Frederik Hetmann

Amerika Saga


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es auf einer Gemeindewiese in Lexington im Staate Massachusetts zur ersten bewaffneten Auseinandersetzung. Amerikanische Minutemen, eine Gesellschaft von Kolonisten, die sich gelobt hatten, eine Minute nach Beginn der Revolution ins Feld zu ziehen, wurden von einem englischen Offizier aufgefordert, auseinanderzugehen. Sie bewachten eine Barrikade, und die englischen Liniensoldaten waren angerückt, um die Munitionsvorräte zu konfiszieren.

       »Bleibt stehen, Leute! Schießt nicht, solange nicht auf euch geschossen wird! Aber wenn sie einen Krieg haben wollen, so soll er hier beginnen«, sagte der Anführer der Amerikaner. Dann gaben die Engländer die ersten Schüsse ab. Der Kampf um die Unabhängigkeit hatte begonnen. Er dauerte sieben Jahre. Nicht immer stand es günstig für die Amerikaner. Ihr Oberbefehlshaber George Washington wurde wie ein Fuchs durch das Gelände von New Jersey gejagt, er teilte mit seinen zerlumpten Soldaten den Frost und den Hunger – und er kapitulierte nie.

       Im Juni 1776 stellte der Abgeordnete Henry Lee aus Virginia im Kontinental-Kongress, einer Art verfassunggebender Versammlung, den Antrag, »dass die vereinigten Kolonien von Rechts wegen freie unabhängige Staaten sein sollten«.Nach einer Debatte von einem Monat wurde der Antrag am 4. Juli 1776 angenommen und die Unabhängigkeitserklärung verkündet. Ihr Kernstück ist der zweite Paragraf, der die Grundsätze, das politische Glaubensbekenntnis, der neuen Nation enthält:

       »Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: Dass alle Menschen gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, dass Leben, Freiheit und das Streben nach Glück dazugehören, dass zur Wahrung dieser Rechte Regierungen eingesetzt sind unter den Menschen, die ihre gerechte Macht von der Zustimmung der Regierten erhalten; dass wann immer eine Regierungsform diesen Zwecken abträglich ist, es das Recht des Volkes sein soll, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen, die die Regierten auf ebensolche Prinzipien gründen, und deren Macht dergestalt einzurichten, wie es ihnen am meisten Aussicht zu bieten scheint, ihnen ihr Glück und ihre Sicherheit zu schaffen.«

       Mithilfe der französischen Flotte und französischer Waffen konnten die Kolonien den Krieg gegen England schließlich erfolgreich beenden. Am 19. Oktober 1781 ergab sich die letzte englische Armee in Yorktown in Virginia.

       Nun gingen die Kolonisten daran, die Pfosten des Hauses der neuen Nation zu zimmern. Am 2 5. Mai 1787 trat in Philadelphia eine Versammlung von 55 Männern zusammen, um die Verfassung auszuarbeiten. Die Gegensätze waren groß. Die kleinen Staaten waren auf die großen Staaten eifersüchtig. Die Begüterten wollten ihren Besitz schützen. Die Armen wünschten billigen Kredit. Schließlich einigte man sich auf ein Regierungssystem, das auf dem Prinzip der Gewaltenteilung beruht: In den »zehn Zusätzen« zur ursprünglichen Verfassung wurden 1789 vom ersten amerikanischen Kongress die demokratischen Grundrechte im »Bill of Rights« zum Gesetz erhoben.

       Der erste Präsident des jungen Staates wurde George Washington, ihm folgte John Adams. Stephen Vincent Benet charakterisiert ihn wie folgt: »Klein, anmaßend, kritisch, unabhängig, sarkastisch, ein Anwalt, der Sohn eines Farmers, der Urenkel eines arbeitslosen Zimmermanns, der aus England im Jahre 1636 emigriert war, äußerte John Adams überall offen seine Meinung. – Er war begabt, stachlig, bissig – und einer großen und selbstlosen Ergebenheit für sein Land fähig. Er, der Neuengländer, wirkte und kämpfte dafür, Washington, den Mann aus Virginia, zum Oberbefehlshaber der Armee zu machen, weil er glaubte, dass dies der beste Mann für dieses Amt sei. Dieser Mann von starren Grundsätzen stritt mit Thomas Jefferson aus Grundsatz, schrieb bittere und giftige Worte über Jefferson in sein Tagebuch – und versöhnte sich im Alter mit Grazie und Milde ... Dieser Anwalt, der nie ein Seemann war, schuf die amerikanische Flotte. Es fehlten ihm die leichten Talente, die einen Mann liebenswürdig machen. Aber er war einer der ersten politischen Denker Amerikas – und sein sarkastischer, kritischer, eigensinniger Geist lebt noch heute fort in New England.«

       Auf John Adams folgte als dritter Präsident Thomas Jefferson, ein grauäugiger Mann mit rotem Haar, ein Schriftsteller, Philosoph und erfahrener Politiker, der Louisiana von Frankreich kaufte und so den USA den Besitz von New Orleans und die Herrschaft über das Flusssystem des Mississippi sicherte.

       Aaron Burr, ein ehrgeiziger Politiker aus New York, war von Jefferson zu Beginn seiner zweiten Amtsperiode ausgeschaltet worden. Nach einem Streit mit' dem bekannten Politiker Alexander Hamilton forderte er diesen zum Duell und tötete ihn. Darauf tauchte er unter und versuchte eine Privatarmee mit der Absicht aufzustellen, im Süden der USA einen eigenen Staat zu gründen. Burrs Pläne wurden verraten und die Verschwörung noch rechtzeitig verhindert.

       Die endgültige Festigung des jungen Staates erfolgte jedoch erst im zweiten Krieg gegen England, der 1812 wegen Handelsstreitigkeiten begann. In Wahrheit aber wollte diesen Kampf eine Gruppe von Bodenspekulanten, die beabsichtigte, Kanada zu annektieren.

       Fast überall waren die Engländer siegreich. Sie nahmen schließlich sogar Washington ein und zündeten das Weiße Haus an. 1814 gelang es ihnen in einem Gefecht am Niagara, das für beide Seiten sehr verlustreich war, den Einmarsch der Amerikaner nach Kanada zu verhindern. Nur in der Schlacht von New Orleans schlug der erfahrene Indianerkämpfer Andrew Jackson eine starke englische Armee unter Edward Pakenham. Doch fand dieser Sieg schon nach Unterzeichnung des Friedensvertrages statt, der 1814 in Gent ausgehandelt worden war.

       Dieser Krieg hatte das Zusammengehörigkeitsgefühl der Nation unerhört gestärkt und den Amerikanern großes Selbstvertrauen gegeben. Auch wurden sie von nun an von den europäischen Großmächten als beachtenswerte Kraft angesehen. Während sich all diese Ereignisse mehr oder minder im schon erschlossenen Osten und Südosten der USA abspielten, wanderte die Grenze im Westen unaufhaltsam weiter vorwärts. Um 1800 floss der Siederstrom vor allem in die Täler von Ohio und Mississippi. Kentucky und Tennessee wurden besiedelt, und 1820 waren Indiana und Illinois im Nordwesten und Alabama und Mississippi im Südwesten schon als Staaten in die Union aufgenommen. Für die Besiedlung spielten natürlich die Zufahrtswege eine große Rolle. Zunächst ging der Verkehr in Flößen und Booten über den Ohio und seine Nebenflüsse, die durch ein Kanalnetz erweitert wurden. Später wurde die Cumberland Road, die 1811 begonnen wurde, zur Hauptverkehrsader in den Westen. Sie führte von Cumberland in Maryland über die Berge nach Zanesville und Columbus in Ohio und Terre Haute in Indiana und wurde bis nach Vandalia in Illinois verlängert. Ebenfalls 1811 baute Nicholas Roosevelt das erste Dampfboot, das nun zwischen Pittsburgh und New Orleans verkehrte und allmählich die Flach- und Kielboote vertrieb. Im Süden und Südwesten aber lockten die großen Weideflächen von Texas und New Mexiko.

       Texas gehörte zur mexikanischen Republik, die nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes von Spanien entstanden war. 1821 gründete Stephen W. Austin die erste amerikanische Siedlung in Texas. Als der General Santa Ana in Mexiko eine despotische Militärdiktatur errichtete, rebellierten die amerikanischen Siedler und riefen den Freistaat Texas aus, der nach blutigen Kämpfen – unter anderem bei El Alamo, wo das Grenzeridol Colonel David Crockett fiel – sich schließlich auch behaupten konnte.

       Mit der Aufnahme von Texas in die Union im Jahre 1844 endete der erste Abschnitt der amerikanischen Geschichte. Die nächsten hundert Jahre sollten nicht weniger stürmisch verlaufen wie die Zurückliegenden.

       Woher Spuyten Duyvil seinen Namen hat

       Eine Saga aus New York

      Jenes Flussbett, das die äußerste Grenze von Manhattan Island bildet, ist hierzulande unter dem Namen »Spittin' Divvle«, bekannt. Die richtige Bezeichnung hingegen lautet eigentlich »Spuyten Duyvil« und leitet sich von einer Prahlrede her, die ein gewisser Anthony van Colaer zur Zeit der holländischen Kolonie tat.

      Dieser furchterregende Ehrenmann, berühmt für seinen buschigen und wildgezwirbelten Schnurrbart, war Trompeter der Garnison von Neu-Amsterdam, das seine Leute gerade für vierundzwanzig Dollar gekauft hatten. Und so laut und schrill stieß er ins Horn, dass bei dem Kampf zwischen Holländern und Indianern in der der Pfirsichplantage