Christoph Bausenwein

Joachim Löw und sein Traum vom perfekten Spiel


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früher mit seiner Trainerausbildung begonnen.

      Der Vorgänger von Jürgen Sundermann, Lothar Buchmann, arbeitete inzwischen bei der Frankfurter Eintracht. Er hatte Löw schon zu seiner Zeit beim VfB als entwicklungsfähiges Talent ins Auge gefasst und holte ihn nun als Leihspieler. Das Geld für einen Kauf besaß der amtierende deutsche Pokalsieger nicht, den damals immense Schulden drückten. Buchmann stellte Löw als möglichen Nachfolger für Bernd Hölzenbein vor, den Weltmeister von 1974. Der Schwarzwälder sei ein schneller und trickreicher Offensivspieler mit Torriecher, behauptete er. Und er wagte sogar einen direkten Vergleich: »Ein Talent wie Allgöwer.« Das war eine gewaltige Hypothek. Und nicht wenige Beobachter in Frankfurt waren skeptisch. Umso erstaunlicher war es, dass er in der Vorbereitung durchaus zu überzeugen wusste. In einem mit 6:1 gewonnenen Testspiel gegen eine Auswahl St. Margarethen/Höchst erzielte er respektable vier Treffer, gegen AS St. Etienne in Paris zeigte er ebenfalls eine ansprechende Leistung. Die »Abendpost« schrieb: »Joachim Löw trug als zweite Sturmspitze Bernd Hölzenbeins hinterlassene Nummer 7. Eifrig, fleißig, immer bereit, sich anzubieten, und immer gewillt, den Ball sofort wieder abzugeben, bemühte Löw sich an die neue Umgebung zu gewöhnen.« Trainer Buchmann sah sich in seiner Einschätzung bestätigt: »Ich habe immer an Löw geglaubt und ich wusste, dass er genau in unser Frankfurter Konzept passen würde. Deshalb habe ich mich für ihn stark gemacht.« Löw selbst war ebenfalls zuversichtlich: »Das komplizierte, vertrackte Passspiel der Frankfurter liegt mir. Ich bin kein Dauerläufer. Ich hab’ den Ball lieber flach, passe mich den Nebenleuten an, gehe auf ihre Ideen ein, wenn ich so viel Verständnis wie von meinen neuen Kameraden finde.«

      Aber würde er dem harten Bundesliga-Alltag gewachsen sein? Im Vorbericht der »Bild« zum ersten Saisonspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern meinte der Neu-Frankfurter: »Ich konzentriere mich zwar auf das Spiel, habe mir auch schon ausgemalt, wie ich gegen Kaiserslautern ein Tor schießen könnte, aber ein Hölzenbein-Trauma gibt’s bei mir nicht. Ich bin nicht der Holz. Ich bin der Löw.« Tatsächlich erzielte er im Spiel gegen die »Roten Teufel« (Endstand 2:2) die 1:0-Führung. »Bei meinem Tor hab’ ich nicht überlegt, sondern einfach draufgehalten«, berichtete er in seinem ersten Interview als Bundesliga-Torschütze. Sein Trainer war begeistert von dem feingliedrigen Stürmer. Der Jogi sei »eine echte Verstärkung«, meinte er, man werde »noch viel Freude« an ihm haben. Bei Lothar Buchmann, im Vergleich zum Disziplinfanatiker Sundermann ein eher väterlicher Trainer, schien Löw in guten Händen. Doch der stets etwas schüchtern wirkende 21-Jährige sollte in der Folgezeit kaum einmal besonders auffällig werden, obwohl er meist in der Startelf stand. Ab und zu deutete er seine Qualitäten an, meist aber bewies er wenig Durchsetzungsvermögen. Da auch seine Kondition zu wünschen übrig ließ, wurde er fast immer ausgewechselt – ob im Europapokal gegen Saloniki, im DFB-Pokal gegen Brunsbüttel oder in der Bundesliga. Erst am 10. Spieltag, beim 2:1 gegen Bielefeld, gelang ihm wieder ein Treffer. Doch auch in diesem Spiel hatte er nicht wirklich überzeugt. Er müsse mehr aus sich machen, insisistierte der Trainer, vor allem müsse er zweikampfstärker werden.

      Löw schien sich diese Kritik zu Herzen zu nehmen. Er traf beim 2:3 im Auswärtsspiel in München gegen die Bayern und beim folgenden 3:1-Heimspielsieg gegen Bayer Leverkusen. Sein Treffer gegen die Werkself war sehenswert: Auf Höhe der Mittellinie schnappt er sich den Ball, setzt zu einem fulminanten Spurt an, zieht dann aus 20 Metern satt ab – und die Kugel zischt in den Winkel. Mit drei Treffern in drei aufeinanderfolgenden Spielen schien Löw auf dem besten Weg, sich in der Bundesliga durchzusetzen. Aber es war nur ein Strohfeuer. Er kam in dieser Saison noch zu 13 weiteren Einsätzen, ins Netz traf er jedoch nur noch ein einziges Mal. Beim 4:2 gegen den 1. FC Köln am 21. Spieltag verwandelte er einen Elfmeter.

      Seine Bilanz nach einem Jahr Frankfurt fiel somit recht mager aus: 24 Bundesligaspiele, nur drei davon über die volle Distanz, fünf Tore. Es zeichnete sich immer deutlicher ab, dass sein Talent für die Bundesliga nicht ausreichen würde. Er war zu langsam und zu wenig durchsetzungsfähig, zudem vor dem Tor insgesamt zu harmlos. Zum Ende der Saison wurde er nicht einmal mehr bei Freundschaftsspielen berücksichtigt. Als er während einer Bundesligapause im März 1982 in Kassel zur Halbzeit ausgewechselt wurde, soll er sich frustriert in der Kabine eingeschlossen haben. Womöglich hatte er sich bei der Eintracht am Ende doch zu wenig angestrengt, sollte er Jahre später einräumen. Letztlich habe sein Scheitern in Frankfurt »schon irgendwie« an ihm selbst gelegen, da wolle er »nichts beschönigen«.

      Im Juni 1982 kam folgerichtig die Zurückstufung. Ein frustrierter Joachim Löw kehrte wieder zurück in die 2. Liga zum SC Freiburg, der für seinen nun als erstliga-untauglich abgestempelten Ex-Spieler immerhin noch 350.000 DM auf das Konto der Eintracht überwies. Die Investition lohnte sich. Unter dem ehemaligen Bayern-Spieler Werner Olk, den die Breisgauer eben erst als neuen Trainer verpflichtet hatten, bekam der jetzt mit reiferer Spielanlage überzeugende Offensivspieler sein Selbstvertrauen zurück. Joachim Löw avancierte zum Spielgestalter und entscheidenden Mann beim SC. Am Ende seiner ersten Saison hatte er sämtliche 34 Spiele bestritten und acht Tore geschossen. 1983/84, nun unter dem Trainer Fritz Fuchs, lief er zu noch größerer Form auf: Ihm gelangen in 31 Spielen 17 Tore. Er war damit, als Mittelfeldspieler, der beste Torschütze seines Teams und der fünftbeste in der Liga. Nun stand fest: In der 2. Liga konnte er bestehen, von seinen fußballerischen Möglichkeiten her und auch als Torjäger. Dort konnte er seine Technik ausspielen, die er in der höchsten Spielklasse wegen seiner körperlichen und kämpferischen Defizite nicht so zur Geltung hatte bringen können.

      Weil sein Ex-Trainer Werner Olk große Stücke auf ihn hielt, bekam er dann doch noch einmal eine Chance in der 1. Liga. Olk war nach seiner Freiburger Zeit beim Karlsruher SC gelandet und hatte einen Nachfolger für den nach respektablen 19 Saisontreffern zu Borussia Dortmund abgewanderten Stürmer Wolfgang Schüler gesucht. Olk hoffte, dass der junge Freiburger Torjäger ähnlich erfolgreich sein könnte wie der alte. Und Joachim Löw sprühte nach seiner erfolgreichen Zweitliga-Saison nur so vor Tatendrang. »Ich freue mich riesig, wieder in die Bundesliga zu kommen«, kommentierte er sein neues Engagement beim Aufsteiger. Er war nun 24 Jahre alt und wollte jetzt, im dritten Versuch, den Durchbruch endlich schaffen. Aber es sollte wieder nicht klappen. Er kam zwar zu 24 Einsätzen, meist aber war er nur Einwechselspieler. Klägliche zwei Treffer sprachen nicht für seine Torjägerqualitäten. Wie das gesamte Team konnte Löw unter Erstklassigen nur zweitklassig spielen. Der KSC stieg ab, und da nun sowieso wieder 2. Liga anstand, wechselte er erneut zurück in seine Heimat zum SC Freiburg.

      Nach diesem dritten gescheiterten Versuch, in der Bundesliga Fuß zu fassen, war es an der Zeit, die großen Hoffnungen und Erwartungen, mit denen er seine Karriere gestartet hatte, endgültig zu begraben. »Ich war als Spieler sehr ehrgeizig, ich wollte den Sprung nach ganz oben schaffen«, sagt Joachim Löw zu seiner durchwachsenen Fußballerkarriere. »Ich habe drei Anläufe genommen, um mich in der ersten Bundesliga zu etablieren. Dann musste ich trotzdem das Handtuch werfen. Ich habe gemerkt, dass es nicht ganz reicht. Technisch war ich gut, aber mir hat die Schnelligkeit gefehlt. Das war enttäuschend für mich, als Spieler musste ich einige Tiefs durchmachen.« Vielleicht fehlte ihm neben der körperlichen Robustheit auch ein wenig das Selbstvertrauen und das rechte Kämpferherz.

      »Ich habe mich dann auf die 2. Liga eingestellt und mich dort durchgesetzt«, beschreibt er mit einem etwas resigniert klingenden Stolz seine weitere Karriere. Freiburg und 2. Liga: Das war sein Milieu und seine Kragenweite. 1985/86, als der SC in akute Abstiegsgefahr geriet, bewährte er sich auch unter erschwerten Bedingungen. Zwei Trainer – Anton Rudinsky und Jupp Berger – hatten sich bereits erfolglos um eine Stabilisierung des SC-Spiels bemüht, aber das Abrutschen auf einen Abstiegsplatz nicht verhindern können. Als Freiburgs Präsident Achim Stocker vor dem 23. Spieltag den ehemaligen Spieler und Ex-Obmann Horst Zick als »Retter« in höchster Not verpflichtete, schien der Abstieg kaum mehr vermeidbar. Doch mit Zick und dank der Tore des Zweitliga-Knipsers Löw sowie des pfeilschnellen Senegalesen Souleymane Sané (insgesamt 12 bzw. 18 Treffer) gelang die Rettung. Bereits mit dem Rücken an der Wand stehend, gewann der SC sein Heimspiel gegen den FC Homburg durch ein Löw-Tor mit 1:0. Vor dem letzten Spieltag lagen die Breisgauer