Sabine Müller

Das Erbe der Burgherrin


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das Fuhrwerk und ihre Pferde durch den dicht gewachsenen Wald und hatten Glück, dass ihnen niemand begegnete.

      „Dort vorne müssen wir über die Bergnase und dann schlagen wir unser Lager am Lambsbach auf.“

      „Wie kriegen wir heraus, wann die Gräfin alleine unterwegs ist?“

      „Einer von uns sollte hoch zur Burg und auskundschaften, was die Dame so treibt.“

      „Das macht am besten der Lange, der ist schon einmal als Händler durchgegangen und sieht am harmlosesten aus.“

      Als sie einen gut versteckten Rastplatz gefunden hatten, stiegen sie von ihren Pferden und richteten ihr Nachtlager her.

      „Zum Glück hat der Lange so gut für uns eingekauft. Jetzt können wir kräftig zuschlagen.“

      „Aber lasst noch etwas für die nächsten Tage übrig. Wir wissen nicht, wann wir wieder etwas besorgen können.“

      Die Räuber aßen Brot, Käse und Speck und sprachen reichlich dem Wein zu, bis Wolfgang sie ermahnte:

      „Macht nicht einen solchen Lärm, oder wollt ihr, dass man euch bis zur Burg hört?“

      „Schon gut, schon gut! Der Smolek kann den Rest im Krug haben, dann legen wir uns nieder.“ Hagen reichte Smolek, der kaum noch stehen konnte, den Krug und sah zu, wie dieser gierig den Rest hinunterkippte.

      „Das tut gut, was?“

      „Ja“, sagte Smolek von einem lauten Rülpsen begleitet und ließ sich auf sein Nachtlager sinken.

      „Schnell Sveti, den kriegen wir jetzt dran!“, rief Hagen spitzbubenhaft.

      Der Räuberhauptmann holte Seifenpulver, Wasser und ein scharfes Messer hervor. Mit einem diebischen Grinsen bereiteten Sveti und Hagen Rasierschaum und strichen ihn auf Smoleks Bart.

      „Morgen früh wirst du Augen machen“, grinsten sie und rasierten die schmutzig verfilzten Haare aus dem Gesicht. Noch lange lachend legten sie sich nieder.

      Der Morgen dämmerte, als plötzlich ein Schrei durch den Wald erschallte.

      „Wer von euch Mistkerlen hat das gemacht? Wer war das? Wartet, bis ich euch in die Finger kriege!“, schrie Smolek wütend. Der Wein hatte ihm einen Brummschädel beschert, den er in dem kühlen Wasser des Baches abkühlen wollte. Als er an dem Gewässer angelangt war, erblickte er sein bartloses Antlitz auf der glatten Wasseroberfläche. Er traute seinen Augen kaum und rannte schnellen Schrittes zum Lager zurück.

      „Wer war das? Ich schlag euch krumm und bucklig!“

      „Ich war´s!“, rief Hagen, der Bucklige. „Da brauchst du nicht mehr zu schlagen. Bucklig bin ich schon!“

      „Warte nur!“ Smolek stürzte auf Hagen, der ihm geschickt auswich.

      „Bist wohl zu langsam? Was?“, neckte Hagen und ließ sich mehrmals durchs Lager jagen, bis Sveti schließlich dem ganzen Einhalt gebot:

      „Schluss! Es reicht jetzt! Wenn ihr so weiter macht, wird wirklich noch die ganze Burg auf euch aufmerksam! Die paar Haare wachsen schneller nach, als du sehen kannst und so bist du wenigstens deine Filzläuse los.“

      Smolek, der ganz außer Puste war, ließ sich besänftigen.

      „Der Lange soll aufbrechen“, befahl Sveti. Dieser richtete die Stoffe auf dem Fuhrwerk, spannte die Pferde ein und brach auf. Als er oben am Burgtor angelangt war, bat er beim Torwächter um Einlass:

      „Ich möchte den Herrschaften meine schönen Stoffe feilbieten. Sie werden bestimmt ein paar Ellen gebrauchen können.“

      Der Wächter besah sich die Ladung und winkte den Langen durch.

      „Stoffe, schöne Stoffe, fein gewebt!“, rief er auf dem Unterhof. Neugierig begutachteten die Mägde die Ladung des Fremden. Johanna, die Hauswirtschafterin, trat aus dem Gesindehaus und begrüßte den Händler.

      „Schöne Stoffe hast du. Ich werde den Edelfrauen und Gräfinnen Bescheid sagen, dann können sie auch einen Blick auf deine Waren werfen.“

      „Gerne“, der Lange war vom Wagen gestiegen und verneigte sich. Es dauerte nicht lange, bis Mechthild, Irmgard und die anderen Damen auf den Hof traten.

      „Oh, welch schöner Stoff!“, rief Irmgard. „Da könnte ich ein schönes Kleid davon nähen.“ Sie ließ einen blauen, feinen Stoff durch ihre Finger gleiten.

      „Ja, der hat etwas, aber der Rote ist auch schön.“

      „Ich glaube du wirst heute gute Geschäfte machen, Tuchhändler“, meinte Mechthild.

      „Ich hoffe es, werte Gräfin!“

      Die Damen erwarben einige Ellen Tuch und schickten den Langen in die Küche, um sich etwas zu essen geben zu lassen. Emma reichte ihm Brot, Schinken und Wein.

      „Vielen Dank. Zu euch kommen wohl nicht oft Händler?“

      „Nein, nur hin und wieder verirrt sich einer hierher.“

      „Ich habe gehört, ihr habt hier zwei Grafen.“

      „Ja, Konrad und Friedrich.“

      „Und die beiden Damen auf dem Hof sind ihre Gattinnen?“

      „Ja, Mechthild und Irmgard.“

      „Die Jüngere ist die hübscheste Gräfin, die ich je gesehen habe.“

      „Ja, wir sind sehr stolz auf unsere Mechthild, obwohl sie auch ein ganz schöner Sturkopf sein kann.“

      „Wie meinst du das?“

      „Sie lässt sich von niemandem etwas sagen. Ich bin nur froh, dass sie jetzt doch ein wenig auf Konrad hört. Sie ging immer so gerne alleine mit ihrem Sohn in den Wald, doch nun hat sie versprochen, nur noch in Begleitung eines Ritters loszuziehen. Es gibt einfach zu viele Räuber.“

      „Da habt ihr recht. Ich bin auf meinen Reisen auch schon vielen Leuten begegnet, die überfallen wurden. Geht sie weit von der Burg weg?“

      „Meistens nur Richtung Merburg, aber das reicht schon.“

      „Ja, man kann nie vorsichtig genug sein! Ich muss nun sehen, dass ich weiterkomme, vielen Dank für das Mahl.“ Der Lange trank noch einen Schluck Wein, wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab und verließ die Küche. Zufrieden stieg er auf den Wagen und lenkte ihn zurück zum Räuberlager.

      Kapitel 8

      Mechthild streckte und reckte sich. Die ersten Sonnenstrahlen hatten sie geweckt. Es versprach ein herrlicher Tag zu werden. Ihr Blick fiel auf Konrad, der noch tief und fest schlief. Mit einem Lächeln kuschelte sie sich an ihn und dachte an den Abend zuvor, als sie sich geliebt hatten. Vorsichtig strich sie über seine Wange und hauchte einen zarten Kuss auf seinen Mund, ohne ihn zu wecken. Dann rollte sie sich auf die andere Seite, schlug die Decke auf und erhob sich. Sie huschte ins Ankleidezimmer und machte sich frisch. Mechthild strich mit ihren Händen über ihren Bauch. Eine kleine Wölbung war bereits zu erkennen, auch ihr Busen hatte deutlich zugenommen. Heute Abend würde sie es ihm sagen. Sie hatte es schon viel zu lange vor sich hergeschoben. Konrad sollte endlich erfahren, dass er wieder Vater wurde. Es klopfte leise an die Tür. Ihre Zofe Agnes trat ein und half ihr beim Ankleiden.

      „Heute wird es ein schöner Tag werden, Herrin.“

      „Ja, die Sonne scheint bereits. Arnold möchte bestimmt einen Ausflug machen. Ich werde gleich nach dem Morgenmahl Ritter Hanricus bitten, uns zu begleiten.“

      „Das ist eine gute Idee, Herrin. Dass der kleine Ben einen Räuber in die Flucht schlägt, wage ich zu bezweifeln.“

      „Ja, Arnold ist so stolz auf ihn. Man könnte meinen, es wäre ein Bär, wenn er von ihm erzählt.“

      Agnes band Mechthilds Haare zusammen, machte einen Knicks und zog sich zurück. Mechthild entschied, dass Konrad nun lange genug geschlafen hatte, und weckte