„Was? Wo sind sie hin?“
„Ich glaube sie ritten Richtung Wörschweiler“, meinte Engela mit einem unschuldigen Augenaufschlag und senkte gleich den Blick. Sollten sie ruhig in der falschen Richtung suchen, das würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie Mechthild nicht mehr finden würden.
„Nach Wörschweiler? Also nach Südwesten! Morgen werden wir gleich nachreiten. Wie sahen die Kerle aus?“
„Bis auf zwei waren sie ziemlich zerlumpt. Es waren vielleicht sechs oder sieben zu Pferd und einer auf dem Wagen.“
„Das müssen sie gewesen sein! Gott sei Dank! Wir haben eine Spur! Dann werden wir sie auch finden!“
„Der Wagen sah so ähnlich aus, wie der des Tuchhändlers, der gestern hier war.“
„Der Tuchhändler? Ob der etwas damit zu tun hat? Besonders fein hat der wirklich nicht ausgesehen,“ meinte Friedrich.
In Konrad wuchs die Hoffnung, dass er bald wieder seine Familie in den Armen halten würde. Zum ersten Mal, seit sie Hanricus gefunden hatten, atmete er tief durch.
„Wir müssen so früh wie möglich aufbrechen!“
Unruhig stocherte er in seinem Essen herum. Am liebsten wäre er sofort aufgesprungen und losgeritten. Wie sollte er es nur bis zum nächsten Tag aushalten?
„Ihr entschuldigt mich. Ich kann hier nicht untätig herumsitzen.“ Der Graf erhob sich und ging zur Küche.
„Emma, richte bitte Trinkschläuche und Proviant für die Ritter, Friedrich und mich. Wir werden morgen noch vor den ersten Sonnenstrahlen aufbrechen“, verkündete er der Köchin.
„Habt Ihr denn schon eine Spur?“
„Engela hat sie wahrscheinlich gesehen. Sie ritten gen Süden und der Tuchhändler war dabei!“
„Der Tuchhändler? Der war gestern noch bei mir in der Küche und hat etwas gegessen. Jetzt fällt es mir erst auf! Der hat mich richtig ausgehorcht, wo Mechthild immer hingeht!“
„Was, Emma? Was hast du ihm denn erzählt?“
„Oh Gott! Ich habe ihm gesagt, dass Mechthild oft mit Arnold zur Merburg zieht! Dann bin ich an allem Schuld!“, schluchzte die Köchin lauthals und schlug die Hände vors Gesicht.
„Du musst dir keine Vorwürfe machen! Früher oder später hätten sie es doch herausgefunden.“
Als sich Emma beruhigt hatte, begab sich Konrad in die Kemenate und legte sich nieder. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er warf sich von einer Seite zur anderen und versuchte ein wenig Schlaf zu finden, doch es gelang ihm nicht.
Immer wieder dachte er an Mechthild. Was sollte er nur machen ohne seine Gemahlin? Sie bedeutete einfach alles für ihn. Warum war das nur geschehen? Wer hatte sich so etwas ausgedacht?
Als die ersten Sonnenstrahlen das Burgplateau erhellten, sprang Konrad aus dem Bett, zog sich seine Kleider über und weckte die anderen.
Kapitel 1
Mechthild lag gefesselt auf dem Wagen. Angst, Schrecken und Verzweiflung machten sich in ihr breit. Sie lag unbequem auf dem Bauch, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Handgelenke und Schultern schmerzten. Durch den Knebel im Mund bekam sie kaum Luft. Von Zeit zu Zeit musste sie würgen. Die Schicht Stoff, die über ihr hing, verbesserte ihre Lage kaum. Als sie sich ein wenig nach links bewegte, merkte sie, dass sich Arnold neben ihr befand. Wie gerne würde sie ihn tröstend in die Arme nehmen und ihm gut zureden!
Wie konnten sie nur in eine solche Lage geraten? So oft waren sie allein im Wald unterwegs gewesen – und heute, wo Hanricus und der Hund dabei waren, musste so etwas passieren! Was wollten die Kerle nur von ihnen? Einfache Räuber hätten sie ausgeraubt und erschlagen, aber diese hatten wohl zumindest mit ihr und Arnold mehr vor.
Mit hoher Geschwindigkeit holperte der Wagen über den unebenen Boden. Ihr Zeitgefühl hatte sie verlassen. Sie wusste nicht, wie lange das schon so ging, als es leise anfing zu donnern. Es dauerte nicht lange bis das Donnergrollen immer lauter wurde. Der Regen prasselte herab, als der Wagen endlich anhielt.
„Hier können wir uns unterstellen bis der Regen vorüber ist. Wir sind schon weit genug von der Homburg entfernt“, schlug Wolfgang vor.
Die Männer stellten das Fuhrwerk vor einem verlassenen Stall ab und stiegen von den Pferden.
„Bringt die beiden hinein und legt die Lederplane über den Wagen, damit die Ladung nicht nass wird!“, befahl Sveti seinen Männern. Der Lange und Smolek trugen Mechthild und Arnold in den Stall und setzten sie in eine dunkle Ecke. Arnold lehnte sich leicht an Mechthild und begann merklich zu schluchzen. Mechthild versuchte sich bemerkbar zu machen, indem sie nach vorne rutschte. Trotz Knebel probierte sie, einen Ton herauszubekommen.
„Na, Püppchen? Was willst du von uns?“, fragte Smolek grinsend und trat auf sie zu.
„Wir sollten ihnen den Knebel aus dem Mund nehmen und etwas zu trinken geben“, schlug Hartmut vor. „Hier können sie schreien, soviel sie wollen, da hört sie ohnehin niemand.“
Smolek nahm sein Messer, hielt es Mechthild an den Hals und entfernte mit der anderen Hand den Knebel.
„Wenn du schreist, schneide ich dir die Kehle durch, Weib!“, drohte er und drückte ihr demonstrativ das Messer auf die blanke Haut. Mechthilds Augen weiteten sich vor Angst.
„Bitte tut uns nichts! Ich mache auch, was ihr wollt!“
„Das ist ein Angebot, Püppchen!“, freute sich Smolek und rieb sich die Hände.
„Ich habe euch schon mal gesagt, ihr sollt die Finger von ihr lassen. Wenn wir sie verkaufen wollen, müssen sie in gutem Zustand sein“, ermahnte ihn Wolfgang.
Mechthild horchte auf. Verkauft sollten sie werden! Vielleicht hätten sie dann noch eine Chance!
„Können wir etwas zu trinken bekommen? Mein Hals ist ganz trocken.“
Hartmut füllte einen Becher mit Wein und hielt ihn Mechthild und Arnold, der mittlerweile auch von seinem Knebel befreit war, an die Lippen. Die beiden tranken begierig.
„Warum habt ihr uns entführt, was wollt ihr von uns?“, fragte die Gräfin, als sie sich ein wenig gesammelt hatte.
„Das würdest du wohl gerne wissen!“
„Lasst wenigstens den Jungen frei! Ich flehe euch an!“
„Das kommt überhaupt nicht infrage, er wird uns einen guten Preis bringen auf dem Sklavenmarkt. Er ist gesund und kräftig.“
„Aber er ist doch noch ein kleines Kind!“
„Das ändert sich schnell.“
„Bitte lasst ihn frei!“
„Wir haben unseren Auftrag und an den halten wir uns!“
„Wer ist euer Auftraggeber?“
„Den kennst du ohnehin nicht. Manchmal müssen die Erben für alte Rechnungen aufkommen. Schweig jetzt Weib!“
Mechthild ließ sich zurücksinken. Was hatte das zu bedeuten? Es war also kein Zufall, dass man ausgerechnet sie entführt hatte. Für wessen alte Rechnungen mussten sie bezahlen?
Arnold blickte traurig zu seiner Mutter:
„Mir ist kalt, Mutter. Wie lange müssen wir hier sitzen? Es ist so unbequem“, sagte er leise.
„Du musst keine Angst haben, mein Junge, Vater wird uns finden“, flüsterte Mechthild und rückte näher an ihn heran. Arnold lehnte sich an seine Mutter.
Nachdem es ein letztes Mal laut gedonnert hatte, verzog sich das Gewitter und der Regen ließ nach.
„Wir reiten weiter. Nicht, dass sie schon