Zwei Stunden später, ließ ich mich gelassen in meine Kissen sinken und stopfte sie hinter mir zurecht, während ich mein Handy aus der Hosentasche zog.
„Ist das jetzt was Festes zwischen euch?“ fragte Ethan neugierig, und ich konnte sein Grinsen beinahe hören.
„Wir werden sehen.“ antwortete ich geheimnisvoll und warf einen Ball gegen den Lichtschalter, so dass es dunkel wurde.
Er fragte nicht weiter nach, eine der Eigenschaften, die ich unglaublich an ihm schätzte, sondern kommentierte nur:
„Treffer.“ Er seufzte.
„Morgen muss ich unbedingt raus und ein paar Snacks einkaufen, echt! Kaum bin ich hier, ernähre ich mich schon wieder viel zu gesund.“
„Jap. Wir brauchen Snacks.“ stimmte ich ihm zu.
Ich fragte mich kurz, ob ich das Thema, dass die ganze Schule dauerhaft beschäftigte, ansprechen sollte, aber ich war mir unsicher. Außerdem fragte ich mich, wie die nächsten Tage wohl ablaufen würden und ob in den nächsten Wochen mit Normalität zu rechnen war.
Bestimmt nicht. Ethan würde den Gesprächen vermutlich sowieso ausweichen, genau wie mein Bruder.
Wieso war ich der Einzige, der darüber reden wollte?
Ein paar Minuten später hörte ich bereits Ethans regelmäßigen Atem und sein leises Schnarchen.
Ich dachte noch lange über Kelly Evans tragischen Unfall bis tief in die Nacht hinein nach. Irgendwie fand ich keinen Frieden mit der Angelegenheit. Vielleicht sollte ich tatsächlich einen dieser Psychologen aufsuchen, aber dann verwarf ich den Gedanken wieder.
Psychologen waren schließlich nur was für Gestörte.
Gegen halb zwei schlief ich endlich ein, nur um mich am nächsten Morgen unausgeschlafen zum Training zu schleppen.
Als ich am Morgen in den Spiegel geschaut hatte, hatten sich deutliche Augenringe von meinem hellen Gesicht abgezeichnet.
Ich hatte ihnen nur einen verächtlichen Blick geschenkt.
Der Coach nahm uns hart ran, denn er nahm keine Rücksicht auf die Vorkommnisse des letzten Tages.
Und dass, obwohl sein Sohn live dabei gewesen war, dachte ich kopfschüttelnd.
Nichtsdestotrotz tat mir das Training gut. Außer Atem rannte ich auf einen der Spieler zu, die der Coach in das gegnerische Team einsortiert hatte.
Er hatte den Ball soeben geworfen und ich fing ihn in der Luft ab.
Schnell rannte ich weiter so gut es ging um die gegnerische Mannschaft herum und bereit, den Ball in ihrem Feld abzulegen, als sich plötzlich ein Arm um meinen Hals legte und mich herunterriss.
Der Ball fiel mir aus den Händen und der Gegenspieler und ich landeten im feuchten Gras.
Was war das denn bitte?!
Sein Arm befand sich immer noch um meinen Hals.
Als wir am Boden lagen, löste er sich endlich und ich röchelte nach Sauerstoff. Der Coach blies laut in seine Pfeife.
Ich richtete mich auf und betrachtete den anderen Spieler.
Es war Aaron Dwayne. Bitte nicht.
„Bist du irre?“ krächzte ich, da meine Stimme noch nicht völlig zurückgekehrt war. „Wolltest du mich umbringen, oder was?“ er richtete sich auf und sagte aufgebracht: „Ich habe überhaupt nichts gemacht! Du hast mich einfach gewürgt!“
Ich konnte nicht fassen, wie dreist Aaron log. Er war ein ekelhafter Typ, der schon oft Ärger provoziert hatte.
Bisher war ich nie seine Zielscheibe gewesen und ich hatte keine Ahnung, wieso er beschlossen hatte, dass sich das ändern sollte.
„Du hast sie wohl nicht mehr alle!“ rief ich und hörte wie der Coach sich laut pfeifend seinen Weg durch die Spieler, die um uns standen, bahnte.
„Dwayne! Smith! Auseinander mit Ihnen!“ rief er, doch Aaron griff unauffällig meinen Fuß als ich aufstehen wollte, und sorgte damit dafür, dass ich nochmals hinfiel.
Jetzt reichte es mir und ich warf mich ärgerlich auf ihn.
Er schlug mich zuerst und sorgte mit einer gut platzierten Faust in den Magen dafür, dass sich mein Frühstück nochmal gut durchmischte.
Aber, was er konnte, konnte ich auch.
Der Coach war inzwischen wütend und riss die gaffenden und johlenden Jungs, die uns zuschauten, auseinander und stürmte auf uns zu.
Dann zog er uns mithilfe von Ethan, der mich festhielt, und zwei anderen Jungen, die Aaron zurückhielten, auseinander.
„Sind Sie beide komplett wahnsinnig geworden?“ brüllte er uns an.
„Auf meinem Feld wird sich nicht geprügelt, ist das klar?“ Wir beide nickten widerwillig.
Ich betrachtete Aaron mit blitzenden Augen, aber der brachte es fertig, mit einem Mundwinkel noch zu grinsen.
Das hätte er lieber lassen sollen. Der Coach sah es und das brachte ihn endgültig auf die Palme.
„Sie haben also noch die Frechheit, das Ganze lustig zu finden? Dann wird Ihnen ein Besuch beim Direktor mit Sicherheit auch Spaß machen!“
Ich versuchte ein schadenfrohes Grinsen zu unterdrücken, was mir jedoch offenbar nicht gelang, denn in der nächsten Sekunde verkündete der Coach: „Und Sie begleiten ihn!“
Mit einem Nicken in meine Richtung machte er deutlich, dass er mich meinte. Ich wollte protestieren, riss mich dann aber noch zusammen.
„Mach jetzt lieber nichts.“ raunte Ethan leise und ich machte mich auf den Weg zum Direktor, gemeinsam mit Aaron und dem Coach, der das Training für den restlichen Tag abblies.
Oben im Büro des Direktors standen Aaron und ich vor dem großen Schreibtisch dem Schulleiter gegenüber, während Coach Stevenson die Lage schilderte.
Direktor Taylor blickte ärgerlich zwischen uns hin und her. Ich schaute nahezu unbeteiligt aus den großen Fenstern hinter dem Schreibtisch hinaus.
Ich versuchte mir meinen Ärger nicht anmerken zu lassen, schließlich hatte ich den Streit nicht provoziert.
Zum Glück hatte der Coach das auch erkannt. Nachdem er seine Erklärung beendet hatte, seufzte der Direktor:
„Glauben Sie beide, dass ich im Moment noch mehr Ärger brauche? Es reicht wohl noch nicht, dass Ihre Mitschülerin tot aufgefunden wurde, was?“ erschöpft ließ er sich auf seinen Stuhl fallen.
„Sie sind keine Kinder mehr, die nach Lust und Laune herumtollen können! Begreifen Sie endlich, dass längst der Ernst des Lebens begonnen hat, meine Herren! So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben. Aber dieses Mal lass´ ich noch Gnade vor Recht ergehen, da alle unter den gegebenen Umständen etwas aufgewühlt sind.“
So schlimm es auch klingt, aber in dem Moment konnte ich Kellys Tod etwas Gutes abgewinnen. Wir wurden dieses Mal noch verschont.
Am Ende seiner Strafpredigt wurde uns verkündet, dass wir, wenn wir nochmal auffällig werden würden, aus dem Team ausgeschlossen werden müssten.
Danach wurde von uns verlangt, dass wir uns die Hand gaben. Widerwillig und mit zusammengebissenen Zähnen brachte ich es über mich, wobei ich Aaron sein falsches Grinsen am liebsten aus dem Gesicht gewischt hätte.
Als wir endlich gehen durften, kassierte ich noch einmal einen warnenden Blick des Coaches.
„Sie müssen sich zusammenreißen! Haben Sie das verstanden? Wir können es uns nicht leisten, Sie aus unserer Mitte zu verlieren.“
„Ich weiß. Es tut mir leid.“ Ich versuchte, mich nicht nochmal zu rechtfertigen, denn Coach Stevenson wusste, wer schuld war.
Daraufhin folgte er Aaron Dwayne auf den