Jana Scherer

Geister sind unser Geschäft


Скачать книгу

      Der Käpt’n winkte mit einer übertriebenen Geste ab. »Jau, Mensch, Harald, das hatt’ ich ja ganz vergessen, dat du ja so wat wie ’n Meisterdetektiv bist, nä? Und deine lüdde Freundin hier auch, oder wat?«

      Trix räusperte sich. »Mein Name ist Dobbsen. Trix Dobbsen. Ich bin Privatermittlerin.«

      Käpt’n Flock lachte rasselnd. »Angenehm, nä? Und mein Name is Flock. Thorsten Flock. Aber sag ruhig Käpt’n Flock zu mir, dat machen hier alle so, nä?« Er schüttelte Trix die Hand. »Mir tut das Ruckelnser Heimat- und Schifffahrtsmuseum gehören.«

      »Meine Oma wartet mit dem Geburtstagskuchen auf uns«, sagte ich schnell.

      Der Käpt’n schüttelte auch mir die Hand. »Ach ja, alles Gute zu deinem Ehrentag, Harald! Aber Kuchen kann ja zum Glück nicht kalt wern, nä? Am besten kommt ihr gleich mal mit zum Museum, da darf Trix sich meine hochinteressanten Exponate ankieken.«

      »Aber unser Kakao, der kann kalt werden«, behauptete ich. Käpt’n Flock wusste ja nicht, dass der Kakao bereits im Kühlschrank stand, weil ich ihn eiskalt am liebsten mochte. »Komm, Trix!« Ich griff mir mein Fahrrad und lief los. »Bis bald, Käpt’n Flock!« Wir ließen ihn stehen.

      »Was sollte das denn jetzt?«, keuchte Trix, während sie neben mir herrannte. »Der wirkte doch ganz lustig.«

      Ich schüttelte den Kopf. »Wenn der anfängt zu erzählen, kommt man nicht mehr weg. Und wenn man Pech hat, singt er sogar. Dabei wird seine Aussprache noch feuchter.«

      Wir verlangsamten unseren Schritt.

      Trix grinste. »Und ich dachte, ein Detektiv müsste für die Ermittlungen seine eigenen Vorlieben zurückstellen können.«

      Ich winkte ab. »Käpt’n Flocks Gequatsche hat doch mit unseren Ermittlungen nichts zu tun. Viel interessanter finde ich das Gespräch, das wir gerade am Teestübchen mithören konnten. Frau Jansen hat gesagt: Auf einmal seid ihr wieder in Ruckelnsen, und rein zufällig geschieht genau das, was wir damals … Wie ging der Satz wohl weiter?«

      »Genau das, was wir damals … was wir damals befürchtet haben?«, schlug Trix vor. »Was wir damals machen wollten? Oder vielleicht sogar: was wir damals gemacht haben? Welche Variante hältst du für am wahrscheinlichsten?«

      »Auch das müssen wir ermitteln«, stellte ich fest. »So, wir sind da.« Ich lehnte mein Fahrrad an unseren Zaun.

      »Wem gehört denn der schicke rote Geländewagen?« Trix zeigte auf das Auto, das auf der Straße vor unserem Haus parkte. Auf dem Dachgepäckträger thronte ein Kajak. »Schönes Teil«, kommentierte sie. »Damit kann man hier sicher gut herumpaddeln.«

      »Keine Ahnnung, wem das gehört.« Ich nahm Koffer und Katzenkorb vom Fahrrad herunter und drückte beides Trix in die Arme. Dann schloss ich die Haustür auf.

      »Wir sind da-ha!«, rief ich. Im selben Moment fiel mir ein, dass meine Großmutter ja längst von Onkel Freddie abgeholt worden war. Trotzdem bekam ich eine Antwort: »Mi-au-hau!«

      »Miss Moneypenny!«, rief Trix.

      Wir folgten dem Miauen in die Küche. Dort saßen Fräulein Karnelia und Miss Moneypenny einträchtig nebeneinander und fraßen.

      »Meine Oma scheint vor ihrer Abreise noch die Näpfe gefüllt zu haben«, stellte ich fest.

      »Ist deine Großmutter weggefahren?«

      »So ist es. Sie verbringt die Osterfeiertage bei meinem Großonkel. Am Ostermontag ist sie zurück. Aber wir sind nicht alleine. Sie hat extra Magnus aus Humbug herbestellt, um auf uns aufzupassen. Er kommt heute Abend.«

      Trix zuckte mit den Schultern. »Wenn es deine Oma beruhigt.«

      Ich verdrehte die Augen. »Am besten bringen wir erst mal dein Gepäck in das Gästezimmer oben. Und dann gehen wir runter in die Detektei.«

      »Okay, kann ich vorher noch einen von den Eukalyptusbonbons haben?«

      »Ja, klar«, antwortete ich automatisch. Doch dann stutzte ich. »Was für Eukalyptusbonbons denn?«

      »Na, diese da.« Trix nahm etwas von der Anrichte und hielt es mir vor die Nase: ein in grünes Papier eingewickeltes Bonbon. »Da liegen noch mehr.«

      Tatsächlich. Auf der Anrichte verstreut lagen grün eingewickelte Bonbons. »Komisch. Wir haben sonst nie Eukalyptusbonbons im Haus. Weder meine Oma noch ich mögen die.«

      Trix wickelte das Bonbon aus und steckte es in den Mund. »Verstehe ich nicht. Die sind doch köstlich.«

      Ich verspürte ein höchst unangenehmes Gefühl im Magen.

      Und einen Moment später war mir auch klar, warum. »Atme mal bitte in die andere Richtung, Trix. Du riechst wie mein Mathelehrer.«

      Trix lachte, was eine noch dickere Eukalyptuswolke in meine Richtung schickte. »Wieso das denn?«

      »Er lutscht ständig solche Bonbons. Ich glaube, er bestellt sie sogar extra aus Australien. Hier gibt es die gar nicht zu kaufen.«

      »Exquisit«, kommentierte Trix mit vollem Mund. »Wie kommt deine Oma denn dann an die ran? Hat sie die auch in Australien bestellt?«

      Das konnte ich mir selbst nicht erklären. »Ich habe keinen blassen Schimmer.«

      Trix nahm sich gleich noch ein Bonbon und wickelte es aus. »Weißt du, was auffällig ist an den Dingern?«

      »Außer der Tatsache, dass sie bestialisch stinken?«

      Trix hielt mir das eckige Bonbon hin. Es funkelte im Licht wie ein Diamant. »Sie sind grün. So wie das Leitungswasser und die Totenköpfe auf den Schafen. Grün scheint die Farbe des Tages zu sein.« Sie griff sich die übrigen Bonbons von der Anrichte und ließ sie in ihre Jackentasche gleiten. »Ich stelle diese Beweisstücke mal sicher.«

      Aber: »Beweismittel sind nicht zum Verzehr bestimmt«, erinnerte ich Trix. »Das ist meine Detektiv-Regel Nummer 26.«

      Sie grinste. »Keine Sorge. Gegen eine von deinen Detektiv-Regeln würde ich niemals verstoßen.«

      Mit dem Koffer und dem Katzenkorb beladen, stiegen wir die knarzende alte Treppe hoch. Ich zeigte Trix ihre Unterkunft und ließ sie dabei nicht aus den Augen. Ich fragte mich, was sie von dem Zimmer hielt. Es war klein und hatte eine schräge Decke, weil es direkt unter dem Dach lag. Das alte Doppelbett aus dunklem Holz füllte fast den ganzen Raum aus. Trix war ganz anderes gewohnt. Zu Hause residierte sie in einer riesigen Villa.

      Doch Trix sah richtig begeistert aus. »Total gemütlich!«

      Wir stellten den Koffer und den Katzenkorb in eine Ecke.

      »Mein Zimmer ist gleich nebenan«, erklärte ich Trix, als wir wieder auf den Flur traten. »Und das da ist unser zweites Gästezimmer.« Ich zeigte auf eine blaue Tür gegenüber. »In der Hochsaison vermieten wir beide Zimmer an Urlauber. Aber jetzt in der Nebensaison stehen sie leer.«

      Die Tür ging auf. »Dem muss ich ausdrücklich widersprechen, nicht wahr?«, sagte jemand.

      In der Tür stand ein älterer Herr, den ich noch nie gesehen hatte.

      Trix machte ein Geräusch, als hätte sie einen Beutel Murmeln verschluckt. Dann fing sie wie verrückt an zu husten.

      »Habe ich euch erschreckt?«, rief der Mann.

      »Uns erschreckt nichts«, erwiderte ich, »Gefahr ist unser Geschäft.« Dabei klopfte ich Trix auf den Rücken, die immer noch Geräusche von sich gab wie ein Seehund mit Schluckauf.

      Aus den Augenwinkeln betrachtete ich den Fremden, der eine bedröppelte Miene machte. Er war nicht viel größer als ich und hatte graue Locken, die sich vorne zu einer Halbglatze lichteten. Gekleidet war er in ein weißes Hemd mit weiten Ärmeln, eine rot glänzende Weste, die mit einem gelben Blumenmuster bestickt war, und