Kelteneinfall und Latinerkrieg12
Unmittelbar nach dem Sieg über Veii kam es zum Einfall der Kelten in Latium, ein Ereignis, das für den römischen Staat alles Erreichte wieder in Frage stellte. Die Kelten waren im 6. Jahrhundert v. Chr. unter dem Druck der Germanen aus Mitteleuropa nach Westen gewandert und hatten als ein Verband von Stämmen im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. Gallien, Irland, die britischen Inseln und Spanien besetzt, wo sie die heute nach La Téne benannte Kultur etablierten. Kriegszüge führten sie später auch auf den Balkan, nach Griechenland (279 v. Chr.) und Kleinasien (278 v. Chr.), wo sie als Galater sesshaft wurden.
In Italien besetzten sie am Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. die Poebene und Norditalien und vertrieben von hier die Umbrer und Etrusker. Sie griffen in Einzelaktionen Latium, Kampanien und Etrurien an und spielten in machtpolitischen Überlegungen des syrakusischen Tyrannen Dionysios I. (405–367 v. Chr.) eine Rolle.
Am 18. Juli 387 v. Chr. besiegten sie unter der Führung des Brennus (Name oder Titel) ein römisches Heer am Flüsschen Allia und eroberten danach Rom, nur die Burg auf dem Kapitol konnte sich halten. Nach Plünderung und Zerstörung der Stadt und der Zahlung eines hohen Lösegeldes (Vae victis – Wehe den Besiegten)13 zogen sich die Kelten wieder zurück.
Der Aufbau Roms scheint danach schnell wieder vonstattengegangen zu sein, und unter dem Eindruck der keltischen Invasion und auch des Vordringens der Volsker, Herniker und von etruskischen Städten schlossen die latinischen Städte mit Rom einen neuen Bund. Dieser ging über ein Militärbündnis hinaus und gewährte den Mitgliedern im foedus Cassianum ein gegenseitiges Heirats- (ius conubii) und Handelsrecht (ius commercii) und damit rechtliche Gleichstellung.
Das Bündnis konnte durch seine Stärke die Volsker zurückdrängen und Städte wie Antium (Anzio) und Anxur (Terracina) gründen, auf etruskischem Gebiet entstanden die Kolonien Sutrium und Nepete und auch das mächtige etruskische Caere wurde bezwungen und in den römischen Staat integriert. Gleiches wiederfuhr den Hernikern, deren Hauptort Anagnia unter römische Herrschaft kam und als Stadt ohne Bürgerrecht (civitas sine suffragio) in ein Bundesverhältnis gezwungen wurde.
Innenpolitisch ging die Emanzipation der Plebeier im römischen Staat voran, besonders als unter den Volkstribunen C. Licinius Stolo und L. Sextius Lateranus neue Gesetze geschaffen wurden, welche die Schuldverhältnisse regelten, das Staatsland zur Verteilung brachten und dem Plebs den Zutritt zu einer der beiden Konsulstellen einbrachte. 366 v. Chr. wurde L. Sextius Lateranus zum ersten plebeiischen Konsul gewählt. Diese Reformen, die auch den Aufstieg reicher plebeiischer Familien als homines novi in den Amtsadel möglich machten, beruhigten in außenpolitisch kritischen Zeiten das Innere des Staatswesens. Zwar verlor das alte Patriziat gegenüber einer neuen Schicht der Nobilität weiter an Boden, konnte aber bestimmte Vorrechte wie die Besetzung der Priesterämter weiterhin halten. Erst mit der Zeit fanden auch hier die Plebeier Zutritt, 337 v. Chr. ist der erste plebeiische Prätor bekannt und 300 v. Chr. konnten in der lex Ogulnia die Plebeier das Recht erringen, auch in die beiden höchsten Priesterämter, das collegium augurium und das collegium pontificium, einzutreten.
Ein Problem blieb die Rechtsgleichheit im latinischen Bund zwischen Rom und den latinischen Städten, die in der Feindseligkeit der Latiner gegenüber Rom mündete. Es ging dabei um Fragen des politischen Einflusses, aber auch um Probleme bei der Verteilung der Beute innerhalb des Bundes.
Einer der Gründe der Unzufriedenheit war das Verhalten Roms im ersten Samnitenkrieg (343–341 v. Chr.), von dem aber unklar ist, ob er tatsächlich stattfand oder als legendär anzusehen ist. Danach schlossen 345 v. Chr. die Samniten ein Bündnis mit den Sidicinern. Rom reagierte darauf, indem es 343 v. Chr. einen Bündnisvertrag mit der Stadt Capua schloss. Auf Grund dieses Bündnisvertrages (foedus aequum) brach der erste Samnitenkrieg aus. Da keine Seite einen Vorteil erzielen konnte, kam es 341 v. Chr. zum Friedensschluss, indem die Samniten das Bündnis Roms mit Capua billigten und Rom das Bündnis der Samniten mit den Sidicinern akzeptierte.
Das Verhalten der Römer nach diesem Krieg, der ihnen Gebietsgewinne brachte, aber die latinischen Städte beiseiteließ, führte unter diesen zur Unzufriedenheit. Ab 340 v. Chr. kam es zu einem Zusammenschluss latinischer Städte gegen Rom und zum Aufstand der Latiner, den Rom nur unter größten Mühen niederwerfen konnte. Mit Ausnahme einiger weniger Städte wie Tibur und Praeneste, die auf Seiten Roms geblieben waren, wurde die Souveränität und Autonomie der latinischen Städte aufgehoben und ihre Bevölkerung in den römischen Staatsverband integriert, der auf eine Fläche von 6100 qkm und auf etwa 500 000 Bewohner anwuchs.
Selbst die Seehandelsstadt Antium musste sich den Römern beugen, und aus sechs Schiffsschnäbeln zerstörter Schiffe baute man in Rom die Rostra, die Rednertribüne, als Zeichen des Sieges. Die Römer zogen aus diesem Aufstand ihre Lehren, sie bemühten sich in der Folge um eine weitergehende Integration der latinischen Städte und stellten sie, besonders bei der Gründung neuer Kolonien, den Römern gleich. Der wesentliche Unterschied zwischen dem römischen Territorium und anderen Städten der italischen Halbinsel war, dass Rom den Landstädten (municipia) zahlreiche Aufgaben wie die niedere Gerichtsbarkeit, das Marktrecht und die kommunale Verwaltung selbständig übertrugen und somit ein Modell für die Aufnahme weiterer Städte schufen, das eine leichte Integration ermöglichte.
5. Die Erringung der römischen Hegemonie in Italien
(327–265 v. Chr.)
Die Eroberung Mittelitaliens in den
Samnitenkriegen (327–304 v. Chr.)
Nach dem Latinerkrieg 340–338 v. Chr. grenzte Rom an der Südflanke seines Staatsgebietes an Kampanien und wurde so in die politischen Verhältnisse dieser Landschaft hineingezogen. Kampanien war seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. immer wieder von Einfällen der im Apennin siedelnden Osker heimgesucht worden, die im Laufe der Zeit zahlreiche Städte, darunter auch Capua und Nola besetzt hatten. In der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. kam es zu einer neuen Auswanderungswelle der Osker, welche nicht nur die kampanischen Städte, sondern auch die Griechen in Süditalien bedrohten. Dazu schlossen sich zahlreiche oskische Stämme zum Bund der Samniten zusammen, der sich auf die Schaffung einer Wehrgemeinschaft zur Eroberung des Landes beschränkte. Rom scheint schon während des Latinerkrieges in die Kämpfe mit den Oskern hineingezogen worden zu sein. Der Zweite Samnitenkrieg gegen den samnitischen Bund dauerte 326–304 v. Chr., der Dritte 298–290 v. Chr., tatsächlich scheint aber diese Periode bis 272 v. Chr. mit Kämpfen gegen die Kelten und den Molosserkönig Pyrrhos eine einzige kriegerische Zeit gewesen zu sein, an deren Ende die Hegemonie Roms über alle Völker und Städte Italiens stand.
Die ersten Jahre des Krieges gegen die Samniten zeigten den Römern deutlich die Grenzen ihrer Macht auf. Besonders ihre militärischen Ausrüstung und Taktik war für einen Kampf in den Bergen nur wenig zu gebrauchen. Die Römer kämpften zu Beginn des Krieges in der Schlachtreihe der aus Griechenland übernommenen Phalanx mit langen Speeren, die sich im gebirgigen Terrain gegen die mit kurzen Spießen kämpfenden Samniten als hinderlich erwiesen. So wurde 321 v. Chr. ein römisches Heer in den Caudinischen Pässen besiegt und gefangengenommen und schmachvoll unter dem Joch hindurchgeführt, was Rom zu einem Frieden nötigte.
Nach der Wiederaufnahme des Krieges 316 v. Chr. beschlossen die Römer ihre langfristige Strategie zu ändern. Man errichtete im Süden in Apulien eine zweite Front gegen die Samniten und besetzte ihr Vorland mit zu Festungen ausgebauten latinischen Kolonien als Stützpunkten und Rückhalt der Armee. Bis 304 v. Chr. folgten Jahre beständiger Kämpfe, ehe beide Gegner, mehr aus Erschöpfung als wegen eines wirklichen Friedenswillens, einen Friedenschluss herbeiführten. Rom konnte nach dem Zweiten Samnitenkrieg durchaus nicht als Sieger der Auseinandersetzung angesehen werden, hatte aber seine Position in Mittelitalien durch Kolonien ausgebaut. Zugleich wurde eine Militärreform durchgeführt, man übernahm den kurzen Spieß der Samniten (pilum) und kämpfte nicht mehr in der Schlachtreihe der Phalanx, sondern gliederte die Frontreihe in kleinere Abteilungen (manipulus), die in der Schlacht selbständig kämpfen konnten.
Allerdings brachte der Frieden von 304 v. Chr. den Römern keine Ruhepause, da sie sofort danach mit den Sabinern Krieg führen