie wechseln einen Blick und Signe tippt sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe um zu zeigen, dass Emilie nervt. Da hat sie so was von Recht. Michelle setzt sich mit einem lauten Seufzer neben Signe und schaut aus den großen Fenstern um zu sehen, ob sie einen der Jungs erspähen kann. Sport ist Zeitverschwendung, und heute ist es noch langweiliger als sonst, weil die Jungs draußen Fußball spielen. Wenn es nicht die ungeschriebene Regel gäbe, dass Mädchen lieber Handball, Völkerball oder Brennball drinnen spielen, wäre sie mit raus gegangen. Dann hätte sie mit Oliver in eine Mannschaft kommen können und vielleicht hätte er sie süß gefunden, wenn sie einen Patzer machen oder über den Ball fallen würde. Jytte steckt wieder die Pfeife in den Mund und pustet, als Emilie einen Ball fängt. Sie winkt in Richtung Sprossenwand, eine von ihnen soll rein gehen.

      „Hopp, hopp!“ ruft sie.

      Emilie schaut Michelle und Signe irritiert an, aber die beiden tun so, als ob nichts wäre. Es gibt eine unangenehme Pause, bis endlich ein Mädchen aus der Parallelklasse aufsteht.

      „Ich hab mir was überlegt“, sagt Michelle. „Wie wär’s, wenn wir uns ein eigenes Wort ausdenken?“

      Signe hört auf, an ihrem Nagellack rumzupulen und dreht sich neugierig um.

      „Was für eins?“

      „So was wie ’cool’, ’fett’, ’king’ oder das bescheuerte ’swag’. Dann könnten wir das immer sagen, ohne dass die anderen wüssten, was es heißt.

      „Wir könnten bestimmt was anderes als ’king’ finden“, meint Signe nachdenklich. Zum Beispiel ’kaiser’ oder ’cäsar’.

      „Wenn das Spiel noch kämpferischer wäre, würde ich ’cäsar’ nehmen“, versucht Michelle es und rückt zur Seite, als der Ball zu nah kommt. „Hey, was ist mit ’ballig’?”

      Signe grinst.

      „Wenn die Stunde jetzt vorbei wäre, sollten wir das nehmen, finde ich.“

      „Dafür.”

      Michelle schaut auf die große Uhr, die über dem einen Handballtor hängt.

      „Nur noch zehn Minuten”, flüstert sie. „Wollen wir uns ins Bad verdrücken?“

      Signe nickt und steht auf.

      „Jytte wird’s nur merken, wenn Emilie uns verpetzt, und ich glaub nicht, dass sie sich das traut.“

      Sie schleichen zum Ausgang. Niemand schreit rum, als sie die Tür zur Umkleide öffnen und reinhuschen. Mathilde sitzt auf der Bank und kämmt sich die Haare, Aisha reibt gerade ihre Arme mit Bodylotion ein.

      „Na, hattet ihr auch keinen Bock mehr?“ grinst Mathilde.

      „Nee, das ist ja wohl mal total krank“, erwidert Michelle. „Dafür sein Leben aufs Spiel zu setzen ist es einfach nicht wert.“

      Michelle streift das T-Shirt ab und legt es auf die Bank neben die Tasche. Es nervt voll, dass sie den ganzen Dienstag mit ihrem Sportbeutel rumrennen soll. Sie findet, es sieht total kindisch aus, aber da kann man nichts machen. Jytte nimmt ihren Job als Sportlehrerin sehr ernst, und diejenigen, die nicht zur Stunde erscheinen, werden hart bestraft. Anfang des Jahres hatte Mathilde versucht sich zu drücken, indem sie Bauchschmerzen vortäuschte. Das war an sich ganz clever, aber Jytte sagte laut zu allen anderen, dass Mathilde wegen Menstruationsbeschwerden verhindert sei. Danach hatte Mathilde es gelassen. Signe hat versucht, sich mit einem verstauchten Knöchel rauszureden. Michelle hat an Jyttes Vernunft appelliert, dass sie doch keine organisierte Bewegung bräuchten. Nichts davon hat geholfen. Das einzig Gute an Sport ist, dass man keine Hausaufgaben kriegen kann.

      Michelle kramt Shampoo und Duschgel raus, trippelt neben Signe zur Dusche und macht das Wasser an. Es ist komisch, daran zu denken, dass sie mal gemeinsam mit den Jungs das Bad benutzt haben. Michelle kann sich gar nicht mehr erinnern, wie das war, aber sie weiß, dass sie das in den unteren Klassen gemacht haben. Damals waren sie bestimmt mit allem möglichen anderen beschäftigt wie Zookeksen und roter Limo. Jetzt ist das anders, und selbst wenn Michelle nicht direkt hinschaut, weiß sie genau, wie alle Mädchen in der 7A und B ohne Klamotten aussehen. Sie weiß zum Beispiel, dass Sofie hässliche Hammerzehen, Aisha Orangenhaut an den Oberschenkeln und Emilie ein riesen Muttermal auf der linken Pobacke hat. Es gibt eine Art kleinen Wettbewerb, wer den tollsten Körper hat. Emma und Mathilde teilen sich den ersten Platz, findet Michelle. Sie kann es nicht lassen, die Unterwäsche der anderen abzuchecken.

      Emma hat immer stylische BHs mit Spitze und Blümchen in zarten Farben an. Ihre Unterwäsche sieht aus wie die, die in den teuren Geschäften am Marktplatz verkauft wird, und Michelle hat noch nie erlebt, dass das Ober- und Unterteil mal nicht zusammengepasst hätten. Michelle hat ihre Mutter schon mehrmals gefragt, ob sie ein Set aus dem Dessousladen haben darf, und jedes Mal hat sie ein klares Nein als Antwort bekommen. Ihre Mutter findet, dass sie nicht in einem BH rumlaufen soll, der mehr als ihre restlichen Klamotten zusammen kostet. Da könnte was dran sein. Die meisten haben Unterwäsche von H&M. Ihre kauft sie auch immer dort, wenn sie mit Signe shoppen geht.

      „Waaah!“

      Signe springt zur Seite und zeigt auf einige kurze, schwarze Haare, die auf der Wasseroberfläche herum und gegen den einen, blaulackierten Zeh schwimmen. Ein kleiner Haufen Haare treibt direkt auf Michelles Füße zu. Sie schreit und hüpft auf die trockenen Fließen um zu prüfen, ob welche davon auf ihr gelandet sind.

      „Sind das eure Haare, die da rumschwimmen?“ fragt sie.

      Aisha kommt mit einer Mascarabürste in der Hand auf sie zu und guckt, wo Signe mit ihrem Zeh hinzeigt.

      „Hmm, kann schon sein, dass das meine sind, aber ich hab mir bloß die Achseln rasiert.“

      Michelle und Signe schauen sich an und sind sich völlig einig, dass das eklig ist, egal wo die schwarzen Haare herkommen.

      Sie beobachten die Haare, während sie das letzte Shampoo auswaschen. Als sie