Sabine Müller

Das Erbe der Burgherrin


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      „Oh, ja!“, frohlockte Katharina begeistert.

      „Aber Tante, das ist doch viel zu gefährlich!“, rief Jutta entsetzt.

      „Wenn wir alle zusammen gehen und vielleicht noch Ritter Hanricus mitnehmen, wird das schon gehen,“ mischte sich Irmgard ein.

      „Können wir gleich morgen losziehen? Bitte, bitte!“, bettelte Katharina begeistert.

      „Wenn Konrad und Friedrich nichts dagegen haben.“

      „Lasst uns nun zum Rittersaal gehen. Die Abendmahlzeit wird bald aufgetragen.“

      Die Frauen und Kinder machten sich auf den Weg und nahmen an dem großen Herrentisch Platz. Es dauerte nicht lange, bis sich der Saal füllte. Konrads Mutter, Margareta, setzte sich auf ihren Platz in der Mitte der großen Tafel. Mit ihren zweiundsechzig Jahren war sie immer noch eine stattliche und würdevolle Frau. Sie trug ein schlichtes braunes Gewand und eine Kette mit einem goldenen Kreuz. Ihre grauen Haare hatte sie unter einer weißen Haube versteckt und ihr Gesicht wurde von Lachfältchen geziert. Die Grafen Konrad und Friedrich trafen mit ihren Rittern, Knappen und Knechten hungrig von ihren Übungen ein. Der kleine Arnold war immer noch an der Seite seines Vaters und redete mit ihm über Waffen. Auch das Gesinde fand sich ein und die Pagen begannen damit, das Essen aufzutragen.

      „Hab ich einen Hunger!“, rief Graf Friedrich, Konrads Vetter, als der deftige Fleischeintopf seinen Duft verbreitete. Friedrich war nur wenige Jahre älter als Konrad, sein dunkelblondes Haupthaar begann sich zu lichten, doch dafür wuchs sein Bart umso dichter und sein grünes Wams spannte sich über seinem Bauch. Genau wie Konrad trug er den Titel „Graf von Homburg“. Gemeinsam und gleichberechtigt regierten sie über die kleine Grafschaft im Westrich.

      „Das Frühlingswetter macht wohl Appetit“, lächelte Irmgard über ihren Mann.

      Die Pagen füllten die Holzschalen mit Eintopf und die irdenen Becher mit verdünntem Wein. Altgräfin Margareta, die viele Jahre als Äbtissin einem Kloster vorgestanden hatte, erhob sich und sprach einen Segensspruch. Dann langten alle zu. Vor wenigen Jahren hatte in der Gegend eine Hungersnot geherrscht, doch die mageren Jahre waren endlich vorüber und das Essen reichte für alle.

      „Morgen wollen wir wieder eine Wanderung zur Ruine der Merburg machen und Irmgard und die Mädchen wollen uns begleiten. Wir nehmen Ritter Hanricus zum Schutz mit, wenn du ihn entbehren kannst“, wandte sich Mechthild an Konrad.

      „Oh, das geht leider nicht, Mechthild. Morgen reite ich nach Kirkel und ich hätte gerne, dass du mich begleitest. Magdalena geht es nicht so gut.“ Magdalena, die von allen nur Leni genannt wurde, war Konrads Ziehmutter. Sie hatte ihn als Säugling im Wald gefunden, nachdem sein Vetter Walther veranlasst hatte, dass man ihn aussetzte und für tot erklären ließ.

      „Oh, ich verstehe. Dann müssen wir unsere Wanderung verschieben.“ Jutta atmete erleichtert auf. Sie ging nicht gerne durch den Wald. Die Bäume jagten ihr immer ein wenig Angst ein. Katharina hingegen verzichtete nur ungern auf das kleine Abenteuer.

      „Magdalena geht es schlecht?“, mischte sich Margareta ein.

      „Ja, Thea hat einen Boten geschickt. Sie hat so starke Schmerzen und kann kaum noch aufstehen.“

      „Das tut mir leid. Richtet ihr die besten Grüße und Wünsche von mir aus. Ich werde für sie beten.“

      Kapitel 3

      Nahe der Burg Malberg ritten zwei Männer durch den Wald. Sie saßen auf braunen Stuten und trugen schwarze Waffenröcke über ihren Kettenhemden und darunter dunkelbraune, enge Beinlinge. Der eine hatte krauses, dunkles Haar, der andere helles glattes. Gemeinsam waren ihnen ihre gekräuselten Bärte, die von grauen Strähnen durchzogen wurden. Auf einer Lichtung stießen die Ritter Hartmut und Wolfgang auf eine kleine Horde von Räubern.

      „Wir dachten schon, ihr würdet gar nicht mehr kommen!“

      Ein grobschlächtiger Kerl mit einer langen Narbe auf der rechten Gesichtshälfte, dunkelbraunen zotteligen Haaren und einem zerschlissenen braunen Wams trat den beiden Rittern entgegen.

      „Aber Sveti! Wie kannst du so etwas von uns denken? Wir mussten nur dem Goldhändler noch gut zureden, damit er uns genug für den Rosenkranz gibt. Er wollte schon aufmucken.“

      „Ich hoffe, es langt für unseren vereinbarten Anteil!“

      „Ja, diesen Beutel bekommt ihr jetzt, den Rest später, wenn unsere Wege sich trennen.“ Hartmut hielt dem Räuberhauptmann einen prall gefüllten Lederbeutel entgegen. Dessen Augen begannen sogleich gierig zu funkeln. Schnell schnappte er sich das Gold mit seiner schmutzigen Hand und band sich den Beutel unters Wams.

      „Lasst uns den Handel bei einem Fässchen Wein besiegeln. Wir haben heute gute Beute gemacht.“ Sveti zeigte auf einen Wagen, der mit Wein, Schinken, Käse und einem Berg Tuchballen gefüllt war.

      „Ein Händler, der zum nächsten Markt unterwegs war, ist uns in die Falle gegangen.“

      „Dann lasst uns heute feiern und morgen aufbrechen. Den Wagen können wir für unsere Gefangenen gut gebrauchen.“

      „Das habe ich mir gedacht. Der Gaul macht einen guten Eindruck.“

      Die Räuber zerrten das Weinfass vom Wagen und stießen es an. Sie füllten ihre Trinkhörner und prosteten sich zu. Auch von Schinken und Käse aßen sie reichlich. Sie hatten nicht jeden Tag das Glück, so reichhaltige Beute zu machen. Oft blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu hungern. Die beiden Ritter hielten sich zurück. Sie wollten sich für den nächsten Morgen einen klaren Kopf bewahren.

      Die Männer unterhielten sich über ihre bevorstehende Mission.

      „Nehmen wir nur die Gräfin mit oder auch den Jungen?“

      „Beide, auch der Junge wird uns einen guten Preis einbringen.“

      „Und mit der Gräfin werden wir unseren Spaß haben!“ Ein besonders schmieriger Räuber rieb sich die Hände.

      „Du lässt deine schmutzigen Finger von ihr, Smolek. Die bekomme ich!“, rief der Hauptmann.

      „Aber du wirst uns doch wohl auch ein bisschen Spaß gönnen!“

      „Denkt dran, wenn ihr sie verkaufen wollt, muss sie in gutem Zustand sein, wenn ihr die Schwarzmeerküste erreicht. Nehmt euch von dem Geld lieber eine Metze unterwegs!“, lenkte Hartmut ein.

      „Jungfrau ist sie doch ohnehin nicht mehr!“

      „Trotzdem solltet ihr vorsichtig mit ihr umgehen.“

      „Die Frauen an der Schwarzmeerküste sind eh die Besten, sag ich euch. Da kommen die Weiber von hier nicht mit und so eine verwöhnte Gräfin erst recht nicht.“ Sveti schwelgte in Erinnerungen an seine Heimat.

      „Aber bis wir dort sind, das dauert noch Monate! Du wirst uns doch nicht so lange mit einem Weib durch die Lande ziehen lassen, ohne uns mal ran zu lassen?“

      „Ach, seid doch ruhig! Nehmt lieber noch einen Schluck Wein!“

      Die Räuber tranken einen nach dem anderen und die Stimmung wurde immer ausgelassener.

      „Ich bin mal gespannt, ob das Schwarze Meer wirklich so schön ist, wie du immer sagst.“

      „Zweifelst du etwa an meinen Worten?“

      Sveti wollte sich auf den großen, hageren Räuber mit den blonden, langen Haaren stürzen, der von allen nur „der Lange“ genannt wurde.

      „Hört auf zu streiten und legt euch besser zum Schlafen nieder“, beschwichtigte Wolfgang. „Morgen wird ein anstrengender Tag.“

      Als der letzte Räuber eingeschlafen war, senkte sich tiefe Nacht über das Lager. Am Morgen mussten die Ritter jeden einzeln wachrütteln.

      „Ich hoffe, diese Männer reißen sich in den nächsten Wochen zusammen, sonst werden wir niemals unsere Mission erfüllen“, flüsterte Hartmut