erste Frau in der Grabeskirche St. Peter in Rom beigesetzt
»Mächtige Kusine, geh, erwirke mir den Segen.«
(KAISER HEINRICH IV.)
Im 12. Jahrhundert bestimmten zwei Frauen maßgeblich die italienische Politik und die Reformbewegung der Kirche: Beatrix und ihre Tochter Mathilde. Beide waren nacheinander Markgräfinnen von Tuszien. Mathilde beherrschte von ihrem Schloss Canossa aus ganz Norditalien und damit den Weg nach Rom. Mathilde war im Verlauf ihrer langen Herrschaft die verlässlichste Bundesgenossin der Päpste, die sie finanziell, militärisch und diplomatisch unterstützte. Mathildes Vater, Markgraf Bonifaz (985–1052), hatte als 50–jähriger in zweiter Ehe die knapp 15–jährige Beatrix von Lothringen (1015–1076) geheiratet. Unter Bonifaz stiegen die Canusier, wie die Familie nach ihrem Stammsitz Canossa hieß, zur stärksten Feudalmacht Oberitaliens auf. Die 11–jährige Mathilde wurde mit ihrem Stiefbruder Gottfried von Niederlothringen verlobt, der wenig ansehnlich war und den Beinamen der »Bucklige« trug und den sie verabscheute.
In dieser ersten Ehe war Mathilde sieben Jahre verheiratet. Sie wurde Mutter eines Sohnes, der aber nur wenige Tage lebte. Die Geburt dürfte im Jahr 1071 gewesen sein. Nach der Entbindung verließ Mathilde Niederlothringen und kehrte ohne ihren Mann nach Italien zurück. Die Ehe bestand auf dem Papier bis zum Jahr 1076, der Ermordung ihres Mannes. Als Mathilde damals den Klostereintritt erwog, ließ der Papst das nicht zu. Sie werde in der Welt gebraucht. Kurz darauf starb auch ihre Mutter. Nun war Mathilde zur mächtigen Alleinerbin eines umfassenden Besitzes geworden, der ihr großen politischen Einfluss und Macht einbrachte.
Als der schon lange schwelende Streit zwischen dem Reformpapst einerseits, dem deutschen König und der Mehrheit des deutschen Episkopats andererseits auf der Reichsversammlung in Worms im Dezember 1075 eskalierte, stand Mathilde auf der Seite des Papstes. Die Synode in Worms erklärte den Papst für abgesetzt. Es wurde ihm vorgeworfen, dass er »die ganze Christenheit mit einem Weibersenat regieren wolle«; er halte mit einer fremden Frau Tischgemeinschaft und erfülle die Kirche mit dem »Gestank bösen Ärgernisses.« Die Anspielung auf Mathilde war unmissverständlich. Das Vertrauen zwischen Papst und Markgräfin wurde dadurch nicht gestört, der Briefwechsel aber spärlicher und in der Diktion amtlicher. Die politische Zusammenarbeit intensivierte sich.
Alles trieb auf den Investiturstreit und den Gang nach Canossa zu. Canossa war eine von Mathildes wichtigsten Burgen, der Stammsitz ihrer Vorfahren. Dorthin zog Heinrich IV. von Speyer aus, mit seiner Gemahlin Bertha von Turin, als Büßer, wo er auf den Papst traf. Vom 25. bis zum 27. Januar 1077 harrte er vor den Toren der Burg barfuss im Schnee aus. Als die Verhandlungen zu scheitern drohten und der König schon an Abreise dachte, soll er durch einen Fußfall vor Mathilde deren Fürsprache erreicht haben. »Mächtige Kusine, geh, erwirke mir den Segen.«
Mathildes Biograph Donizo illustrierte ihre Vita, die erst nach dem Tod der Gräfin fertig wurde, mit Miniaturen. Mathilde thront in einem prächtigen Gewand, die Stirn mit einem Goldband geschmückt unter einem von Säulen getragenen Arkadenbogen; der König wird in königlicher Tracht mit Krone und Reichsapfel dargestellt. Mathilde bittet den auf sein rechtes Knie niedergelassenen König mit ihrer geöffneten rechten Hand aufzustehen. Am 28. Januar hob Gregor VII., hauptsächlich auf Vermittlung der Mathilde von Tuszien, den Kirchenbann auf. Die Absetzung allerdings nahm er nicht zurück, und so wurde am 15. März Rudolf von Schwaben von den deutschen Fürsten zum Gegenkönig gewählt. Der Gang nach Canossa wurde zu einem wichtigen Meilenstein im Investiturstreit.
Beide begegneten sich sechs Jahre später wieder, als der König den Papst in der Engelsburg in Rom belagerte. Mathilde stand wieder auf der päpstlichen Seite, rief den Normannenherzog Robert Guiskard aus Sizilien herbei und nahm schreckliche Rache an den Anhängern Heinrichs, der während der Belagerung aus den Händen des Gegenpapstes Clemens III. im Petersdom die Kaiserkrone empfangen hatte.
1081 wurde Mathilde vom deutschen König ihrer Lehen für verlustig erklärt und mit der Reichsacht belegt. Als Gregor VII. 1084 im Exil von Salerno starb, vertrat Mathilde weiter die Sache der Reform und beeinflusste auch die Papstwahlen. Die Erhebung des Kardinalbischofs Otto von Ostia, eines Franzosen, der in Cluny Mönch und Prior gewesen war, rettete die Reform: Urban II. verband die Reformstrenge Gregors mit diplomatischen Geschick. Er bezog die Mathildischen Güter und sie selbst in sein Kalkül ein und befürwortete eine zweite Ehe der Markgräfin mit Herzog Welf von Bayern, die kinderlos blieb. Mathilde, die Braut, war 43, ihr Bräutigam dagegen erst 17 Jahre alt; ein lächerliches Zweckbündnis, doch diese Scheinehe sollte die deutsche Fürstenopposition stärken. In der Tat hat Welf zunächst einen erfolgreichen Widerstand gegen Heinrich zugunsten Mathildes geleistet, dann aber Mathilde wieder verlassen. Wieder im vollen Besitz ihrer Herrschaft adoptierte Mathilde jetzt Guido Guerra, den Sohn ihres treuen Vasallen Graf Guido, aber auch diese Verbindung lockerte sich wieder.
Um 1079 vermachte Mathilde ihre weitläufigen Besitzungen, die »Mathildischen Güter«, dem Heiligen Stuhl, ein Erbe, das zum erneuten Zankapfel zwischen den Päpsten und den deutschen Kaisern wurde, bis Kaiser Friedrich II. 1213 formell auf sie verzichtete.
Aufgrund ihrer Schenkungen hatte der Papst der Markgräfin völlige Sündervergebung gewährt. Mathilde, die große Reformerin und Reichsfürstin, starb in Bondeno di Roncore am 24. Juni 1115 in Anwesenheit ihres geistlichen Beraters Bernhard von Clairvaux. Sie wurde in dem von ihr reich beschenkten Kloster San Benedetto di Polirono in San Benedetto Po beerdigt.
Mathildes Wirken war für die Geschichte der römisch-katholischen Kirche von so großer Bedeutung, dass sie als erste Frau ein Grabmal in der St. Peterskirche in Rom erhielt. In einer der Nischen auf der rechten Seite befindet sich das Grab für Mathilde von Tuszien, geschaffen von Gian Lorenzo Bernini. Mathilde hält in der rechten Hand einen Kommandostab, in der linken die Schlüssel des Heiligen Petrus. Im Arm hält sie die päpstliche Tiara. Damit soll gezeigt werden, dass die Gräfin die große Beschützerin von Papst Gregor VII. im Kampf um die Freiheit der Kirche gegen den deutschen König Heinrich IV. war. Ihre Gebeine wurden erst 500 Jahre später unter Urban VIII. nach Rom überführt.
HILDEGARD VON BINGEN
* 1098 in Bermersheim
† 1179 im Kloster Rupertsberg bei Bingen
Äbtissin, Visionärin, Dichterin und Komponistin
»Ich bin eine arme kleine Frau.«
(HILDEGARD VON BINGEN)
Hildegard von Bingen gehörte im 12. Jahrhundert zu den meistbeachteten Persönlichkeiten der Kirchenwelt.
Die Eltern von Hildegard waren Hildebert und Mechthild von Bermersheim bei Alzey in Rheinhessen. Schon als kleines Mädchen verhielt sie sich oft sonderlich, und die Eltern brachten die Achtjährige der Nonne Jutta von Spanheim in die Frauenklause auf dem Disibodenberg. Dort erkannten die Nonnen bald, dass Hildegard regelmäßig Visionen hatte. Mit etwa fünfzehn Jahren legte das Mädchen das Gelübde des Ordens der Benediktinerinnen ab. Sie studierte die Schriften des Alten und Neuen Testaments und wurde sehr geprägt durch Liturgie und Stundengebet. Die Arbeit im Kräutergarten gefiel ihr aber ebenso.
1136 wählten die Frauen sie zur Magistra, zur Leiterin der zum Konvent angewachsenen Frauengemeinschaft. Trotz des erheblichen Widerstands der Benediktinermönche wurde unter Hildegard von Bingen zwischen 1147 und 1152 der Bau des Frauenklosters auf dem Rupertsberg bei Bingen vorangetrieben. Hildegard wollte die innere geistliche Unabhängigkeit wahren, sich nach außen von den adeligen Schutzherren befreien und das Kloster dem Erzbischof von Mainz unterstellen. 1152 weihte Erzbischof Heinrich I. von Mainz die große dreischiffige Kirche. Der Mönch Wibert von Gembloux, später Hildegards hochgebildeter Sekretär, äußerte sich 1177 sehr lobend über das Kloster. Er berichtete von einer wunderbaren Harmonie: »Die Mutter umfängt ihre Töchter mit solcher Liebe... An Werktagen widmen sie sich in geeigneten Räumen dem Abschreiben von Büchern, dem Anfertigen von liturgischen Gewändern oder anderen Hausarbeiten ...«
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