befördern. Freilich würde die Kommunikationseinheit mit mehr Information gefüttert werden, als die extrasolare Exploration der letzten Jahrzehnte zutage gefördert hatte. In den wenigen Monaten unserer Dislozierung waren schon mehrere tausend neue Galaxien kartiert worden, von den flugdynamischen Erfahrungen eines Aufenthaltes Millionen Lichtjahre jenseits des Andromedanebels zu schweigen.
Ich begab mich zu den federführenden Wissenschaftlern, bei denen sich jetzt auch Jennifer befand.
»Wie ich sehe, machen Sie Fortschritte«, begrüßte ich sie im Tonfall eines Vorgesetzten, der eine Arbeitsgruppe seiner Untergebenen inspiziert. Das war ich eigentlich nicht, aber Reynolds ließ sich dennoch zu einem Briefing hinreißen.
»Das täuscht«, sagte er matt. »Linear ausgedrückt müssen wir die Leistung des Feldgenerators um den Faktor eintausend steigern, ohne dass Gewicht oder Energieverbrauch dabei signifikant ansteigen dürfen. Aber faktisch ist es noch viel komplizierter. Der Krümmungskoeffizient ...«
Ich winkte ab. »Geben Sie sich keine Mühe. Aber wenn ich Ihnen von Nutzen sein kann, lassen Sie es mich wissen.«
Reynolds schwieg irritiert. Seine tiefliegenden Augen flackerten nervös. Wie alle Wissenschaftler konnte er nicht begreifen, dass die Details irgendjemandem nicht nur nicht präsent waren, sondern ihn auch nicht interessierten.
»Danke, Commander«, sagte er verwirrt.
Jennifer erläuterte die Fortschritte, die die Mechaniker unterdessen machten. Die Verschalung wurde im oberen Drittel der Sonde vollständig entfernt. Weitere Roboter schwebten zu dem tragenden Stahlskelett hinauf und begannen damit, es ebenfalls zu demontieren. Der gesamte Zylinder wurde um ein Fünftel seiner Länge gestutzt, wobei er seiner Eleganz im Wesentlichen verlustig ging. Kabelbäume, Platinen, sekundäre Generatoren und Steuerungsinstrumente wurden extrahiert und auf automatischen Gleitern davongefahren.
»Wenn ich es recht verstanden habe«, sagte ich zu Jennifer, »hängt es vor allem an der Generatorspule. Wollt ihr sie neu gießen?«
Sie zog mich ein paar Schritte abseits und zischte mir dann so schnell und erregt ins Ohr, das ich kein Wort verstand, sondern nur die rasche warme Bewegung ihrer Lippen spürte. Indem wir uns, untergehakt wie ein turtelndes Pärchen, weiter entfernten, brachte ich sie dazu, sich wieder wie ein erwachsener Mensch zu benehmen.
»Das ist der Punkt, über den wir seit Tagen im Dissens sind«, schimpfte sie. »Reynolds ist der Meinung, man kann es ausschließlich über die Programmierung schaffen, während Frankel einen neuen Kern konstruieren will.«
Wie von ungefähr hatten wir einen anderen Versuchsstand zwischen uns und die anderen gebracht. Sie blieb stehen und fasste mich am Arm. Dann sah sie mir fest in die Augen und sprach leise, aber deutlich, wie bei einer geheimen Instruktion.
»Ich habe angeboten, dass wir einen Probeflug mit der ENTHYMESIS unternehmen, um das Warp-Verhalten kleinerer Schiffe noch besser studieren zu können. Außer den beiden kurzen Trips vom Neptun zur Erde und zurück, haben wir selbst bei den Explorern noch keine Erfahrung, und jetzt gehen wir zu einer Sonde, die ein Tausendstel der Masse hat, und wollen sie gleichzeitig über eine ungleich größere Distanz springen lassen ...«
Die ENTHYMESIS – das war eigentlich die ENTHYMESIS II, das Schwesterschiff unseres alten Explorers. Die ENTHYMESIS II war baugleich. Dennoch war es nicht dasselbe. Um den schmerzlichen Verlust zu übertünchen, hatten wir kurzerhand die II im internen Sprachgebrauch gestrichen.
»Wenn es euch in der Sache weiterbringt«, sagte ich.
Ein wenig Abwechslung konnte uns allen gut tun. Ich hatte den Warpsprung der ENTHYMESIS als halbohnmächtiger Passagier mitgemacht und hätte die Erfahrung gerne im Vollbesitz meiner Kräfte und Kommandant wiederholt. Nebenbei vermutete ich, dass auch Jennifers Vorschlag von dem Hintergedanken geleitet worden war, sich als Pilotin erste Sporen im Umgang mit der neuartigen Warptechnologie zu verdienen.
»Hast du mit Rogers darüber gesprochen?«, fragte ich arglos.
»Nein!«, zischte sie. Sie lugte um das vergessene Lambda-Ionentriebwerk herum, das auf dem Versuchsstand hing. »Natürlich nicht. Ich sagte doch, dass Reynolds seinen Ehrgeiz in seine Rechenkünste gelegt hat. Und Frankel würde sich lieber einen Arm abhacken, als die Initiative aus der Hand zu geben.«
»Aber wenn es uns alle in der Sache weiterbringen könnte«, versuchte ich kraftlos.
Sie sah mich entgeistert an und atmete schwer durch.
»Das wirst du nie verstehen«, stellte sie sachlich fest.
Sie packte mich am Arm und schob mich um den Versuchsstand herum.
»Wird Zeit, dass wir zurückkehren«, knurrte sie. »Sonst schöpfen sie noch Verdacht!«
Zu dieser Zeit traf ich mich des öfteren mit Laertes in der Sky Lounge. Wir hatten unseren jour fixe, und meistens war er schon da, wenn ich aus dem Fahrstuhl trat. Er schlürfte seinen mit Diamantzucker gesüßten Jadetee, strich sich den weißen Bart und schäkerte mit den Ordonnanzen, die hier die cremeweißen Uniformen des Bodenpersonals trugen. Eine hatte es ihm besonders angetan, die er immer wieder heranrief, um sich daran zu weiden, wie sie sich schlank und schmiegsam zwischen den niedrigen Tischchen hindurchwand. Sie war hübsch, hatte zitronenblondes Haar und spielte das Spiel bereitwillig mit. Wenn er sie um eine Handreichung bat, blinzelte sie ihn mit ihren saphirenen Augen an und lächelte, als habe sie ihm auch diesen Wunsch längst von den Lippen abgelesen. Als ich an Laertes Platz herantrat, hatte sie ihm gerade ein Tässchen Tee gebracht und ein Porzellanschüsselchen mit Seidengebäck vor ihn hingestellt. Sie begrüßte mich schneidig.
»Guten Abend, Commander. Wie immer?«
Ich nickte, verfolgte wohlwollend, wie sie davonschnürte, und überlegte mir, wie alt sie sein mochte. Vermutlich gehörte sie der Generation an, die an Bord dieses Schiffes geboren worden war. Sie war hier aufgewachsen und ausgebildet worden und hatte die Erde niemals betreten, die sie nur von Holo-Filmen und als verschwommenes Fernbild aus dem Abstand mehrerer Astronomischer Einheiten kannte. Ich ließ mich neben Laertes in den gravimetrischen Sessel fallen, dessen Korb-Imitation bemüht war, eine Art von kolonialem Flair zu verbreiten. Während ich auf meinen Drink wartete, sah ich mich in der Sky Lounge um. Einige Tische entfernt, im Schutz einer Gruppe von Wasserpalmen, steckte ein junges Pärchen die Köpfe zu ausdauernden Küssen zusammen. An einem dritten Tisch saßen zwei Techniker, die sich über ihre HoloBoards gebeugt hatten und sich über irgendwelche Berechnungen austauschten. Das waren die einzigen Gäste. Hinter dem Tresen standen die Ordonnanzen beisammen und plauderten halblaut, obwohl das eigentlich verboten war. Die Bar, die Tische und die Pflanzeninseln waren gedämpft erleuchtet. Leise Musik tönte aus unsichtbaren Lautsprechern. Und über allem wölbte sich die Kuppel aus durchsichtigem Elastalglas, dessen Polarisation vollständig aufgehoben war, sodass man den menschenleeren Kosmos sah. Die Kleine brachte meinen Scotch, ich prostete Laertes wortlos zu und nippte den ersten Schluck. Dann sah ich wieder zu der Kuppel hinauf und ließ den Anblick auf mich wirken.
»Die Einsamkeit des Menschenherzens vor dem Weltenall«, sagte Laertes.
Ich lächelte schmerzlich. Wir sahen die östlichen Ausläufer der Großen Mauer. Tausende von Galaxien, die eine opaleszierende Superstruktur bildeten. Und jeden Tag katalogisierten die Instrumente der MARQUIS DE LAPLACE Dutzende an neuen Milchstraßen und Nebeln.
»Gewaltig, nicht wahr?!«, schmunzelte der alte Chefideologe und strich sich den weißen Bart.
»Ja«, sagte ich. »Wir haben es weit gebracht.«
Der ätzende Sarkasmus in meiner Stimme berührte mich unangenehm.
»Mhm«, machte Laertes. »Man weiß nicht, ob man Stolz oder Angst empfinden soll.«
Wir schwiegen wieder und lauschten dem Saxophonsolo. Die Ordonnanz erneuerte das Seidengebäck und schenkte Laertes Tee nach. In ihren wachen Augen glitzerte feiner Spott über uns alte Männer, die sich einmal die Woche hier trafen, um gemeinsam der melancholischen Grübelei zu obliegen. Ich wartete, bis sie an die Bar zurückgekehrt war, leerte dann mein Glas und winkte sie wieder heran, um ihr den Auftrag