Jan Eik

Verhängnis in der Dorotheenstadt


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zwischen dem Wohlstand im Haus der Großeltern und der andauernden großmütterlichen Diskretion aufgegangen. Mit größter Wahrscheinlichkeit waren seine eigenen Studien mit hohenzollernschen Schweigegeldern finanziert worden! Eine Erkenntnis, die ihn tief getroffen, jedoch in seiner Absicht bestärkt hatte, sich der Aufklärung der Geheimnisse in der weitverzweigten Stammtafel seines wahren Großvaters zu widmen.

      Dass sich daraus keinerlei Erbansprüche ableiten ließen, war ihm schnell klargeworden, minderte jedoch seine Wissbegierde nicht im Geringsten. Erst vor einigen Tagen war ihm ein Dokument in die Hände gefallen, das ihm die unumstößliche Gewissheit über die nichteheliche Abkunft eines gewissen Prinzen zu bieten schien. Immer wieder hatte er es studiert, bevor es in dem Versteck verschwand, das er seit einiger Zeit für diesbezügliche Papiere benutzte. Eines Abends nämlich hatte ihm Albertine voller Verlegenheit von einem vorgeblichen Besucher des prinzlichen Vorreiters berichtet, dem sie unverhofft auf der steilen Stiege zur Mansarde begegnet war.

      Es handelte sich um einen Mann mittleren Alters, recht ordentlich gekleidet und frisiert, der trotz fehlender Livree durchaus als Bote des prinzlichen Hauses gelten konnte. Dennoch blieb Albertine misstrauisch. Kam der etwa direkt aus Heidenreichs Laboratorium, nachdem er möglicherweise bereits dessen Stube durchsucht hatte? Zur Rede gestellt, wusste der angebliche Bote nur Ungereimtes zu seiner Entschuldigung vorzubringen, bis der als Zeuge angerufene und von einer Spirituswolke umflorte Vorreiter ihm bescheinigte, die Spielvogel’sche Stube erst wenige Augenblicke zuvor verlassen zu haben.

      Gestohlen hatte er nichts. Heidenreich vermutete dennoch Böses und war seitdem auf der Hut. Fortan verbarg er alle wichtigen Aufzeichnungen und Papiere. Hätte er erfahren, dass Albertine dem fremden Besucher wenige Tage darauf ein weiteres Mal begegnet war, so hätte ihn die Angelegenheit wohl noch stärker beunruhigt. Der Mann hatte Albertine auf offener Straße ganz unverblümt angesprochen und nach ein paar einleitenden Schmeicheleien begonnen, sie über die Bewohner ihres Vaterhauses auszuhorchen. Dabei ließ er durchblicken, zu derartiger Kundschafterei durchaus berechtigt zu sein. Überdies sei sie allein wegen der nicht vergessenen Bekanntschaft mit einem gewissen Ludwig zu derartigen Auskünften verpflichtet, und es sollte nicht ihr Schaden sein, ihm damit behilflich zu sein.

      Aufgewühlt von Ludwigs Erwähnung und gerade deshalb voller Empörung, hatte Albertine sich abgewandt und den dreisten Kerl dabei so heftig mit ihrem gefüllten Marktkorb getroffen, dass er über dem tiefen Rinnstein ins Stolpern geriet, seinen Zylinder verlor und seine Haartracht ihm über die ein wenig hervorquellenden Augen rutschte.

      Albertine, eingedenk der Unruhe, in die bereits der erste Auftritt des Subjektes den Doktor Heidenreich versetzt hatte, verlor trotz aller Furcht, die sie vor allem Ludwigs wegen empfand, auch ihren Eltern gegenüber kein Wort über das beklemmende Erlebnis. An diesem Abend jedoch, nachdem Heidenreich seinen Kaffee getrunken hatte, war sie drauf und dran, ihm von dem glubschäugigen Spitzel zu berichten, den sie kurz zuvor bei einem Blick aus dem Fenster bemerkt hatte.

      Heidenreich jedoch blickte auf seine Repetieruhr, die offen auf dem Tisch vor ihm lag, und sprang auf. »Mein Gott, Gontard muss längst zurückgekehrt sein aus seiner Einöde!«, rief er aus. »Er wird höchst gespannt auf meine neuesten Erkenntnisse warten!«

      Daran zweifelte Albertine ein wenig, brachte es aber nicht übers Herz, Heidenreichs Euphorie zu dämpfen. Er glaubte stets, alle Welt müsse sich brennend für das interessieren, was ihn im Augenblick bewegte.

      »Kommen Sie nicht wieder so spät nach Hause!«, war alles, was sie ihm mahnend hinterherrief, während er die steile Stiege hinabkletterte und es, entgegen seinen eigenen Anweisungen, wieder einmal ihr überließ, hier oben Ordnung zu schaffen.

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