setzen deren Raumsystem nicht fort.19 Die Orientierungen der Mauern bleiben gleich, aber in diesem Bereich fanden sich weder die für das südöstliche Raumsystem kennzeichnenden Mauerpfeiler, noch ähnliche Raumgrößen. Vermutlich wurde von den neuen, nicht weiter erläuterten Leitungskünetten für die 1992 erneuerten Gasleitungen ein anderes Gebäude angeschnitten. Wie auch immer die beiden Substruktionssysteme und die anderen Mauerzüge zu interpretieren sind, so reichen die ausgegrabenen Reste keinesfalls für die Rekonstruktion des von Sueton erwähnten künstlichen Sees aus. Trotzdem wird an seiner Existenz und an den postulierten Maßen festgehalten.20 Für ein Wasserbecken mit einer Fläche von ca. 40.000 qm gibt es keinerlei archäologische Beweise; es wurden auch keine Wasserzu- oder -ableitungen gefunden, die für eine Anlage dieser Dimension ebenfalls reichlich ausgelegt gewesen sein müssten.
Ausgrabungen in der Arena des Kolosseums
Bei den Ausgrabungen in den Jahren 1986, 1995 und 1998/1999 im Bereich der Arena kamen in fünf der acht Schnitte ältere Baureste zum Vorschein.21 Die Strukturen wurden in das jüngere Bauwerk integriert oder von ihm gestört. In den Grabungsfeldern von 1, 19 und 27 aus den Jahren 1986 und 1995 wurden Tuffmauern freigelegt. An ihnen ist eine Ost-West orientierte Verbauung des Geländes ablesbar, die in die Zeit vor der Herrschaft Neros zu datieren ist. In Schnitt 1 legt sich ein Boden in opus signinum darüber. Dieser ist den Fußböden der Domus unter dem Tabularium und der Kammern des von Portiken umgebenen oberen Hofs des Heiligtums von Praeneste ähnlich. Aufgrund der Übereinstimmungen mit den verglichenen Böden sind die Bodenreste unter dem Kolosseum entweder in die letzten Jahrzehnte des 2. oder spätestens in die 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. zu datieren.22 Auf dem Boden befindet sich ein Brandschutt, der wie fast alle Brandschichten im Bereich des Kolosseums in Verbindung mit dem neronischen Stadtbrand gebracht wird.
Im Schnitt 1995 zeichnen sich drei ältere Bauphasen ab. Über der ältesten freigelegten Quadermauer zeigten sich Spuren eines jüngeren Mauerzugs und schließlich ein Stampfboden. Aus der unregelmäßigen Anordnung der Mauerreste und der Existenz mehrerer älterer Bauphasen wird auf eine lebhafte Bautätigkeit in der späten Republik geschlossen. Auf der Tuffmauer US 18 ruht unmittelbar die als flavisch angesehene Bodenplatte aus opus caementicium23, die sogenannte Masicciata, die auch die Peperinmauer US 1915 in Schnitt 19 überdeckt. In die als Masicciata bezeichnete Schicht wurden die einzelnen Tuffquader der aufgehenden Mauern um einige Zentimeter eingetieft. Nur in Schnitt 27 liegt zwischen der Quadermauer eine Planierschicht mit Travertin- und Tuffbrocken sowie umgelagerten Keramikfragmenten aus dem 3. – 1. Jh. v. Chr.24 Diese Planierung kam auch in Schnitt 6 zum Vorschein25, die beim Abriss der Vorgängerbebauung und der Einebnung des Geländes in Niveauhöhe von 15,50 – 15,71 m entstand. Von diesem Niveau aus wurden die Fundamentgräben der Tuffmauern ausgehoben, die sich unter der Masicciata fortsetzten. Es zeigten sich keine Anzeichen für ein künstliches Wasserbecken. Dieser Befund führte zu der Annahme, dass ein solches zwar existiert hatte, aber bei der Herstellung des sogenannten flavischen Bauniveaus völlig zerstört wurde. Die aus opus caementicium errichteten Fundamente des Kolosseums bestehen aus zwei ellipsenförmigen Ringen von 6 m Höhe.26 Der untere Ring wurde nur sehr beschränkt durch Grabungen und Bohrungen nachgewiesen, der obere Ring ist sichtbar. An der Südseite des Amphitheaters kam die äußere Ringmauer des jüngeren Fundaments mit einer Breite von 1,20 – 2,50 m zum Vorschein, welche die Baugrube begrenzte. Die Fundamente setzen sich stufenförmig über die älteren Baureste hinweg.
Im Jahr 2000 wurden sechs Bohrungen im Bereich der Arenaeinbauten ausgeführt.27 Vier von ihnen stellten die Fundamenttiefe der Tuffmauern mit 3,25 m fest. Die Bohrkerne wiesen unterschiedliche Ausführungen der Fundamente nach, die auf das unregelmäßige Gelände zurückgeführt werden. Da die Tuffblöcke der Mauern nicht direkt auf den Streifenfundamenten, sondern auf der Grundplatte der Masicciata ruhen, besaß das Untergeschoss der Arena demnach eine Bodenoberfläche, die zunächst ohne Mauern genutzt wurde. Die Blöcke des opus quadratum aus Monteverde-Tuff erreichten Maße bis zu 2,40 × 1,30 × 0,90 m.
Zwischen den Befunden der spätrepublikanischen Zeit und der vermuteten flavischen Bauzeit des Kolosseums besteht eine chronologische Lücke. Daraus folgt zwingend, dass nach den beschriebenen Befunden das Kolosseum spätestens in die spätrepublikanische Zeit und zwar in den Zeitraum vom Ende des 2. Jhs. bis in die 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. datiert werden muss.
Nach der Planung und Ausführung der Fundamente während der Herrschaft des Kaisers Vespasian wurden im Jahr 80 n. Chr. die Einweihungsspiele von dessen Sohn Titus veranlasst. Das aufgehende Mauerwerk stammt angeblich aus der Regierungszeit des Titus und Domitian.28 Angesichts der für ein Bauwerk dieser Dimension auffallend kurzen Zeitspanne vom Entwurf bis zur Einweihung (ca. zehn Jahre) und der chronologischen Lücke im Fundmaterial überrascht vor allem die Tatsache, dass aus dem vermeintlich flavischen Bauniveau keine flavischen Funde erwähnt wurden.
Die Holzabdeckungen in der Arena
In den Untergeschossen der Arena wurden Reste einer Bauphase vorgefunden, die noch vor der Errichtung der Tuffmauern in Benutzung stand. Ein System von Quadern aus Travertin mit quadratischen Pfostenlöchern trug senkrechte und darüber waagrechte Holzbalken, die in die Umfassungsmauer der Arena einbanden. Zueinander halten sie einen Abstand von 1,50 m ein.29 Man nimmt an, dass diese Konstruktion für eine der Einweihungsfeiern 79 oder 80 n. Chr. entstand. Mit ihr war es möglich, die noch unbebaute Fläche des Untergeschosses für Naumachien (Seeschlachten) zu nutzen. Diese sind von Martial (Liber spectaculorum 24–26, 30) und Sueton (Domitian 4) schriftlich bezeugt. Die durch große Nischen und Steinkonsolen belebte Umfassungsmauer hätte bei diesen Veranstaltungen eine Art Bühnenhintergrund geboten.
Für die Abdeckung der Arena in vespasianischer Zeit ersetzte man die einzelnen Pfostenhalter aus Travertin durch Ost-West orientierte Mauerzüge aus Tuff, die das Untergeschoss in die 2 – 4 m breiten Korridore A bis H unterteilten. Diese Mauern waren 0,90 m tief und 6,30 m hoch. Man geht davon aus, dass sie zu schwach bemessen waren und nachträglich verstärkt werden mussten. Die Holzabdeckung der Arena ist anhand der Spuren auf den Oberlagern der erhaltenen Tuffmauern rekonstruierbar (Phase A).30 In den schwalbenschwanzförmigen Aussparungen auf den Mauerkronen lagen kurze Querhölzer, die parallel zu den Mauern verlaufende Pfetten unterstützten. Diese trugen Querbalken, die den betreffenden Korridor überspannten und auf denen die Bohlen des Bretterbodens auflagen.
Allen Phasenbeschreibungen am Kolosseum ist anzumerken, dass die chronologische Prämisse eines Neubaus auf der grünen Wiese bzw. im See in flavischer Zeit Probleme aufwirft. Die Bauabfolge muss auf einen sehr kurzen Zeitraum zusammengedrängt werden. Der Entwurf wird der Regierungszeit des Kaisers Vespasian zugeschrieben. Die Mittel für den Bau kamen aus der Beute des Jüdischen Kriegs und standen demnach wohl erst ab 71 n. Chr. zur Verfügung. Das Gebäude wurde aber laut der Überlieferung von Sueton (Domitian 4,1) erst während der Herrschaft des Kaisers Domitian fertiggestellt, der bereits wieder die hölzerne Arenaabdeckung für die Einweihungsfeier durch Titus mit Mauereinbauten erneuern musste.31 Es erscheint unsinnig, dass eine höchstens zehn Jahre alte Struktur