erfolgreicher Trader ist Realist. Er kennt seine Fähigkeiten und seine Grenzen. Er sieht das Marktgeschehen und weiß, wie er darauf reagieren muss. Er analysiert die Märkte nüchtern, beobachtet sich selbst und macht realistische Pläne. Illusionen kann sich ein professioneller Trader nicht leisten.
Wenn ein Amateur ein paar Rückschläge einstecken muss und Nachschussforderungen erhält, schlägt seine Stimmung von übermütig in ängstlich um und er beginnt, seltsame Ideen über die Märkte zu entwickeln. Verlierer folgen beim Kaufen, beim Verkaufen oder beim Meiden von Trades ihren fantastischen Vorstellungen. Sie benehmen sich wie Kinder, die sich davor fürchten, einen Friedhof zu betreten, oder die aus Angst vor Gespenstern abends unter ihr Bett schauen. Das unstrukturierte Umfeld des Marktes macht es einem leicht, Fantasien zu entwickeln.
Die meisten Menschen, die in der westlichen Welt aufwachsen, haben mehrere ähnliche Fantasien. Diese sind derart weitverbreitet, dass es zu meiner Studienzeit am New York Psychoanalytic Institute einen Kurs namens „Universelle Fantasien“ gab. So haben beispielsweise viele Kinder die Fantasie, sie seien adoptiert worden, und erklären sich so die unfreundliche, unpersönliche Welt. Das ist für das Kind zwar tröstlich, aber es verhindert, dass es sich einer Realität bewusst wird, die es lieber nicht sehen möchte – dass seine Eltern so gut gar nicht sind. Unsere Fantasievorstellungen wirken sich auch dann auf unser Verhalten aus, wenn wir uns ihrer nicht bewusst sind.
In Gesprächen mit Hunderten von Tradern habe ich ein paar universelle Fantasievorstellungen immer wieder zu hören bekommen. Diese verzerren die Wirklichkeit und behindern den Trading-Erfolg. Ein erfolgreicher Trader muss seine Fantasien erkennen und sich ihrer entledigen.
Der Wissens- oder Intelligenzmythos
Verlierer, die unter dem Wissensmythos leiden, erklären einem: „Ich habe verloren, weil ich gewisse Trading-Geheimnisse nicht kannte.“ Viele haben die Fantasievorstellung, erfolgreiche Trader besäßen irgendein geheimes Wissen. Diese Fantasievorstellung trägt dazu bei, dass sich ein lebhafter Markt für Beratungsdienstleistungen und vorgefertigte Handelssysteme halten kann.
Ein demoralisierter Trader reizt womöglich seine Kreditkarte aus, um sich den Zugang zu „Handelsgeheimnissen“ zu kaufen. Vielleicht überweist er einem Scharlatan 3.000 Euro für ein „unfehlbares“ Computer-Handelssystem, das Backtests unterzogen wurde. Hat sich dieses System selbst zerstört, zückt er seine fast völlig ausgereizte Kreditkare erneut und kauft sich eine „wissenschaftliche Anleitung“, die ihm erklärt, wie er dadurch seinen Verlusten ein Ende setzen und stattdessen Gewinne erzielen kann, dass er den Mond, die Sterne oder gar Uranus betrachtet.
In einem Investmentklub, den es früher in New York gab, begegnete ich öfter einem berühmten Finanzastrologen. Er bat oft um kostenlosen Zutritt, weil er sich das bescheidene Eintrittsgeld für die Sitzung und eine Mahlzeit nicht leisten konnte. Seine wichtigste Einnahmequelle ist nach wie vor das Geld, das er von hoffnungsvollen Amateuren für astrologische Börsenprognosen kassiert.
Solchen Losern ist nicht klar, dass Trading intellektuell gesehen recht einfach ist. Es ist längst nicht so anspruchsvoll wie eine Blinddarmoperation, die Errichtung einer Brücke oder das Führen einer Gerichtsverhandlung. Gute Trader sind gewieft, aber nur wenige sind Intellektuelle. Viele haben nicht studiert und manche haben die Highschool abgebrochen.
Oft fühlen sich intelligente, fleißige Menschen, die beruflich erfolgreich sind, zum Trading hingezogen.
Aber warum scheitern sie dabei so oft? Das, was die Gewinner von den Verlierern unterscheidet, ist weder Intelligenz noch sind es Geheimnisse und ganz sicher ist es nicht die Bildung.
Der Mythos des Kapitalmangels
Viele Verlierer meinen, sie würden erfolgreich traden, wenn sie ein größeres Depot hätten.
Die Menschen ruinieren ihre Depots entweder durch eine Serie von Verlusten oder durch einen einzigen abgrundtief schlechten Trade. Es kommt oft vor, dass der Markt, nachdem die Position eines Verlierers geschlossen wurde, weil er eine Nachschussforderung nicht erfüllen konnte, dreht und sich in die Richtung entwickelt, die der Verlierer erwartet hatte. Nun schäumt er vor Wut – hätte er nur eine Woche länger überlebt, hätte er, statt zu verlieren, ein Vermögen verdient!
Solche Menschen schauen sich Trendwenden, die zu spät gekommen sind, an und meinen, diese würden ihre Trading-Methode bestätigen. Vielleicht gehen sie dann wieder ihrer Arbeit nach und sparen sich genug Geld zusammen oder sie leihen sich Geld, um wieder ein kleines Depot zu eröffnen. Und die Geschichte wiederholt sich: Der Verlierer wird ausradiert, der Markt dreht und „beweist“, dass er richtiggelegen hatte, wenn auch zu spät – wieder wurden seine Papiere verkauft. Nun wird eine Fantasievorstellung geboren: „Wenn ich nur ein größeres Depot gehabt hätte, dann hätte ich mich länger halten können und hätte gewonnen.“
Manche Verlierer beschaffen sich bei Freunden und Verwandten Geld, indem sie ihnen eine schriftliche Erfolgsbilanz vorlegen. Diese scheint zu belegen, dass sie große Gewinne erzielt hätten, wenn sie bloß mehr Geld gehabt hätten, mit dem sie hätten arbeiten können. Aber auch das zusätzliche Geld, das sie sich beschaffen, verlieren sie wieder – als würde der Markt sie auslachen!
Einem Verlierer mangelt es nicht an Kapital, sondern an Verstand. Ein Verlierer kann ein großes Depot fast genauso schnell vernichten wie ein kleines. Ein Bekannter von mir hat einmal an einem Tag mehr als 200 Millionen Dollar in die Luft gejagt. Sein Broker liquidierte sein Depot – und dann drehte der Markt. Er verklagte den Broker und sagte zu mir: „Hätte ich doch nur ein größeres Depot …“ Ein Depot mit 200 Millionen Dollar hatte offenbar nicht gereicht.
Das eigentliche Problem eines Verlierers ist nicht die Größe des Depots, sondern dass er sich übernimmt und schlampiges Money-Management betreibt. Er geht Risiken ein, die für sein Depot – mag es klein oder groß sein – zu groß sind. Egal, wie gut sein System auch sein mag, ein paar schlechte Trades hintereinander treiben ihn garantiert in den Bankrott.
Amateure rechnen nicht mit Verlusten und sind nicht auf den Umgang mit Verlusten vorbereitet. Sich über zu wenig Kapital zu beklagen ist eine Ausrede, mit der sie sich vor zwei schmerzlichen Wahrheiten drücken: Sie haben keinen realistischen Money-Management-Plan und es mangelt ihnen an Disziplin.
Ein Trader, der überleben und gedeihen will, muss seine Verluste kontrollieren. Das macht man, indem man für jeden einzelnen Trade nur einen kleinen Bruchteil seines Kapitals einsetzt (siehe Kapitel 9, „Risikomanagement“). Lernen Sie aus wenig kostspieligen Fehlern in einem kleinen Depot!
Einen Vorteil hat ein großes Trading-Depot allerdings: Die Kosten für Ausrüstung und Dienstleistungen machen dann einen kleineren Teil des verfügbaren Geldes aus. Wer ein Vermögen von einer Million besitzt und 5.000 Euro für Kurse ausgibt, steht dadurch nur ein halbes Prozent im Minus. Die gleiche Ausgabe würde für einen Trader, der 20.000 Euro im Depot liegen hat, tödliche 25 Prozent bedeuten.
Der Mythos des Autopiloten
Trader, die an den Mythos des Autopiloten glauben, sind überzeugt, das Streben nach Wohlstand lasse sich automatisieren. Manche Menschen versuchen, selbst ein automatisches Handelssystem zu entwickeln, andere kaufen sich solche Systeme bei entsprechenden Anbietern. Menschen, die jahrelang ihre Fähigkeiten als Rechtsanwälte, Ärzte oder Geschäftsleute verfeinert haben, legen Tausende Euro für Kompetenzkonserven hin. Meistens verleitet sie Gier, Faulheit und mathematische Unterbelichtung dazu.
Früher wurden Systeme auf Papier verbreitet, heutzutage lädt man sie auf einen Computer herunter. Manche sind primitiv, andere sind ausgeklügelt und beinhalten Optimierungsregeln und sogar Regeln für das Money-Management. Viele Trader geben Tausende Euro für die Suche nach einem Zaubermittel aus, das ein paar Seiten Programmcode in einen endlosen Geldstrom verwandelt. Wer Geld für automatische Handelssysteme ausgibt, macht es wie