lächelte, weil er nicht wusste, ob er mich ernst nehmen sollte – aber ich meinte es todernst. Ich sagte zu ihm: „Bruder, hör jetzt mal zu. In deinem Leben gibt es eine dunkle Stelle! Wie können wir dich davon befreien? Können wir sie mit dem Staubsauger wegsaugen? Können wir sie einfach beiseite wischen? Nein, Dunkelheit kann nur auf eine Weise beseitigt werden: Wir brauchen Licht! Paulus sagt in Römer 12,21: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten!“ Sean erkannte nun, dass ich es ernst meinte.
Er antwortete: „Ok, in Ordnung, aber es geht nicht, dass du dabei bist. Ich ziehe das besser alleine durch.“ Offensichtlich sehe ich eher wie ein Drogenfahnder als ein Süchtiger aus. Ich stimmte zu, verlangte aber, dass er es bis zum nächsten Tag erledigte. Ansonsten würde ich ihn doch begleiten müssen.
Er fand seinen Dealer (nicht schwer für einen Süchtigen) und erzählte ihm von Jesus. Sie stellen sich diesen Dealer wahrscheinlich als einen finsteren Mann vor. Es war aber eine Frau, sogar eine Mutter. Drogen sind eine Möglichkeit, leicht Geld zu verdienen. Sie lebte nebenan im Ghetto und verkaufte Drogen an die Jugendlichen in der Umgebung.
Von dem Zeitpunkt an nahm Sean keine Drogen mehr. Er war frei. Die Kraft des Evangeliums, das er selbst empfangen und schon an andere weitergegeben hatte, veränderte sein Herz. Es ist Gottes Kraft zum Heil für die, die glauben (vgl. Rö 1,16). Indem Sean das Evangelium an die weitergab, die Einfluss auf ihn hatten, verinnerlichte er es und konnte es noch besser glauben. Oft sind wir sehr schnell dabei, nach anderen Wegen zu suchen, den Menschen zu helfen, und übersehen das, was am wirksamsten ist: die einfache Botschaft von Jesus, verinnerlicht und an andere weitergegeben.
Seans Dealerin wurde an jenem Tag noch keine Christin, dafür aber ihr 14-jähriger Sohn. Sean taufte ihn. Nach rund einem Jahr war auch die Mutter so weit, nachdem man ihr ihren Sohn weggenommen und sie ins Gefängnis gesteckt hatte. Schließlich führte Sean auch noch einige Freunde des Jungen zu Jesus und taufte sie. Er begann in seinem Stadtviertel eine neue Gemeinde, eine Gemeinde für Jugendliche, die nach etwas Besserem für ihr Leben suchen. Heute ist er immer noch wie ein Hirte für sie und stellt mir immer wieder junge Menschen vor, die Jesus kennengelernt haben.
Eines Abends kam Sean in die Gemeinde und verkündete, er habe eine neue Gemeinde gegründet. Sie treffen sich mittwochs um drei Uhr morgens auf dem Parkplatz eines Supermarktes im Stadtzentrum von Long Beach. Warum hatte er eine Gemeinde gegründet, die sich zu einer derart ungewöhnlichen Uhrzeit und an einem solchen Ort trifft? Sean arbeitete damals als Sicherheitsbeauftragter in Long Beach. Er fand einige an Jesus hingegebene Christen, die nachts arbeiteten und tagsüber schliefen. Nun gab es auch für sie eine Gemeinde.
Die Gemeinde ist eine lebendige, authentische Demonstration der Liebe und Wahrheit Jesu in dieser dunklen Welt, und mit Jesus am Steuer ist sie unaufhaltbar. Wir sollten vor Drogendealern und der Dunkelheit nicht flüchten. Denn wenn wir tatsächlich das Licht der Welt sind, dann sollten wir in die Dunkelheit hineinrennen – und zwar mit dem Verständnis, dass uns die Dunkelheit nichts anhaben kann. Wir sollten das Licht nehmen und es der Dunkelheit direkt in den Rachen stoßen.
Dana, meine Frau, ist Lehrerin von Beruf. Früher arbeitete sie in einer christlichen Schule, aber in den vergangenen Jahren wollte sie lieber in einer öffentlichen Schule arbeiten – in einer üblen Gegend von Los Angeles. In ihrer ersten Woche an dieser Schule kam sie mit einem breiten Lächeln und einem Leuchten in den Augen nach Hause. Sie sagte diese unvergesslichen Worte, die mich noch immer stolz machen: „Es macht so viel mehr Spaß, ein Licht in der Dunkelheit zu sein als ein Licht im Licht!“
Ich denke, wir sollten alle lernen, mehr Spaß zu haben!
Jesus hat gesagt: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,14). Er hat uns nicht befohlen zu leuchten. Er meinte nicht, wir sollten heller werden. In Wirklichkeit sagte er: „Ihr scheint bereits; ihr seid ein Licht – das ist, was ihr seid!“ Dann fügte er noch hinzu, ein Licht sei nutzlos, wenn man es unter ein Gefäß stelle. Eine Lampe gehöre auf ein Lampengestell, damit sie die ganze Dunkelheit in ihrer Umgebung erleuchten könne (vgl. Mt 5,15).
Normalerweise steht im Griechischen ein Pronomen bzw. ein Subjekt erst weiter hinten im Satz, aber Jesus hat „ihr“ an den Anfang gesetzt. Das fiel allen auf. Das Pronomen ihr wird extra betont, als wolle er sagen: „Ihr – ja ihr – seid das Licht der Welt.“ Er spricht zu Ihnen, ja Ihnen!
Unsere größte Bedeutung findet sich in der Dunkelheit, nicht im Licht. Das kleinste Licht besiegt das Dunkel der Nacht. Wir sind dazu geboren, Krieger zu sein, und dazu wiedergeboren, um die Dunkelheit zu verjagen. Wie die Reiter von Rohan müssen wir uns daran erinnern, wer wir sind, und dann hinausreiten und dem Feind begegnen. Dann sind wir wirklich die, die wir immer schon sein sollten. Die Gruppe von Feiglingen, die sich in der Festung mit den Buntglasfenstern versteckt, das ist die Karikatur davon!
Liebe Leser, der offene Krieg steht uns bevor. Reiten Sie mit mir hinaus, um dem Feind entgegenzutreten. Befreien wir die Gefangenen und schlagen wir den Feind in die Flucht.
Dies soll die Stunde sein, in der wir gemeinsam „die Schwerter ziehen“!
1 Silvoso, E., … dass niemand verloren geht, Campus für Christus, 1999, S. 89.
2 Logan, R. E., und Clegg, T., Releasing Your Church´s Potential, ChurchSmart Resources, Saint Charles, Ill. 1998, S. 4-12.
Kapitel 2: Für eine neue Art von Gemeinde erwachen
Risiken sollten nicht nach ihren Erfolgsaussichten beurteilt werden, sondern nach dem Wert der Ziele.
Ralph Winter
Es gibt einen Unterschied zwischen dem Kennen des Weges und dem Gehen des Weges.
Morpheus in dem Film „The Matrix“
Bevor wir die organische Gemeinde beleuchten und untersuchen, wie sie wächst und sich vermehrt, bis sie zu einer Bewegung wird, die sich spontan multipliziert, ist es wichtig, dass ich Ihnen das Gesamtbild aufzeige und eine kleine geschichtliche Einführung gebe. In diesem Kapitel erzähle ich unsere eigene Geschichte, damit Sie verstehen, wie wir sozusagen in eine Bewegung hineingestolpert sind. Das tue ich nicht, damit Sie unsere Vorgehensweise nachahmen und versuchen, unseren Erfolg zu klonen, das wird nicht funktionieren. Nein, unsere Geschichte erzähle ich, damit Sie den Mut finden, Ihre eigene zu entdecken. Sie werden darin die Grundprinzipien erkennen, damit Sie das Wesentliche einer organischen Gemeindebewegung verstehen lernen. Dieses Kapitel erzählt die Geschichte eines Pastors einer ganz normalen Gemeinde, der durch Gottes Führung eine Gemeindemultiplikationsbewegung entdeckt hat.
Die Geschichte der beiden Steves
Acht Jahre lang war ich Pastor einer ziemlich normalen Gemeinde in einer südkalifornischen Vorstadt. In dieser Zeit bildeten wir Leiter aus, die neue Gemeinden gründen sollten. Letztendlich wurden drei Tochtergemeinden gegründet. Bereits in den Anfängen spürte ich, dass mein Dienst dort zeitlich begrenzt sein und ich irgendwann etwas anderes tun würde. Mit den Jahren sah ich Veränderungen im Leben vieler Menschen, Leiter entwickelten sich und der Dienst gedieh. Ich fühlte mich dort immer wohler. Es war eine großartige kleine Gemeinde, und ich dachte, dass ich dort auf Dauer bleiben könnte. Viele Male hatte ich die Gelegenheit, die Gemeinde zu verlassen, aber immer wenn ich mit Gott darüber redete, fühlte ich mich bestärkt, dort zu bleiben.
Dann veröffentlichte ich zusammen mit meinem Freund Bob Logan Materialien zur Entwicklung von Leitern.1 Sobald diese Aufgabe erledigt war, hatte ich den Eindruck, dass ich von meinem Ruf für diese Gemeinde befreit war. Es schien sich ohne Vorwarnung und in einer Zeit, in der ich nicht danach gefragt hatte, in Luft aufzulösen, aber ich war mir nicht sicher, zu welcher neuen Sache ich berufen war.
Es war in dieser Zeit,