Christian Zitzl

Im Labyrinth des Kolosseums


Скачать книгу

die Bau- und Dekorformen im Vergleich mit anderen Amphitheatern aus der römischen Welt und die schriftliche Überlieferung antiker Autoren unter dem Aspekt der Bau- und Nutzungsgeschichte des Kolosseums analysierten. Entscheidende Anregungen für dieses Vorhaben gab uns Christine Ertel, die durch ihren frühen Tod im Jahr 2015 ihre Beiträge zu dem vorliegenden Werk nicht vollenden konnte. Durch ihre Kommentare und Interpretationen der Grabungsbefunde lieferte sie wertvolle Bausteine für die Zielvorgaben der Untersuchung, in die ihre hinterlassenen Texte in einer ergänzten Fassung eingearbeitet wurden. Dank ihrer Verdienste um die antike Bauforschung ist die vorliegende Publikation Christine Ertel gewidmet, deren sachkundige und zielorientierte Arbeit uns in Zukunft fehlen wird. Für Ratschläge und Hilfestellungen danken wir Heide Behrens, Heinz Beste, Felice Costabile, Mira Fischer, Barbat Gheorghe, Rüdiger Gogräfe, Uta Hassler, Nicolò Masturzo, Günter Reinhart, Nicole Röring, Andreas Scholl und Stephan Zink. Schließlich gebührt unser Dank Annette Nünnerich-Asmus und ihren Mitarbeiterinnen für die reibungslose Zusammenarbeit bei der Herstellung der vorliegenden Publikation.

Klaus Stefan Freyberger
Christian Zitzl München/​Freyung, Juni 2016

      Einleitung

      Kein antikes Bauwerk in Rom vermag eine so große Faszinationskraft auf die Besucher auszuüben wie das Kolosseum (Abb. 1, 2). Als meistbesuchter Attraktions- und Erinnerungsort im Herzen der Ewigen Stadt wird das Bauwerk bis heute nicht nur von Touristen, sondern auch von Künstlern, Architekten und Altertumswissenschaftlern aus aller Welt aufgesucht.

       Forschungsgeschichte

      Abb. 1: Rom, Kolosseum, Fassade, Nord-West-Ansicht.

       Ziel und methodische Durchführung der Arbeit

      Trotz der großen Anzahl kritischer Studien wurden die bis heute fest verankerten Vorstellungen über die Baugeschichte des Kolosseums nie in Frage gestellt. Dieser Tatbestand mutet umso merkwürdiger an, da die Bau- und Dekorformen Anhaltspunkte liefern, die auf eine entschieden ältere Entstehungszeit des Gebäudes verweisen. Was für alle Repräsentationsbauten gilt, trifft nämlich auch für Theater und Amphitheater zu: Die Fassade eines flavischen Monuments kann kaum genauso aussehen wie die eines wesentlich älteren Bauwerks, zumal es keine feststehende funktionale Fassadengestaltung gibt. Aus diesem Grund ist zu überprüfen, inwieweit die Datierung des Kolosseums in flavische Zeit ihre Berechtigung hat.

      Zudem ist schwer vorstellbar, dass ein Monumentalbau wie das Kolosseum ausgerechnet an die Stelle eines Sees gesetzt worden sein soll. Kein Architekt würde jemals versuchen, ein solches Areal als Baugrund zu wählen, wenn andere Bauplätze zur Verfügung stehen. Ein See hinterlässt, auch wenn er trockengelegt ist, einen weit schlechteren Baugrund als ein von vornherein trockenes Gelände. Man hätte die Fundamente aus opus caementicium auf einen Pfahlrost setzen und immer mit hohem Grundwasser rechnen müssen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die Angaben antiker Autoren, die sich auf den künstlichen See, das stagnum, beziehen, einer anderen Erklärung bedürfen.

      Angesichts dieser Ungereimtheiten setzten sich die beiden Autoren in der vorliegenden Arbeit das Ziel, das herkömmliche Bild über die Bau- und Nutzungsgeschichte des Kolosseums kritisch zu überprüfen. Dabei wurden die Befunde der Grabungen im Bereich des Kolosseums und der Meta Sudans, die Bau- und Dekorformen unter Berücksichtigung technischer Kriterien, aufschlussreiche Bildwerke des Kolosseums sowie die Bauinschriften und die schriftlichen Zeugnisse antiker Autoren zu diesem Bauwerk eingehend analysiert. Eine ausführliche Konfrontation mit anderen Amphitheatern dient dazu, die Chronologie des stadtrömischen Monumentalbaus zu präzisieren. Da im Rahmen dieser Studie nur eine begrenzte Auswahl von Vergleichsbeispielen herangezogen werden kann, wurden signifikante, für die Zielvorgaben der Arbeit aussagekräftige Bauwerke ausgewählt. Aus der Vernetzung und Gesamtschau aller Fakten ergaben sich inhaltliche Aspekte, die das herkömmliche Wissen über die Baugeschichte des Kolosseums in ein neues Licht stellen. Wenn auch die Resultate von hypothetischem Charakter sind, so zeigen sie doch das größte Amphitheater der Antike in einem erweiterten historischen Kontext, der Anregungen zu zukünftigen Untersuchungen mit neuen Aufgabenstellungen geben soll.