Gabriele Lukacs

Unheimliches Wien


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ein altes Haus am Magdalenengrund, einem Stadtteil im 6. Bezirk, benannt nach der heute nicht mehr existenten Magdalenenkapelle am Stephansplatz, deren Bruderschaft das Areal einst gehörte. Die Gegend hieß früher „Am Saugraben an der Wien“ oder im Volksmund „Ratzenstadl“. Das war zwar nicht schmeichelhaft, gibt aber die damaligen Verhältnisse recht gut wieder. Eine Wiener Sage erzählt denn auch vom Rattenfänger vom Magdalenengrund. Das ehemalige Ratzenstadl war das Häuser- und Straßenquadrat in Wien-Mariahilf, gebildet von der heutigen Kaunitzgasse (wo mit Nummer 7 noch das letzte alte Haus steht), der Dürergasse, der Proschkagasse und der Linken Wienzeile. Die Magdalenenstraße verlief diagonal durch das Viertel. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Stadt Wien das Viertel zu sanieren, heute ist es ein idyllischer Stadtteil mit revitalisierten Biedermeier-Häusern.

       Das ehemalige Ratzenstadl auf dem Magdalenengrund (Modell im Bezirksmuseum Mariahilf)

       Grausiger Skelettfund in einem Keller der Magdalenenstraße

      Zurück zum Fund, den geschockte Mitarbeiter eines Räumungsdienstes am Dreikönigstag des Jahres 2009 machten. In einem Kellerabteil des Ratzenstadls in der Magdalenenstraße fanden sie – in Zeitungspapier gehüllt und unter einem Kohlenberg versteckt – menschliche Schädel und Knochen. Der neue Mieter einer Wohnung hatte das Abteil entrümpeln lassen und nicht die geringste Ahnung, was dieser makabre Fund zu bedeuten hatte. Er rief die Polizei, die den Fall untersuchte. Da das Datum der Zeitung unleserlich war, weil komplett vermodert, tippte man auf ein Alter der menschlichen Überreste von mindestens 60 bis 70 Jahren, was die gerichtsmedizinische Untersuchung dann bestätigte. Woher und von wem die Knochen stammten, konnte aber niemand herausfinden. Vielleicht handelte es sich nur um „Studienobjekte eines Sammlers“. Warum diese dann nicht in einer Vitrine, sondern unter den Kohlen lagen, ist damit nicht erklärt. Unweit vom Ratzenstadl liegt ein Wiener Luftschutzbunker unter dem Esterhazypark. Es könnte möglich sein, dass die aufgefundene Person während eines Luftangriffs im Zweiten Weltkrieg versuchte, diesen durch die unterirdischen Gänge zu erreichen, es aber nicht mehr schaffte und im Keller umkam. Später dürfte ein Berg Kohlen in den Keller deponiert worden sein, der die Leiche bedeckte. Wie die Knochen dann aber den Weg in das Zeitungspapier fanden, bleibt nach wie vor rätselhaft. Ältere Bewohner des Viertels, die sich noch an die Zeit des berüchtigten Ratzenstadls erinnern konnten, meinten, der Knochenfund stamme von einem Bewohner des Hauses, der unbekannterweise verstorben und offensichtlich von niemandem vermisst worden war. Seine Leiche wäre von den allgegenwärtigen Ratten abgenagt worden. Eine unheimliche Vorstellung, die jedoch die Zustände in der alten Rattenburg treffend beschreibt. Die Frage nach dem Zeitungspapier bleibt damit aber noch immer unbeantwortet. Ob vielleicht dem Ableben der bedauernswerten Person nachgeholfen wurde? Das lässt sich nicht mehr feststellen. Möglicherweise tauchen aber noch mehr solch unheimlicher Funde auf, denn die Wiener Häuser sind durchgehend unterkellert und viele davon harren noch ihrer Entrümpelung.

       Im Restaurant Kaiserwalzer ereignen sich unerklärliche Vorkommnisse. Ist das Münzwardeinschlössl der Ausgangspunkt des Geisterspuks?

       Schaurige Keller im ehemaligen Ratzenstadl. Verbergen sich hier noch unentdeckte Leichen?

      Unerklärliche Vorkommnisse im Restaurant Kaiserwalzer

      Im nahe gelegenen Restaurant „Kaiserwalzer“ 6., Esterházygasse 9, einer ehemaligen Möbelfabrik, ereignen sich seit Jahren unerklärliche Vorkommnisse. So erzählen die Herren „Ober“, dass ohne ihr Zutun immer wieder Gläser aus den Regalen fallen oder sicher verwahrtes Geschirr zu Boden fällt. Unerklärliche Geräusche wie Möbelrücken und Türenknallen wie von Geisterhand sollen keine Seltenheit sein. Die nicht geistergläubigen Angestellten versicherten der Autorin, dass sie eine unterirdische Wasserader für die Verursacherin des Spuks hielten. Unmöglich ist das nicht, denn der nahe Wienfluss wird genau an dieser Stelle von mehreren Wasserläufen gespeist, unter der heutigen Mollardgasse floss einst der Mühlbach, der Wasser aus der Wien und ihren Zuflüssen führte. Über häufige Geistererscheinungen im hinteren Teil des Lokals und auf der Treppe zur Toilette wurde bereits vor einigen Jahren in einem Buch berichtet. Möglicherweise ist aber auch das Nebenhaus, das „Münzwardeinschlössl“, der Ausgangsort des Geisterspuks, denn hat nicht jedes Schloss seinen Poltergeist? So denkt man zumindest in Großbritannien, dem Land der Schlossgespenster.

       TIPP

       Bezirksmuseum: 6., Mollardgasse 8: Öffnungszeiten Donnerstag 10 : 00 – 12 : 00 und Sonntag 11 : 00 – 13 : 00 (und nach Vereinbarung). Ein 3 mal 3 Meter großes Modell des Magdalenengrundes aus der Zeit um 1900 stellt das Prunkstück des Museums dar.

       Literaturtipp: Christof Bieberger u. a.: Spuk in Wien, Wien 2004.

      10. DAS KATZENSTEIGHAUS

      1., SEITENSTETTENGASSE 6/RABENSTEIG 3

      Manche Häuser wirken finster und unheimlich, so das Eckhaus Seitenstettengasse/Rabensteig. Die Autoren gingen der Vermutung nach, dass möglicherweise eine Gruselgeschichte daran festgemacht werden kann, und wurden fündig.

      Als in der Seitenstettengasse noch ein Stadttor stand, schlich der Legende nach nächtens eine große, weiße Katze über die Dächer der Häuser. Jeder, der sie erblickte, wurde vom Pech verfolgt, und jedem, der sich ihr näherte, fügte sie mit ihren scharfen Krallen tiefe Wunden zu. Das Tor wurde nach diesem Tier Katzensteigtor benannt, in Wahrheit wohl aber eher nach der „Katze“, einem Wort für einen Teil der Stadtbefestigung.

       Schauplatz einer alten Wiener Sage: das Katzensteighaus an der ehemaligen römischen Stadtmauer

      Der Besitzer des Hauses Nummer 6 soll ein wüster Geselle gewesen sein, von niemandem wohl gelitten. Eines Tages verfiel er einem lasterhaften Weib. Gemeinsam heckten sie den teuflischen Plan aus, die ehrbare Ehefrau des Wüstlings zu ermorden, um fortan zusammen zu leben. Das Gift mischten sie in die Speisen, doch durch einen Zufall wurden die Teller verwechselt und die Ehebrecherin nahm das Gift zu sich. Sie stürzte zu Boden, wand sich jämmerlich wie eine räudige Katze, sprang aus dem Fenster und brach sich das Genick. Von Stund an war sie dazu verdammt als unheimliche Katze über die Dächer zu streifen (frei nach Gustav Gugitz, Sagen und Legenden der Stadt Wien). Soweit die Sage, doch recht geheuer ist die Gegend wirklich nicht.

      Das Unglückshaus am Katzensteig

      Auf dem Haus in der Seitenstettengasse beim ehemaligen Katzensteigtor scheint tatsächlich ein Fluch zu liegen. Keinem seiner Besitzer hat es Glück gebracht. Immer waren es unvorhersehbare Ereignisse und unheimliche Pechserien, die über diese hereinbrachen.

      Ursprünglich hieß das Haus „Pempflingerhof“, errichtet 1486 aus mächtigen Steinquadern vom Stadtrichter Christoph Pempfling. Seine Frau Dorothea, eine resolute Wienerin, soll selbst den Teufel das Fürchten gelehrt haben. Aus ungeklärter Ursache brach während einer totalen Mondfinsternis am 15. September 1522 ein Feuer auf dem Kienmarkt aus und zerstörte das Gebäude bis auf die Grundmauern. Im Jahr 1555 erwarb Bonifaz Wolgemut, der bekannte Zeichner des ersten Wiener Stadtplans, das Grundstück und errichtete das Gebäude neu, doch stürzte es beim Erdbeben des Jahres 1590 ebenso wie die Häuser der ganzen Umgebung ein. Sein Sohn Mathias Wolgemut erwarb einen Teil der benachbarten Ruinen dazu, renovierte