Johannes Sachslehner

"Rosen für den Mörder"


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      „Bauer zu sein, bedeutet heute ein schweres Los.“ Illustration zum Artikel „Bauerntum von heute“ in der „Illustrierten Kronen Zeitung“, 5. März 1936.

      Ein „ganzer Kerl“:

       der Ordensjunker

      Ausgestattet mit dem erfreulichen Zeugnis aus Grottenhof, macht sich der 18-jährige Franz Murer im Sommer 1930 auf Arbeitssuche – und hat Glück: Die Fürstlich Schwarzenberg’sche Forstdirektion engagiert ihn „auf Praxis“ für ihren Gestüthof in Laßnitz-Murau. Eineinhalb Jahre lang sammelt er als Knecht im Pferdehof der Adelsfamilie erste Erfahrungen in einem großen landwirtschaftlichen Betrieb, 1932 tritt er dann auf einem Gut in Vasoldsberg bei Graz als „Adjunkt“ seine erste richtige Stelle an. Ein Jahr später bietet sich die nächste Chance: Ein Schulkamerad aus Grottenhof, der als Verwalter auf dem Gut Marienhof bei Nikitsch im Burgenland tätig ist, bietet ihm eine Stelle an: Murer soll als sein Gehilfe die Verwaltung der Ackerbauflächen des Guts übernehmen. Die Herausforderung für den jungen Steirer ist groß: Der Betrieb im Besitz eines ungarischen Grafen umfasst 550 Joch, am Gutshof sind nur Ungarn beschäftigt, dazu kommen kroatisch sprechende Saisonarbeiter aus dem nahen Kroatisch Minihof. Das Gut, dessen Felder die Grenze zu Ungarn bilden, wird als Pachtbetrieb geführt und umfasst auch eine große Spiritusbrennerei, das jährliche Kontingent beträgt ca. 1000 Hektoliter „Feinsprit“. Murer bewältigt die Aufgabe erfolgreich, in seiner autobiografischen Notiz vermerkt er: „Beruflich war diese Zeit für mich sehr schön und ich denke gerne daran zurück.“ Mit den ungarischen und kroatischen Hilfskräften hat er das „beste Einvernehmen“, „politisiert“ wird angeblich nicht, wohl aber verfolgt Murer in den Zeitungen aufmerksam das Zeitgeschehen und wandelt sich allmählich zu einem Sympathisanten der Nationalsozialisten. Fasziniert vom Aufstieg Hitlers, beginnt er den „autoritären“ Staat, wie ihn Engelbert Dollfuß mit Unterstützung der „Starhembergheimwehr“ führt, abzulehnen, die Hinrichtungen nach dem Juliputsch bestärken ihn in der Ablehnung des „Ständestaats“: „Nach Niederschlagung der Putschversuche war ich wirklich das erste Mal entsetzt, als ich las, daß einige Verwundete mit der Tragbahre zum Galgen gebracht wurden und das von einer christlichen Regierung“, erzählt er in seiner autobiografischen Skizze. Zu erwähnen vergisst Murer, dass es wohl vor allem die Nachrichten von zuhause sind, die ihn bewegen: Der Aufstand der Nationalsozialisten in den obersteirischen Gebieten fordert zahlreiche Todesopfer, nirgendwo sonst wird mit derartiger Brutalität agiert. Es ist auch keine Splittergruppe, die hier ihr Glück versucht, sondern eine breit in der Bevölkerung verankerte, gut organisierte und zentral gelenkte Streitmacht. So sieht sich Judenburg am Morgen des 26. Juli 1934 von Hunderten von mit Maschinengewehren bewaffneten SA-Leuten eingekreist, in Leoben kommt es zum blutigen Kampf zwischen den Aufständischen und einem Bataillon des Bundesheers, das sogar Artillerie zum Einsatz bringen muss, um sich gegen die SA-Kämpfer durchzusetzen. Gut möglich, dass unter den Todesopfern auf Seiten der Nazis auch Bekannte aus dem persönlichen Umfeld Murers sind – nach dem „Anschluss“ werden sie als Märtyrer gefeiert werden, nach 1945 fallen sie dem Verdrängen und Vergessen anheim. Der Juli 1934 bleibt in der Erinnerung vieler steirischer Bauernfamilien als blutiger Stachel zurück.

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      NS-Elite der Zukunft: Junker der Ordensburg Krössinsee marschieren singend zum 48. Geburtstag von Robert Ley auf. Im Hintergrund der Bergfried von Krössinsee, Februar 1938.

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      Knecht am Gestütshof des Fürsten Schwarzenberg: Eintrag in der „Betriebs-Liste“ des Guts für die Landwirtschaftskasse für Steiermark“ 1930/31.

      Für den jungen Adjunkten der gräflichen Gutsverwaltung sind es ökonomische Aspekte, die besonderes Gewicht in der Entscheidung für Hitler gewinnen. Die, wie Murer meint, gegenläufigen wirtschaftlichen Entwicklungen in den beiden Ländern – „immer steigende Verbesserungen“ in Deutschland, „Arbeitslosigkeit und Not“ in Österreich – überzeugen ihn schließlich vollends davon, mit den Nazis die richtige Wahl zu treffen. Er habe sich allerdings, so behauptet er später in seiner autobiografischen Skizze, nie in einer illegalen NS-Organisation betätigt – dazu hätten in der abgeschiedenen Welt des Gutshofes an der ungarischen Grenze die Voraussetzungen gefehlt. Eine glaubhafte Aussage, auf jeden Fall aber ist er Sympathisant der Naziszene.

      Es sind traurige Anlässe, die Murer zurück nach St. Lorenzen rufen: 1934 stirbt im Alter von nur 57 Jahren seine Mutter Maria, 1937 Vater Johann, auch er erst 58 jahre alt. Den Pötscherhof übernimmt der jüngere Bruder Georg, Franz hat inzwischen ja einen beruflich erfolgreichen Weg in der Fremde eingeschlagen.

      Knapp vor dem „Anschluss“, im Februar 1938, wird Murer als Verwalter für ein Gut in Kleinmutschen engagiert, als Wohnadresse gibt er später Kleinmutschen 63 an. Auf dem Anwesen sieht er sich als wieder „einziger Deutscher“ mit Kroaten und Ungarn konfrontiert, nach eigener Aussage versteht er sich auch hier bestens mit ihnen – vor allem mit den Kroaten, von denen er nun erfährt, dass sich manche von ihnen zum Nationalsozialismus „bekennen“. Sein neuer Chef ist ein österreichischer Bankdirektor aus Warschau, der ihm auch, wie Murer freimütig berichtet, ein sehr gutes Gehalt zahlt, sodass „ich in der Lage gewesen wäre, eine Familie zu gründen“– das bessere Gehalt hat ihn wohl auch dazu bewogen, seine Stelle auf Gut Marienhof aufzugeben.

      Mit der Abgeschiedenheit ist es nun vorbei, Murer holt offensichtlich nach, was er auf Gut Marienhof versäumt hat: Er sucht Kontakte in der illegalen burgenländischen Szene, die im März 1938 mit dem „Anschluss“ ihre große Stunde gekommen sieht. Jetzt, in der Euphorie dieser Tage, ist plötzlich für den aufstrebenden „Gutsverwalter“ alles anders, ein alternativer Weg zeichnet sich ab: Ein „deutscher Kreisleiter, welcher in Oberpullendorf seinen Sitz“ hat und hier offenbar seinen ostmärkischen Kollegen – gemeint ist wohl Paul Kiss (1894–1961), Kreisleiter von Oberpullendorf und Mitglied des Burgenländischen Landtags – in die Praxis des NS-Führerstaates einschult, „entdeckt“ angeblich den vom NS-Programm begeisterten jungen Agrarfachmann, der unbedingt auch seinen Teil zur „braunen Revolution“ Hitlers beisteuern will: Von besagtem Kreisleiter erfährt er, dass Männer zur Aufnahme in die NS-Ordensburg Krössinsee gesucht werden, es gelte den „Führernachwuchs“ zu sichern – eine Herausforderung, die ganz nach dem Geschmack Franz Murers ist, und so bewirbt er sich um die Aufnahme, schon zuvor tritt er mit dem Aufnahmedatum 1. Mai 1938 und der Mitgliedsnummer 6171713 in die NSDAP ein. (Bundesarchiv, NSDAP-Gaukartei.) Nachdenklich stimmt allerdings ein im Litauischen Spezialarchiv Wilna (LYA) erhaltenes Dokument, das eine NSDAP-Mitgliedschaft Murers „seit April 1933“ vermerkt, allerdings ebenfalls mit der Nummer 6171713. Handelt es sich hier um einen Irrtum oder hat Murer bewusst eine falsche Angabe gemacht? Später wird er sich damit rühmen, dass er seine Mitgliedsnummer gar nicht gewusst und zu seiner „Überraschung“ erst vom sowjetischen Untersuchungsrichter in Wilna erfahren habe. Die Formulierung in seiner autobiografischen Skizze lässt jedoch vermuten, dass sich Murer gerne einer niedrigeren Mitgliedsnummer gerühmt hätte: „Ich habe mich dann auch um die Parteimitgliedschaft beworben und bekam die Nummer der im Jahre 1938 beigetretenen Mitglieder.“

      Die Aufnahmekriterien für die Ordensburg-Kandidaten, die zukünftige Elite der Partei, sind streng. Sie müssen sich zum einen in dem Beruf, den sie gewählt haben, bereits bewährt haben. Ein schriftlicher Test, dem sie sich unterziehen müssen, soll dann überprüfen, ob sie den Anforderungen auch geistig gewachsen sind, eine der Fragen bezieht sich auf die Erwartungen, die der Bewerber an die Ausbildung auf einer Ordensburg hätte. Murer, der in seiner Euphorie mit seinem Ziel erst gar nicht hinter dem Berg halten will, erklärt den Prüfern, wie er in seiner autobiografischen Notiz erzählt, dass er „Bauernführer“ werden wolle. „Politische Fragen“, so merkt er an, seien in diesem Test jedoch keine gestellt worden.

      Robert Ley, selbst nicht unbedingt eine sportliche Erscheinung, fordert weiters von den Kandidaten absolute Gesundheit und so wird Murer in der Klinik für Innere Krankheiten am