Lisbeth Pahnke

Britta, die Reitlehrerin


Скачать книгу

siehst aus, als wolltest du platzen“, stellte Titti fest. „Ist etwas Besonderes geschehen?“

      „Nei-ein, gar nichts“, erwiderte ich langsam. „Nur – Gazelle hat heute nacht gefohlt!“

      Göran sah auf.

      „Sieh an, war es schon soweit?“ sagte er nur. Für ihn war es ganz natürlich, daß die Stuten im Frühjahr fohlten.

      „Göran, hast du heute noch eine besondere Arbeit für mich, oder kann ich zu Madeleine reiten? Der Stall ist sauber und fertig. Ich verspreche dir, rechtzeitig zurückzukommen, um die Pferde heute abend in den Stall zu bringen.“

      Göran war nett, wie immer.

      „Hau nur ab“, sagte er. „Du könntest heute ja doch nichts Vernünftiges mehr tun …“

      „Danke! Danke dir vielmals!“ antwortete ich glücklich. Gleich darauf rannte ich los, um Silber von der Weide zu holen. Er stand ganz ruhig in der äußersten Ecke. Aber als er mich sah, hob er neugierig den Kopf und spitzte die Ohren. Ich blieb beim Gattertor stehen und lockte ihn mit leiser Stimme:

      „Silber! Mein kleiner Bursche – Silber! Komm her zu mir!“

      Silber kam schnaubend herangebraust. Seine dunklen Augen leuchteten. Auszureiten war sein großes Vergnügen, und mir schien, er genoß unsere gemeinsamen Ritte ebensosehr wie ich.

      Ich führte ihn in den Stall, und er wieherte fröhlich, als wir an Isabella vorbeikamen. Isabella aber antwortete recht unfreundlich, sie schlug mit ihren Hufen wild gegen die Wände der Box.

      „Du hast wirklich ein gut erzogenes Pferd!“ neckte ich Titti. Dann holte ich eine harte Striegelbürste und bearbeitete Silber damit.

      „Wie ist es, kommst du mit zu Madeleine?“ fragte ich Titti. Aber sie ließ den Kopf hängen.

      „Ich tät es ja so gern“, antwortete sie, „aber das wird für Bella zuviel. Ich muß immer auf ihre schwachen Hinterbeine Rücksicht nehmen! Zu Madeleine und dann zu mir nach Hause – das sind mehr als zwanzig Kilometer, und das schafft sie einfach nicht.“

      Ich zog Silbers Sattelgurt an, um ihn bei dem gewohnten Loch einzuhaken, aber ich schaffte es kaum.

      „Du könntest aber auch etwas gegen seinen kleinen Kugelbauch tun!“ stellte Titti kritisch fest.

      „Ach was, er ist genau richtig, so wie er eben ist! So, und nun reite ich“, verkündigte ich glücklich und bemühte mich, Silber zum Stillstehen zu bringen, während ich aufsaß. „Hei! Lebwohl!“

      „Hei! Und grüße das Fohlen!“

      Noch nie ist mir der Weg zu Madeleine so weit vorgekommen wie an diesem Tag. Silber war munter und voller Kraft, und ich nahm alle Abkürzungen, die ich kannte. Endlich erreichten wir das Militärflugfeld, und ich gab Silber lange Zügel für einen gestreckten Galopp. Schon von weitem sah ich den Birkenhof, wo Madeleine lebte. Auf dem Weideplatz grasten das Vollblut Frisco Kid und der Hengst Rebell, nicht weit von ihnen das kleine Fjordpony Kulla-Gulla. Dann hatten wir den Kiesweg erreicht und trabten in den Hof. Madeleine kam heraus und ging uns bis zum Stall entgegen.

      „Komm und schau!“ flüsterte sie mir als Begrüßung zu und öffnete ganz vorsichtig die Stalltür. „Ich halte inzwischen Silber. Geh ganz nach vorn, bis du zu der großen Fohlenbox kommst …“

      Ich übergab ihr die Zügel und ging in den Stall. Dort war es ganz still, es duftete wunderbar nach frischem Stroh und Heu. Ich schlich mich an den leeren Boxen vorbei und blieb dann in einiger Entfernung von der Fohlenbox stehen. Gazelle, meine schöne Schimmelstute, legte die Ohren unruhig nach hinten und ließ das Weiße ihrer Augäpfel sehen, als sie meine Schritte hörte. Nervös aufgescheucht, lief sie in ihrer Box umher und schaute mich beunruhigt an. In ihren sonst so ruhigen Augen flackerte ein mißtrauisches Blitzen. Ich redete sie langsam und mit leiser Stimme an und merkte dann, wie sie ruhiger wurde, als sie mich erkannte.

      Endlich wagte ich es, vorsichtig über die Kante der Wand zu schauen. Gazelle stand jetzt ganz ruhig da und beobachtete mich mit wachem Blick. Und neben ihr, im gelbem Stroh, stand das Fohlen auf seinen wackeligen Beinen …

      Nicht gerade eine Schönheit

      Madeleine hatte Silber in eine Box vorn an der Stalltür gestellt. Nun kam sie zu mir. Eine Weile standen wir schweigend nebeneinander und schauten einfach nur auf das kleine Tier.

      „Wie findest du es?“ fragte Madeleine schließlich.

      „Ich weiß nicht recht“, antwortete ich etwas enttäuscht. „Es ist nicht gerade eine Schönheit …”

      Das stimmte. Es war ein ulkiges Fohlen! Man konnte es wirklich nicht als schön bezeichnen. Eine große, weiße Blesse breitete sich zwischen den Nüstern des Fohlens aus und streckte sich – wenn auch ein wenig ungleichmäßig – bis zu der dunkelbraunen, nahezu schwarzen Stirn. Das war das erste, was mir auffiel.

      „Ein lustiges Abzeichen hat sie mitbekommen“, meinte Madeleine.

      Ich betrachtete das dunkle, ein wenig struppige Haarkleid des Fohlens, den dünnen Hals und den Kopf, der für den zarten Körper viel zu groß und viel zu schwer wirkte. Klein und schwächlich war das Tier, seine Ohren aber lang wie kleine Flügel. Die Stirn war noch rund wie bei den meisten Fohlen. Nein, man konnte nicht sagen, daß dieses Fohlen schön war.

      „Willst du sie auch wirklich haben?“ fragte Madeleine vorsichtig. „Oder sollen wir sie lieber verkaufen?“

      Da spürte ich eine Welle von Zärtlichkeit für dieses eckige, kleine Fohlen in mir aufsteigen. Dieses Fohlen glich nicht dem Pferd meiner Träume, aber es gehörte mir! Ich öffnete die Tür der Box. Gazelle stand still da und sah uns an. Aber als ich in die Box trat, verkroch sich das Fohlen erschrokken unter dem Bauch der Mutter. Ich redete nun ganz leise und liebevoll mit den beiden, und das Kleine schaute doch tatsächlich vorsichtig, immer noch von Gazelle geschützt, zu uns. Als ich eine Hand vorstreckte, um es zu streicheln, fuhr es heftig zusammen und zappelte mit allen vier Beinen, daß es plötzlich hilflos in das Stroh fiel.

      „Das wird eine kleine Kratzbürste“, sagte Madeleine lachend. „Aber jetzt sollten wir die beiden wieder zur Ruhe kommen lassen. Wenn morgen schönes Wetter ist, lasse ich sie eine Weile ins Freie. Hast du es sehr eilig, oder kommst du noch mit auf eine Tasse Tee, ehe du zurückreitest? Du kannst Silber inzwischen ein wenig Heu geben!“

      Oben im Haus begrüßten uns die beiden großen schwarzen Hunde, Bamse und Rascal, mit lautem, fröhlichem Gebell. Sie rissen uns vor Begeisterung beinahe um und sprangen unermüdlich um uns herum, denn sie wollten geklopft und gekrault werden, eher ließen sie sich nicht auf ihren Platz in der Küche nieder. Dann half ich Madeleine den Teetisch decken und stellte den Brotkorb zurecht.

      „Ich habe leider nur gekauftes Brot da“, sagte sie. „Aber bitte bediene dich, es schmeckt trotzdem! Karin und Tove bieten stets Selbstgebackenes an. Ich begreife nicht, wie sie das schaffen. Wie kommt Tove übrigens mit dem Hengst Hoffmann zurecht? Hast du sie in der letzten Zeit gesehen?“

      „Ja, und ich glaube, es geht alles tadellos. Dieses Pferd paßt eben zu Tove“, erzählte ich. „Und Göran war bestimmt froh, daß er Hoffmann verkaufen konnte. Nun hat er auch für Pierina einen Käufer gefunden, weißt du das schon?“

      „Ja, es spricht sich herum. Dann sind aber für dich nicht mehr viele Reitpferde auf den Hof?“

      „Nein, wirklich nicht“, antwortete ich traurig. „Sicher, Hoffmann war zu groß und zu schwer für mich. Trotzdem war es interessant, manchmal auf ihm zu reiten und mit ihm zu arbeiten. Tove half mir meist dabei, und dadurch hat sie wohl ihre Liebe zu ihm entdeckt! Pierina ist ja ziemlich verrückt. Nie weiß man, was sie im nächsten Augenblick vorhat. Ich kann ihr sprunghaftes Wesen nicht so recht verstehen. Trotzdem machte es mir viel Spaß, sie zu reiten. Nun hat sie also ein Junge aus dem Nachbardorf gekauft, besser gesagt: sein Vater.“

      „Bist du noch gern bei Göran?“ fragte Madeleine nachdenklich.