nach Büchern und altem Leder roch.
Zudem war sie so gut wie leer, da sich die meisten lieber draußen auf dem Spielfeld oder als Zuschauer die Beine in die Bäuche standen.
Ich registrierte mich mit meiner Bibliothekskarte an dem kleinen Scan-Automaten und durchstöberte die Gänge mit den hohen Bücherregalen. Nach kurzer Zeit fand ich ein Fantasy-Buch und setzte mich zum Lesen in einen der Ledersessel in der Ecke.
Ich verbrachte den restlichen Nachmittag dort und versuchte, meinen Gedanken zur ganzen Sache „Kelly Evans“ zu entfliehen.
-Owen-
Im Aufenthaltsraum herrschte den ganzen Tag eine bedrückte Stimmung.
Es lief keine Musik und die meisten Schüler saßen in Gedanken versunken herum.
Die Psychologen, die unsere Schule organisiert hatte, bekamen eigene Räume im Erdgeschoss.
Offenbar hatten sich mehr Schüler für eine Therapiesitzung gemeldet als ich gedacht hatte.
Ethan hörte Musik über seine Kopfhörer und hatte sich auf der Couch breit ausgestreckt. Seine Körperhaltung sagte genau das, was er dachte: Und zwar, dass die Reaktion der Leute etwas übertrieben war.
Ich sah immer wieder nervös auf die Uhr.
Bald war es sieben und nach dem Dinner würde ich mich mit Jenna treffen. Eigentlich sollte ich nicht nervös sein, aber Ethan hatte mir vorhin alle möglichen und überaus peinlichen Szenarien ausgemalt, weshalb ich mich genervt abgewandt hatte.
Er meinte es nicht böse, ganz im Gegenteil, er versuchte sich selbst abzulenken, um nicht über die Geschehnisse nachdenken zu müssen.
Er war nicht der sentimentale Typ und wollte sich deshalb aus solchen Angelegenheiten heraushalten.
Ich konnte einigermaßen damit um gehen, schließlich kannte ich ihn nicht erst seit gestern. Suchend blickte ich mich um.
Vielleicht war jetzt der Moment, in dem ich mich um Louie kümmern sollte.
Ich hatte ihn seit gestern nicht mehr gesehen. Also rappelte ich mich auf und schlurfte die Treppe hoch.
Oben in dem Aufenthaltsraum der jüngeren Klassen, der in der zweiten Etage lag, fand ich ihn.
Er saß auf einem Stuhl an der Saftbar, die von allen Schülern geliebt wurde, und unterhielt sich mit einem Mädchen.
Ich musterte sie. Sie hatte wie er blonde Haare, bloß, dass ihre lang und zu zwei Zöpfen hinunter geflochten waren. Sie sah nett aus mit ihrer Schleife im Haar.
Louie sah betont gleichgültig im Raum umher und das Mädchen lachte über einen der Witze, die er machte.
Ich verkniff mir das Grinsen und ging auf die beiden zu.
„Hallo Bruderherz.“ sagte ich und klopfte ihm mit einer Hand auf die Schulter, als ich hinter ihm stand.
Erschrocken blickte er sich um und guckte mich ärgerlich an, als er mich erkannte. Das Mädchen musterte mich neugierig.
„Was willst du Owen?“ fragte er genervt. Ich zog belustigt eine Augenbraue nach oben. So behandelt man doch nicht seinen großen Bruder.
„Ich wollte mal sehen, wie es dir hier so geht.“
Louie verdrehte die Augen. „Mir geht es super, kannst du jetzt wieder gehen? Du siehst doch, dass ich mich hier unterhalte.“ Das Mädchen starrte mich an, errötete leicht und sah danach ganz schnell auf ihre Hände.
Ich grinste und betrachtete Louie. Der Junge, der hier vor mir saß, war gänzlich anders als der kindische kleine Bruder, der im Urlaub rumgemotzt hatte, weil er nicht das Eis bekommen hatte, das er wollte.
Jetzt hörte er sich fast schon wie unsere Mutter an, wenn wir sie bei einem Gespräch störten.
Dann fiel mir aber wieder ein, weshalb ich nach oben gekommen war und mein Ausdruck wurde ernster.
„Louie, wegen der Sache heute Morgen… also falls du jemanden zum Reden brauchst…“ begann ich. Das Mädchen merkte offenbar, dass ich versuchte, ein ernstes Gespräch mit meinem Bruder zu führen und sagte: „Dahinten ist Lea, ich wollte sie noch was fragen. Man sieht sich, Louie.“
Daraufhin sprang sie vom Stuhl und lief zu einem Mädchen, das vor einem Computer saß.
Er wartete kurz, bis sie außer Hörweite war, dann blickte Louie mich sauer an.
„Na, schönen Dank auch.“
Ich setzte mich auf den frei gewordenen Stuhl.
„Ich wollte nur wissen, wie es dir geht mit der ganzen Sache, du weißt schon.“ Louie sprang auf.
„Mir geht es gut und ich brauch keinen Babysitter, klar? Nerv´ mich nicht.“
Mit den Worten dreht er sich um und verschwand durch die Tür nach draußen. Ratlos und etwas überrumpelt blieb ich erstmal sitzen. Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet.
Bisher hatte er nie das Gefühl gehabt, sich vor Mädchen beweisen zu müssen. Offenbar wollte er nicht reden, also beließ ich es dabei. Wenn es ihm nicht gut ginge, würde er schon kommen.
Kopfschüttelnd machte ich mich wieder auf den Weg nach unten, mit jeder Menge verstohlener Mädchenblicke auf mir, wie ich feststellte.
Grinsend verließ ich den Aufenthaltsraum.
Jenna wartete schon auf mich, als ich nach dem Dinner den Aufenthaltsraum wieder betrat.
Sie saß in einem Sessel und lächelte mich an, als sie mich sah.
Ihre Haare hatte sie zu einem lockeren Dutt hochgesteckt und sie trug ein Kleid.
Ihre Lederjacke hing ihr locker über den Schultern.
„Hi.“ grinste ich sie an und bot ihr die Hand, um sie hochzuziehen. Sie ergriff sie und gemeinsam machten wir uns auf den Weg aus dem Internat heraus.
„Und was machen wir jetzt?“ fragte ich und blickte zum Tor, das aus dem Schulgelände herausführte. Nach acht Uhr abends durfte man das Internat nicht mehr verlassen, was wirklich nervig war.
Die Regeln der Schule waren streng.
Man durfte sich nicht viele Fehltritte leisten. Einer der Punkte, womit die Lancaster School warb.
Strenges Durchgreifen führe zu makellosem Benehmen, oder irgend so ein Schwachsinn.
Die anderen Dinge, bei denen man sich auf gar keinen Fall erwischen lassen sollte, waren das Rennen auf den Treppen (das hatte mir schon das eine oder andere Mal Nachsitzen eingehandelt) und natürlich und vor allem, das strenge Trennen von Mädchen- und Jungen-Schlafzimmern.
In der Hinsicht war die Schule stark konservativ eingestellt und beim Brechen dieser Regel, war es äußerst leicht zu fliegen.
Deswegen hatte ich sie bisher auch nur im absoluten Notfall gebrochen.
Aber ich bin ziemlich sicher, dass das, was ich als Notfall bezeichnen würde, Direktor Taylor nur ein müdes Lächeln entlocken würde, bevor er mir den Weg zur Tür zeigte.
Jenna war meinem Blick gefolgt, bevor sie sagte: „Wenn wir jetzt verschwinden, kommen wir nachher nicht mehr rein. Lass uns einfach ein bisschen um den See laufen.“
Ich kannte zwar meine Wege, um ungesehen auf das Internatsgelände zu gelangen, aber ich stimmte zu und wir machten uns gemeinsam auf den Weg. Das Flair, das der Burggarten ausstrahlte, konnte mir noch zu Gute kommen, überlegte ich mir verschmitzt. Die Landschaft der Lancaster School war wirklich traumhaft. Es wurden einige Gärtner hier beschäftigt, die sich um den Erhalt des schönen Gartens kümmerten.
Sträucher waren in verschiedene Figuren geschnitten, Blumen wuchsen in dafür abgetrennten Bereichen und alles in allem war stimmig.
Die Zeit verging schnell, während wir den See entlangliefen. Ihn zu umrunden, war natürlich nur umgangssprachlich gemeint, denn er erstreckte