Katherine V. Forrest

Wüstenfeuer


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Kaffee entgegen. Walcott meinte offenbar, erst die üblichen höflichen Nachfragen und Nettigkeiten austauschen zu müssen, ehe sie ansprach, weswegen sie gekommen war.

      Sie musterte Kate mit den verschatteten, ausdruckslosen Augen eines Cops im Dienst. »Wie ist es Ihnen ergangen, Kate?« Doch ehe Kate antworten konnte, fuhr Walcott fort: »Ach, ich sollte es besser wissen, als einem Detective eine so nichtssagende Frage zu stellen. Was haben Sie in letzter Zeit unternommen?«

      Kate hätte die erste Frage entschieden bevorzugt – es war eine Frage, auf die sie mit allen möglichen Platitüden hätte antworten können. »Ach, nichts Besonderes, wissen Sie. Ich bin ein bisschen herumgereist, ich habe Schlaf nachgeholt, gelesen, einfach entspannt und es ruhig angehen lassen.« Einiges davon stimmte. Sie war in Big Bear gewesen und hatte jede Menge Bücher verschlungen. Mit einer vagen Geste wies sie um sich. »Es gab hier einiges zu tun, und das habe ich gemacht. Neuer Teppichboden, die Wände gestrichen …«

      In Wirklichkeit waren die Veränderungen weit radikaler gewesen. Von den Wohnzimmermöbeln hatte sie nur den Ruhesessel behalten und die beruflichen Erinnerungsstücke, die an den Wänden hingen. Das Schlafzimmer war komplett neu, bis auf ihre Kleidung; alles andere in dem Raum war ersetzt worden – einschließlich des Radioweckers. Im Arbeitszimmer war bis auf ihren Computer und den Drucker alles neu. Selbst die Barhocker am Frühstückstresen waren ausgetauscht worden. Kate hatte keine andere Möglichkeit gesehen – sie war an einem Punkt gewesen, an dem sie es nicht mehr ertrug, ihr Zuhause zu betreten, und die Wohnung zu verkaufen hatte sie nicht über sich gebracht. Sie brauchte ihre Wohnung. Sie war das einzige Vertraute und Verlässliche in ihrem Leben, das ihr noch geblieben war.

      »Schön«, sagte Walcott. »Sie haben eine sehr schöne Wohnung, Kate.«

      »Danke«, erwiderte Kate und spielte den Ball gleich wieder zurück. »Und Sie, Captain? Wie läuft die Verbrecherjagd?«

      »Wir lösen jeden Fall, und in den Augen der dankbaren Bevölkerung sind wir die reinsten Helden.«

      Die beiden Frauen schmunzelten komplizinnenhaft. Der Druck, Fälle aufzuklären, war von jeher gnadenlos, und die Kritik seitens der Öffentlichkeit, wenn nicht gar unverhohlene Geringschätzung der Strafverfolgungsbehörden, war stete Begleiterin in allen neunzehn Polizeidirektionen, die in Kürze auf einundzwanzig erweitert werden würden. Walcott nahm sich eine der kleinen Papierservietten, legte sie um einen Hafertaler und lehnte sich auf Kates Ledersofa zurück, den Kaffee in der einen Hand, das Plätzchen in der anderen. »Bislang sind es nur Mutmaßungen, aber es könnte sein, dass die Direktion West Einsatzkräfte an Mitte und Süd abgeben muss.«

      Kate hob erstaunt die Brauen. Sie fühlte sich geschmeichelt, dass Walcott ihr etwas aus den Strategiesitzungen der Führungsetage erzählte, noch dazu eine unbestätigte Nachricht diesen Ausmaßes. Als Kates Vorgesetzte in der Wilshire Division hatte Carolina Walcott nie ein Blatt vor den Mund genommen; sie war schonungslos offen gewesen, manchmal derb und hatte ihre Detectives oft mehr als schroff behandelt. Aber abgesehen von einigen herablassenden allgemeinen Äußerungen hatte sie ihre Ansichten über die Politik des LAPD für sich behalten, und somit bedeutete diese Enthüllung, dass sie Kate wichtige, vertrauliche Informationen offenbarte. »Der neue Chief ist ein mutiger Mann«, erlaubte Kate sich zu sagen.

      Walcott grinste. »Mutig? So kann man es auch nennen. Wie einfach ist es, Einsatzkräfte zu verlagern, wenn man fünfunddreißigtausend hat, um eine Stadt wie New York abzudecken? Er wird früh genug herausfinden, wie es ist, weniger als zehntausend über die fünfhundert Quadratmeilen von L.A. umzuverteilen.« Walcott biss ein Stück von ihrem Hafertaler ab, verspeiste es genüsslich und trank einen Schluck Kaffee hinterher.

      Was will sie von mir? In Kates Kopf überschlugen sich die Möglichkeiten. Irgendeine gravierende neue Entwicklung in einem meiner alten Fälle? Nein, dann hätte sie mich einfach angerufen. Ein Einsatz? Unmöglich.

      Walcott fügte hinzu: »Warten Sie nur, bis die Leute, die glauben, sie verdienten besseren Schutz, herausfinden, dass ein beträchtlicher Teil der Einsatzkräfte für Menschen abgezogen wurde, die sie als weit unter sich betrachten.«

      Noch während Kate über diese Bemerkung lächelte, begriff sie, dass Walcotts ungewohnte Freimütigkeit, was die internen Strategieüberlegungen des LAPD anging, auch Kates veränderten Status widerspiegelte – sie war draußen, sie war keine Insiderin mehr, sie war vom Strom der Gerüchte abgeschnitten. Nichtsdestotrotz freute sie sich, dass Walcott ihr diese Information anvertraut hatte. »Glauben Sie, dass das passieren wird?«

      »Zweifelsohne. Er ist, wie Sie sagten, ein mutiger Mann. Und anders als gewisse Menschen, die wir kennen, hat er kein Interesse daran, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren.«

      Amüsiert rief Kate sich die Ambitionen eines früheren Polizeichefs in Erinnerung. Sie nahm ihre Kaffeetasse und lehnte sich in ihrem Sessel zurück; sie genoss das reiche Aroma und die heiße herbe Note des Kaffees, wünschte sich aber dennoch, er wäre mit einem Schuss Scotch angereichert. Sie erwiderte nichts auf Walcotts letzte Bemerkung; sie hatte beschlossen, die Konversation von sich aus nicht fortzuführen. Sie wollte erfahren, was Walcott mit diesem Besuch bezweckte.

      Walcott trank einen weiteren Schluck Kaffee. Und fragte dann: »Haben Sie in letzter Zeit von Cameron gehört?«

      Eine weitere höfliche Nachfrage. Aber diese traf einen wunden Punkt. Kate wollte Walcott jedoch nicht wissen lassen, wie abgeschnitten sie sich von Joe Cameron fühlte, wie sehr ihr früherer Partner sie durch seine mangelnde Rückmeldung verletzt hatte, und so antwortete sie leichthin: »In letzter Zeit nicht.« Und fügte dann hinzu: »Aber er hat sich, abgesehen von seinem Urlaub, auch krankschreiben lassen.« Das wusste ihr Gegenüber natürlich längst.

      Walcott nickte. Ihr Blick war abwägend auf Kate geheftet. »Hat er erwähnt, dass ich ihn angewiesen habe, sich arbeitsunfähig zu melden?«

      »Nein, das hat er nicht erwähnt.« Typisch Cameron.

      »Gestresst bis zum Anschlag. Wir Cops geben nie zu, dass wir völlig ausgebrannt und am Ende sind. Aber er hat keine Einwände erhoben. Ich vermute, Sie wissen, dass er der leitende Ermittler im Fall Carter war?«

      »Und ob. Er hat von nichts anderem geredet. Der Fall hat ihm keine Ruhe gelassen.«

      Alle Detectives der Mordkommission hatten Fälle, die ihnen persönlich sehr nahegingen. Kate hatte während ihrer Laufbahn mehrere davon gehabt. Die fünfzehnjährige Tamara Carter war Camerons erster Fall ohne Kate gewesen, eine Vergewaltigung mit Todesfolge, und der Anblick des brutal misshandelten Opfers hatte einen Zorn in ihm entfacht, der unauslöschlich schien. Als es keine neuen Spuren mehr gab und der weitere Fortgang von den Ergebnissen abhing, die das Labor des FBI erbringen würde, hatte Cameron erneut die Familie, die Freundinnen, Freunde und Bekannten von Tamara Carter befragt und wie besessen über jedem einzelnen Detail in den Ermittlungsakten gebrütet.

      »Wie oft hören Sie gewöhnlich von ihm?«

      »Anfangs jede Woche«, erwiderte Kate. »Manchmal öfter. Aber jetzt hat er sich schon seit drei Wochen nicht gemeldet. Wir – wir hatten ein ziemlich enges Verhältnis, wissen Sie.«

      Wieder lächelte Walcott, diesmal spontan und entwaffnend. »Was Sie nicht sagen. Zu eng. Er war wie ein übermütiges Fohlen, als er zu uns kam, und er hat meine erfahrenste Ermittlerin ebenfalls in ein Fohlen verwandelt.«

      Kate musste lächeln. Walcott hatte ja keine Ahnung.

      »Ich bin sicher, es gibt vieles, von dem ich nichts weiß«, fügte Walcott hinzu.

      Kate schüttelte den Kopf. Seit wann konnte diese Frau Gedanken lesen?

      »Er hat Ihnen gutgetan, Kate, also habe ich Sie beide gewähren lassen, wann immer es möglich war. Sie haben sich gegenseitig gutgetan.«

      »Das stimmt. Joe war der beste Partner, den ich je hatte.«

      »Soweit ich weiß, war die Konkurrenz nicht sehr groß.«

      Nun ja … Kate zuckte die Achseln. Was gab es dazu zu sagen? Ed Taylor hatte einer früheren Epoche angehört, und mit seinem minimalistischen Ansatz