Katherine V. Forrest

Die Tote hinter der Nightwood Bar


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wir vom Baseballfeld gingen«, antwortete Maggie knapp.

      »Von welchem?«

      »Plummer Park.« Maggie wandte sich an Kate. »Wir hatten verabredet, hier noch ein paar Bier zu trinken. Dory hatte abgelehnt, sie müsse sich noch um ein paar Sachen kümmern. Ich habe ihren Wagen gehört, als sie wiederkam, aber sie kam nicht rein. So gegen sechs Uhr bin ich rausgegangen zur Mülltonne …« Die feste Stimme versagte.

      Kate fing Taylors Blick ab und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, Maggie einen Moment Zeit zu geben, um sich zu fassen. Sie vervollständigte ihre Notizen, fasziniert von der Vorstellung, dass Maggies Verhalten vielleicht eine wohlüberlegte und besonders raffinierte Irreführung war.

      »Erinnern Sie sich daran«, fragte Kate, »um welche Zeit Sie den Wagen kommen hörten?«

      »Gegen halb sechs, vielleicht etwas später.«

      »Wann sind die anderen aus ihrer Gruppe gekommen?«

      »In jeweils fünfminütigem Abstand, wir waren mit verschiedenen Autos unterwegs.«

      »Ja, natürlich«, sagte Kate nickend. Maggie lächelte sie an, wobei ihre harten Gesichtszüge weicher wurden und feine, gekräuselte Linien um Mund und Augen entstehen ließen. Kate widerstand einem Gefühl von Zuneigung und fuhr nüchtern fort: »Waren die Frauen, die jetzt hier sind, alle anwesend, als Sie die Leiche entdeckten?« Maggie nickte, und Kate fragte weiter: »Die Bar öffnet um fünf?«

      »Sonntags um vier.«

      »Dann war jemand da, bevor Sie hier ankamen, um den Laden zu betreuen?«

      »Roz. Sie hilft bei mir aus. Nur fünf von uns waren auf dem Baseballplatz. Ash war hier und auch …«

      »Die Namen gehen wir gleich durch«, unterbrach Kate sie und machte sich rasch ein paar Notizen. »Wir müssen noch mehr darüber wissen, was geschah, nachdem Sie hier angekommen waren. Ist jemand zwischendurch weggegangen?«

      »Nein. Bestimmt nicht. Selbst wenn der Laden voll ist, weiß ich genau, was in meiner Bar vorgeht.«

      »Wollen Sie damit sagen«, fragte Taylor, »dass keine der Frauen auch nur für einen Moment hinausgegangen sein könnte, ohne dass Sie es bemerkt hätten?«

      »Natürlich hätten sie gekonnt.« Maggie stand abrupt auf. »Kommen Sie mit.«

      Sie führte sie zum hinteren Ende der Bar, um die Ecke herum zu einem engen, gekachelten Durchgang. Unmittelbar gegenüber der Hintertür der Nightwood Bar befand sich eine Tür, auf der »Frauen« stand.

      »Jede, die aufs Klo gegangen ist, hätte auch hinausgehen können. Und jetzt wollen Sie bestimmt wissen, wer alles aufs Klo gegangen ist.«

      Kate lächelte; sie hatte das gerade fragen wollen.

      Maggie zündete sich eine weitere Pall Mall an, öffnete einen der zahllosen Reißverschlüsse und stopfte die Streichhölzer hinein. Sie wies zur Tür. »Sie ist wohl immer noch draußen, was? Dory, meine ich.«

      »Es braucht seine Zeit«, sagte Kate sanft. »Wir wollen niemandes Würde verletzen, bitte glauben Sie mir das. Wir müssen ungeheuer vorsichtig sein, denn wenn wir jetzt Fehler machen, dann können wir sie nie wieder gutmachen. Der Gerichtsmediziner wird bald kommen und sie holen.«

      »Ich verstehe«, sagte Maggie und ging zurück zu ihrem Tisch. »Es ist nur, weil … die arme Kleine …«

      Kate setzte sich und griff nach ihrem Kaffee. Da draußen zu liegen, dachte sie, war wohl die geringste Demütigung, die Dory Quillins Körper noch zu ertragen haben würde. »Was können Sie uns über sie sagen?«, fragte sie. »Womit hat sie sich und ihren Bus finanziert?«

      Maggie zog die Schultern hoch und schnippte mit einem narbigen Daumennagel die Asche von ihrer Zigarette. »Ich habe es mir zum Prinzip gemacht, nicht danach zu fragen, wovon meine Kundschaft lebt. Wenn Sie zwanzig Jahre in diesem Geschäft sind, dann lernen Sie, sich anzuhören, was die Leute Ihnen erzählen wollen, und vorsichtig mit Fragen zu sein – selbst bei Dingen, über die sie von sich aus sprechen.«

      »Aber Sie wissen, dass sie Eltern hat«, hakte Kate, die die Ausflüchte spürte, nach. »Sie wohnen hier in der Gegend, stimmt’s? Woher wussten Sie das?«

      »Sie hat von ihnen gesprochen. Keine Einzelheiten, nur verbitterte Bemerkungen.«

      »Zum Beispiel? Was hat sie gesagt?«

      »Das weiß ich wirklich nicht mehr so genau. Was man unter diesen Umständen so erwartet … dass sie nicht einverstanden waren mit dem, was sie tat … Ich kann mich ehrlich nicht erinnern.«

      »Warum haben die sie rausgeschmissen?«, fragte Taylor. »Wie konnten sie so ein Mädchen einfach in einem Bus leben lassen?«

      Was für eine absolut idiotische Frage, dachte Kate und wartete auf Maggies Antwort.

      »Warum die sie rausgeschmissen haben«, wiederholte Maggie. Ihre tiefliegenden Augen blickten kalt. »Detective Taylor, sehen Sie sich doch einmal in den Homo-Bars um. Verdammt viele von uns sind von unseren Familien rausgeschmissen worden. Meine eigenen Eltern waren der Ansicht, es könnte nichts Schlimmeres geben als eine lesbische Tochter.«

      »Das weiß ich natürlich«, tönte Taylor vollmundig, »uns begegnen alle möglichen Kids auf der Straße … aber mein Gott, wenn man dieses Mädchen sieht, fällt es einem doch schwer, sich vorzustellen … Ich verstehe nicht, wie irgendjemand sie einfach …«

      Und meine Eltern, fragte sich Kate, wie hätten sie wohl reagiert? Sie hatte nie gewagt, es ihnen zu sagen – und jetzt war es zu spät, sie waren tot.

      »Wie steht es mit Liebesaffären?«, fragte Kate und unterbrach Taylors Gestotter. »Hatte sie mit einer der Frauen hier eine Beziehung?«

      Maggie verdrehte die Augen. »Sie erwarten wohl nicht, dass ich Ihnen diese Frage beantworte. Ich weiß nicht, welche Frau gerade mit welcher zusammen ist. Genauso gut könnten Sie von mir verlangen, auf einen Kaninchenstall aufzupassen.«

      Kate und Taylor schmunzelten. »Also gab es«, fragte Kate weiter, »Ihres Wissens keine spezielle Freundin, ist das richtig?«

      Maggie verlagerte ihr Gewicht von einer Seite auf die andere. »Na ja … ich glaube, da gab es vielleicht mal eine; das ist schon eine Weile her.« Sie zuckte mit den Schultern. »Dory stand auf ältere Frauen, die jüngeren schienen sie nie zu interessieren, obwohl viele von ihnen hinter ihr her waren. Sie hätte es wohl selbst mit diesen uralten Knochen hier versucht, wenn ich sie irgendwie ermutigt hätte.«

      »Das haben Sie aber nicht?«, sagte Taylor und sah sie aufmerksam an.

      Maggie starrte zurück. »Wenn ich Kinder wollte, wäre ich heterosexuell.«

      Taylor grinste verunsichert und widmete sich wieder seinen Notizen.

      »Das Baseballspiel heute«, sagte Kate, »hat Dory mitgespielt?«

      »Ja.«

      »Haben Sie auch gespielt?«

      »Machen Sie Witze? Ich geh manchmal hin, es macht Spaß, den Mädels zuzusehen. Die jungen Frauen aus den anderen Bars stellen ein Team zusammen, und hin und wieder spielen wir gegeneinander.«

      »Diese Frauen aus den anderen Bars«, hakte Taylor ein, »haben Sie bemerkt, ob Dory mit einer von ihnen gesprochen hat? Vielleicht mit einer weggegangen ist?«

      Maggie schüttelte den Kopf. »Allesamt zu jung für sie. Soweit ich mich erinnere, kannte sie kaum eine, mit der sie hätte sprechen können. Außerdem waren sie alle weg, bevor wir den Platz verließen.«

      »Hat sie sich irgendwie … anders verhalten?«, fragte Kate. »Irgendwie untypisch?«

      Maggie stützte ihr Kinn in eine Hand und schloss beim Nachdenken halb die Augen. »Na ja … sie war immer etwas überdreht … und das war sie heute auch, vielleicht etwas mehr als sonst. Sie war gerade wiedergekommen, nachdem sie ein, zwei Tage außerhalb der Stadt gewesen war …«