einigem Nachdenken. „Sie sind beide so herzensgut. Nie gibt es Streit im Hause, und ich darf völlig nach meinem Gutdünken und nach meiner Zeitplanung arbeiten, aber … ich weiß nicht recht! Es ist alles so anders geworden. Du weißt doch, daß Göran sich diesen Traber-Hengst angeschafft hat. Ich habe immer mehr den Eindruck, als wolle er sich ernstlich und ausschließlich mit Trabern beschäftigen. Er plant, im Frühjahr mehrere Stuten zu kaufen, die dann gedeckt werden sollen und auf dem Hof bleiben werden, bis Sie im nächsten Frühjahr fohlen. Ich bin überzeugt, daß Göran ganz bestimmte Pläne hat.“
Traber sind Rennpferde, die nicht geritten, sondern vor einen Wagen gespannt werden. Diese Wagen nennt man Sulky. Bei Trabrennen dürfen die Pferde nur traben. Wenn sie galoppieren, ist es ein grober Fehler, und sie scheiden aus.
„Vermutlich wird er auch fremde Traber-Stuten in Pflege nehmen“, sagte Madeleine. „Das kann sich allerdings gut bezahlt machen.“
„Aber es macht nicht viel Spaß“, hielt ich ihr entgegen. „Ich meine, wenn man an Trabern eben nicht interessiert ist. Schon jetzt kommen an den Wochenenden und an den Feiertagen viele Pferdebesitzer zu uns, um nach ihren Stuten und Jungpferden zu sehen, und es wird pausenlos über Traber geredet. Traber-Resultate, Traber-Tips, Rekordzeiten, Rekordspannen zwischen Einsatz und Gewinn … ständig geht es nur um Geld! Soll ich ehrlich sein? Langsam erscheint es mir recht trostlos, immer nur jeden Morgen die Pferde auf die Weide zu führen, die Boxen zu säubern und abends die Tiere wieder ins Haus zu holen. Irgendwie wird es monoton.“
Ich goß mir eine frische Tasse Tee ein und redete dann gleich weiter. Nun war ich einmal dabei, mein Herz auszuschütten, und es war schön, jemanden zu haben, der zuhörte.
„Ich finde eben, man bekommt dadurch zu wenig Kontakt mit den Pferden. Was mir vorschwebt, ist, mich wirklich der Reiterei und den Reitpferden zu widmen! Vielleicht einmal als Lehrerin in einer Reitschule. Irgend so etwas muß doch möglich sein. Aber glaube jetzt bitte nicht, ich hielte mich für eine hervorragende Reiterin. Aber Anfängern die Grundbegriffe der Reitkunst beizubringen, das traue ich mir schon zu!“
„Apropos Reitschule“, ging Madeleine sofort auf meine Gedanken ein, „gerade gestern bekam ich einen Brief von meiner Freundin Kicki. Sie lebt in Dalen, und dort haben sich einige junge Leute zusammengefunden und bauen einen alten Stall um. Kicki und ihr Freund arbeiten fest mit, denn sie wollen im Sommer eine Reitschule eröffnen. Sie schreibt mir, ich solle sie einmal besuchen – und das will ich auch tun!“
„Das klingt einfach herrlich“, sagte ich, und Madeleine hörte bestimmt die Sehnsucht in meiner Stimme. „Ein Stall voller Reitpferde, das ist schon etwas anderes als ein Stall mit Trabern …“
„Fahre doch mit mir“, schlug Madeleine vor. „Ich fände es schön, wenn wir gemeinsam fahren könnten.“
„Gern, furchtbar gern!“ antwortete ich glücklich.
Der Reitklub
Es war ein Sonntagmorgen. Ich hatte frei und übte auf Silber eben Schenkelweichen im Trab. Während Göran mit dem Besitzer eines Trabers verhandelte, kam Madeleine mit ihrem kleinen Auto angefahren. Auf den Hintersitzen ihres Wagens drängten sich ihre großen Hunde. Madeleine sprang aus dem Wagen und winkte mir zu. Ich gab Silber lange Zügel und kam ihr im Schritt entgegen.
Schenkelweichen
Beim Schenkelweichen muß das Pferd seine Beine über Kreuz setzen. Durch diese Übung bekommt es ein besseres Gleichgewicht und wird geschmeidiger.
„Du bist hart an der Arbeit, wie ich sehe!“ begrüßte sie mich fröhlich. Ich klopfte meinem braven Silber den Hals.
„Heute war er tüchtig“, lobte ich ihn. „Es ist sonderbar, manchmal scheint er furchtbar gelangweilt und lustlos beim Schulreiten, aber heute war mir, als hätte Silber richtig Freude daran gehabt.“
Wir waren vor der Stalltür angekommen, und ich ließ mich aus dem Sattel gleiten.
„Für heute reicht es wohl! Wie geht es unserem kleinen Fohlen?“
Madde lachte. „Oh – es wird von Tag zu Tag munterer und frecher! Heute drehte es mir das kleine Hinterteil zu und schlug heftig nach mir aus, als ich Gazelle aus dem Stall führte. Ich glaube, dieses kleine Stutenfräulein hat Temperament! Du kannst dich auf allerhand gefaßt machen, wenn du einmal mit ihr zu arbeiten beginnst. Sie ist ein rechter Bösewicht!“
Ich ließ mich nicht beunruhigen: „Wenn ich nur öfters Zeit hätte, zu dir zu reiten, um mich mit ihr zu beschäftigen“, sagte ich. „Alles ist ja viel leichter, wenn man junge Pferde zeitig an das Halfter gewöhnt und wenn man sie täglich selbst ausführt!“
„Hör mal“, unterbrach mich Madeleine, „könntest du Silber heute ganz schnell versorgen? Du mußt wissen, ich bin auf dem Wege zu Kicki, meiner Freundin, von der ich dir schon erzählt habe. Vielleicht könntest du mitkommen?“
Wenig später saßen wir nebeneinander im Auto und nahmen Kurs nach Norden.
„Wie weit ist es eigentlich?“ wollte ich wissen. Gleichzeitig versuchte ich, mir Bamse vom Leib zu halten, denn sein warmer Atem kitzelte mich am Hals.
„Etwa siebzig oder achtzig Kilometer. Wir müssen richtig aufs Land hinausfahren, und wenn man Kicki glauben darf, soll es ein bezaubernd schönes Fleckchen Natur sein.“
„Und wie viele Pferde haben sie?“
Ganz genau konnte Madeleine diese Frage nicht beantworten, sie meinte aber, im Umkreis gebe es nicht nur viele Reitpferde, sondern auch Ponys, die alle zu dem Reitstall gebracht werden sollten, sobald dieser fertiggestellt wäre.
„Kicki behauptet ja, sie würden von früh bis spät nur hämmern und sägen.“
Nachdem wir etwa eine Stunde auf der großen Autostraße gefahren waren, bogen wir nach rechts in einen schmalen Schotterweg ein.
„Hoffentlich stimmt es, ich bin nicht ganz sicher“, sagte Madeleine. „Aber in dieser Richtung müßte der alte Gutshof liegen.“
Zunächst fuhren wir etliche Kilometer über Acker- und Wiesenwege. Bald tauchten ältere Bauernhöfe auf, von denen manche völlig unbewohnt wirkten.
„Schau nur: dort sehe ich ein Pferd!“ rief ich plötzlich und zeigte über das Feld vor uns. Drüben am Waldrand stand ein kräftiges Pferd mit gelblichem Fell. Es konnte ein Fjordpferd sein. Immerhin etwas, dachten wir und faßten Mut. Und wirklich, nach einer weiten Kurve hatten wir unser Ziel erreicht! Ein altes Gebäude, rot gestrichen, lag vor uns. Es machte den Eindruck, als sei es sehr lange unbewohnt gewesen, denn es war von einem verwilderten Garten umgeben, in dem nur alte, vertrocknete Kirschbäume standen, die ihre dürren Äste der schwachen Frühlingssonne entgegenstreckten. Dann entdeckten wir ein weißgetünchtes Stallgebäude, vor dem drei oder vier Autos geparkt waren. Gleich darauf jagte ein silbergrauer Pudel an uns vorbei hinter einer Ziege her, die mit rotgestrichenen Hörnern das Weite suchte. Auf einem Feld, schräg hinter dem Haus, waren mehrere Leute damit beschäftigt, einen soliden Zaun mit Gattertor aufzubauen.
Wir bogen auf den weiten Platz ein und stellten unser Auto neben den anderen ab. Sobald Madde den Motor abgestellt hatte, klangen die Hammerschläge deutlich zu uns herüber, dazwischen aber auch Stimmen aus dem Inneren des Stallgebäudes. Irgend jemand schlug das Tor des roten Hauses mit lautem Knall zu, und im selben Augenblick kam ein braun-weiß geschecktes Shetlandpony gemütlich um die Hausecke getrabt und betrachtete uns mit neugierigen Augen und gespitzten Ohren.
„Schau nur an, es läuft ja ganz frei herum!“ rief ich begeistert aus. „Das ist doch herrlich!“
Das Pony kam uns entgegen, als gehöre ihm ganz allein der alte Stall. Langsam und bedächtig kam es auf seinen kurzen kräftigen Beinen daher und ließ sich willig den Hals klopfen und die Mähne kraulen.
„Madde! Madeleine! Wie schön, daß ihr da seid!“
Ein