paar Stunden zurück, damit die Leute hier ihre Arbeit machen können und wieder verschwinden. Je eher sie fertig sind, desto eher hauen sie ab.«
»Dory ist ’ne Lesbe«, sagte Patton verbittert. »Wer immer sie getötet hat … wird letztlich nicht viel dafür kriegen und es sich in einer bequemen Zelle gemütlich machen, genau wie Dan White.«
Magda Schaeffer drohte ihr mit dem Finger. »Patton, ich warne dich …«
»Die Bullen schnappen eh niemanden«, sagte die dicke Frau im Hippierock. »Es hat drei Millionen von ihnen gebraucht, um den Hillside-Würger zu finden. Und kein einziger Bulle in diesem Land konnte Patty Hearst ausfindig machen.«
Taylor schlenderte zu Patton hinüber. »Wir wären mehr als glücklich, uns alles, was Sie zu sagen haben, anzuhören«, sagte er, als er nahe bei ihr stand. Kate war mit dieser Taktik sehr gut vertraut; Taylor benutzte seinen muskulösen Leib oft dazu, einen Zeugen winzig klein erscheinen zu lassen, ihn einzuschüchtern, während er gleichzeitig seine – wie er es nannte – volkstümliche Tour abzog. »Wenn Sie so nett wären zu warten, bis wir mit Ihnen sprechen, Miss Patton …«
Schallendes Gelächter erschütterte den Raum. Patton schob ihre Matrosenmütze zurück, lehnte sich gegen das Geländer der Bar, sah zu Taylor hoch und schüttelte den Kopf; ihr lächelnder Blick glitt über ihn hinweg, so als wäre jede Unterhaltung mit ihm pure Zeitverschwendung.
»Aus welchem Jahrhundert stammen Sie denn?«, fuhr Magda Schaeffer ihn an. »Sieht Patton etwa so aus, als würde sie gern mit Miss Patton angeredet werden?«
»Reine Routine«, sagte Kate knapp. »Wir wollen niemandem zu nahe treten. Wie würden Sie gerne genannt werden?«
»Maggie«, antwortete die Barbesitzerin mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln, das einem freundlichen Fingerzeig gleichkam. Kate fühlte sich plötzlich vertraut mit ihr.
»Wir würden uns gerne die Bar ansehen«, sagte Kate. »Zur Orientierung.« Unter den gegebenen Umständen schien es sinnvoller, sich und Taylor zu entfernen, als diese Gruppe auseinanderzubringen. Sie würden die Frauen später einzeln verhören.
»Was immer Sie wünschen«, sagte Maggie mit unbestimmter Geste zur Wand hinter der Bar. »Da drüben liegt die Gewerbeerlaubnis.«
Der Tresen hatte die Form einer langgestreckten Kurve, an der eine Reihe Barhocker stand. Am Ende des Tresens stand ein mit Münzen gefülltes Glas, auf dem in sorgfältiger Schrift stand: »Aids-Hilfe Los Angeles«. Hinter der Bar, neben einem Fernseher oben an der Wand, hing ein langes Transparent: »Alive with Pride in ’85«. Ein großer nierenförmiger Spiegel wurde von lila Lampen umrahmt: Nightwood Bar war in ähnlicher Schreibschrift wie die, die Kate im Fenster gesehen hatte, darauf geschrieben, diesmal jedoch in bemalter Keramik.
»Sie haben da einen komischen Laden, Maggie«, sagte Taylor. Kate ärgerte sich sowohl über diesen Kommentar als auch über seinen Ton, der ihr plump vertraulich und herablassend vorkam.
»Das ist garantiert die einzige Bar der Welt mit einem Bücherregal«, sagte Taylor.
Kate ging quer durch den Raum und sah sich mit wachsendem Erstaunen um.
Das Bücherregal war groß – vier vollgestopfte Borde, die circa drei Meter lang waren; es stand am hinteren Ende der Bar neben einem Billardtisch, über dem ein Lampenschirm im Tiffanystil hing. Hinter dem Billardtisch standen drei Tische mit jeweils verschiedenen Spielen: Dame, Schach und Scrabble. Auf einem anderen Tisch stapelten sich Zeitschriften und Kreuzworträtselhefte, und ein anderer daneben beherbergte mehrere Kartenspiele und eine rosa Schachtel; Kate konnte die Schrift darauf entziffern: »Lesbenspiel«.
Hinter einer Tanzfläche, die kaum zwei Quadratmeter groß war, befanden sich zwei weitere zum Backgammon-Spiel aufgebaute Tische. An der hinteren Wand der Tanzfläche stand ein schmaler, hoher Tisch mit zwei Stühlen davor, vor denen jeweils ein Videospiel stand. Die Musikbox neben dem Zigarettenautomaten war dunkel. Der gesamte Raum war mit üppigen Pflanzen unter großzügigem Scheinwerferlicht dekoriert.
Unglaublich, dachte Kate. Hätte es doch nur zur Zeit meines Coming-out so was gegeben.
»Das ist genau der Laden, den ich wollte«, sagte Maggie. »Kein Ort zum Abschleppen … davon gibt’s reichlich in der Stadt.« Sie sprach zu Kate, ihre Körperhaltung schloss Taylor aus. »Keine Frau, die hierherkommt, muss unbedingt trinken oder tanzen oder Billard spielen. Sie kann für sich bleiben, Zeitschriften lesen oder ein Buch, mit anderen Frauen Karten spielen oder sonst was machen.«
Maggies Stimme war tief und ernst. »Ich serviere verdammt noch mal genauso gerne Kaffee oder Säfte wie Alkohol. Freitag- und Samstagnacht ist es voll hier, aber meine Kundschaft ist überwiegend älteren Jahrgangs und überwiegend Stammkundschaft. Die Frauen kommen hierher, weil sie eines wollen …«, sie breitete die Arme aus und schloss betont ruhig, »sich entspannen und sie selbst sein.«
»Gehörte Dory Quillin zu den Stammgästen?«, fragte Taylor.
Kate war froh, dass Taylor die Befragung wieder aufnahm; ihre eigene Konzentration war in dieser Umgebung gefährlich leicht zu zerstören. Mit einer Geste winkte Kate Taylor und Maggie und zog einen Stuhl unter dem nächststehenden Tisch hervor. Die drei setzten sich.
»Halb und halb«, beantwortete Maggie Taylors Frage und stützte ihren Turnschuh auf den freien Stuhl. Sie zündete sich eine Pall Mall ohne Filter an. »Sie hing in den meisten Bars rum, wie viele der Kleinen.«
Taylor versuchte, seinen massigen Körper dem kleinen Holzstuhl anzupassen. »Seit wann hatte sie ihren Bus auf Ihrem Parkplatz abgestellt?«
»Seit neun, zehn Monaten. Sie möchten sicher beide einen Kaffee. Roz«, rief sie, ohne eine Antwort abzuwarten, »bring uns bitte drei Kaffee, ja?«
»Danke«, sagte Kate. »Dann müssen Sie sie gut gekannt haben.«
»Eigentlich nicht.«
»Sie hat auf Ihrem Parkplatz geparkt.« Taylors Skepsis war unüberhörbar. »Hat sie auch das Klo hier benutzt?« Als Maggie nickte, konstatierte Taylor: »Da müsste doch jeder annehmen, dass Sie sich sehr nahe standen.«
Kate ärgerte sich erneut. Sie hörte die sexuelle Anspielung aus seinen Worten heraus. Maggie zuckte die Schultern und sog den Rauch tief in ihre Lunge. »Nein, sie tat mir nur leid. Haben Sie sie sich angesehen?«
»Ja«, antwortete Kate für Taylor, »das haben wir.«
Der Kaffee wurde von Roz gebracht; sie servierte die drei Becher von einem Tablett und wandte sich rasch wieder ab, nachdem die beiden Detectives die Frage nach Milch und Zucker verneint hatten.
Maggie drückte ihre Zigarette aus und sah Kate an. »Wenn Sie Dory gesehen haben, dann wissen Sie es. Ein verlorenes Kind. Ganz allein, nur sie und dieser Bus …«
»Glauben Sie, sie war wirklich einundzwanzig?«, fragte Taylor nebenbei.
»Sie konnte sich ausweisen.«
Taylor nickte.
Maggie seufzte. »Verdammt, ich weiß es nicht. Ich glaube nicht. Mein Gott, sie sah aus wie zwölf. Aber das tun viele. Je älter ich werde, desto jünger sehen die anderen aus. Sie hier parken zu lassen war das Wenigste, was ich für sie tun konnte. Im Übrigen beruhte das auf Gegenseitigkeit. Wir schließen zwar um zwei, aber ich brauche irgendeinen Schutz nach Feierabend; der Laden liegt zu abgelegen. Mein letzter Wachhund hat seine Leine durchgebissen und ist auf und davon, Dory bot mir an, eine Weile zu bleiben. Seitdem war sie hier, nicht jede Nacht, aber ziemlich oft …« Maggies verzog den Mund. Sie fuhr sich mit der Hand durch ihr struppiges weißes Haar. »Ich dachte, sie wäre hier sicherer als …« Sie machte eine wegwerfende Bewegung, eine Geste der Vergeblichkeit.
»Da haben Sie aber einer Frau, von der Sie kaum etwas wussten, verdammt viel Vertrauen entgegengebracht.« Taylor sah nicht von seinem Notizbuch auf. »Ihr den Schlüssel zu dem Laden hier zu geben … mit all dem Alkohol.«
Maggies kräftige raue Hände fassten den Kaffeebecher fester. »Man schätzt Leute ein, man vertraut ihnen.