Alexander Hartung

Die Rache des Inquisitors


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vertrauen.«

      Baselius schüttelte bekümmert den Kopf. Der letzte Fall dieser Art hatte zu wochenlangen Verhören geführt. Viele Ketzer hatten die Erlösung erst im Feuer gefunden.

      Es waren dunkle Zeiten, doch er würde nicht zögern, auch den letzten Funken an Gotteslästerung auszulöschen.

       Dunkle Zeiten

      Ich grüße Euch, holde Schönheit«, sagte Peter und machte eine tiefe Verbeugung. Dabei schwenkte er elegant den Hut, bevor er für einen Moment in ehrfürchtiger Haltung verharrte. »Wohin des Weges?«, fragte er grinsend und setzte seine Kopfbedeckung wieder auf.

      »Es hätte so ein schöner Tag werden können«, erwiderte Klara und ließ den jungen Mann stehen. »Nicht einmal auf den Wegen ist man vor Sittenstrolchen wie dir sicher.«

      »Ihr tut mir unrecht«, antwortete Peter mit einem verletzten Gesichtsausdruck. »Wie könnt Ihr mich so schmähen?«, fuhr er fort. »Ich, der auf nichts anderes als die Bewahrung Eurer Reinheit bedacht ist.«

      Klara blieb einen Moment stehen und blickte Peter ungehalten an. »Du meinst dieselbe Reinheit, die du Maria Kolrater bewahrt hast.«

      »Das war etwas anderes«, sagte Peter abwehrend. »Die junge Maria hat mich in einem schwachen Moment verführt. Bevor ich wieder Herr meiner Sinne wurde, war es schon geschehen.«

      »Du hast mein volles Mitleid.«

      »Das habe ich auch verdient. Marias Vater hätte mich beinahe totgeschlagen.«

      »Marias Vater ist altersschwach und kann kaum noch laufen, seit er sich beim Holzen das Bein gebrochen hat«, antwortete Klara ungnädig.

      »Ja, aber wenn er mich erwischt hätte, dann hätte er mich sicher dennoch verprügelt«, verteidigte sich Peter.

      »Das hätte dir nicht geschadet«, murmelte die junge Frau leise und ging weiter. Peter lief einen Schritt neben ihr.

      »Hast du nichts Besseres zu tun, als mir nachzustellen?«

      »Nein«, antwortete Peter nach kurzem Zögern. »Ich sah dich allein durch den Wald laufen und dachte, du könntest gewiss einen Beschützer gebrauchen.«

      »Ja, ein starker Beschützer wäre wirklich gut«, sagte Klara. Wie immer entging Peter die Ironie hinter ihren Worten. Ermutigt von dieser scheinbaren Aufforderung richtete er sich ein wenig mehr auf, straffte die Schultern und suchte den Waldrand mit wachsamen Augen ab.

      Klara musste lächeln. Sie und Peter kannten sich schon seit der Kindheit. Sie konnte sich stundenlang über seine schlechten Eigenschaften und seine Faulheit aufregen. Es gab keinen Tag, an dem sie sich nicht über sein Verhalten ärgerte, trotzdem fühlte sie sich in seiner Nähe wohl. Er brachte sie zum Lachen, und in Reheim gab es ansonsten zu wenig, was sie in fröhliche Stimmung versetzte.

      Peter blickte weiter angestrengt in den Wald hinein, fast als erwartete er jeden Augenblick eine Räuberbande, die schreiend aus dem Wald gerannt kam.

      Wie immer war sein braunes Haar viel zu lang. Seine Kleidung war ein buntes Sammelsurium, und sein alter Hut hatte wahrscheinlich schon den Kopf seines Großvaters geziert. Peter war ein Taugenichts, der den ganzen Tag nur durch die Gegend streifte und Unsinn ausheckte.

      Manchmal fragte sich Klara, ob Peters Vater auch wirklich sein leiblicher Vater war. Friedrich Birsch war Stadtrat in Reheim. Er war höflich, gebildet und verantwortungsvoll. Seine Klugheit wurde von vielen geschätzt, und sein Urteil wurde geachtet. Vielleicht war er etwas zu ernsthaft, aber er kümmerte sich stets um die Probleme der Bürger.

      Die Birschs waren wohlhabend, obwohl sie weder Felder noch Viehherden besaßen. Peter hatte nie viel über ihren Reichtum erzählt. Immer wenn sie mit diesem Thema begonnen hatte, hatte er nur zögerlich geantwortet. Anscheinend war Peters Großvater ein wichtiger Händler in Mainz, der es dort zu großem Wohlstand gebracht hatte. Selbst König Maximilian sollte schon seine Dienste in Anspruch genommen haben. Ein Streit hatte dazu geführt, dass Friedrich Mainz verlassen hatte und in dieses kleine Dorf im Taunus gezogen war. Dies war noch vor Peters Geburt geschehen, daher kannte er seinen Großvater nicht. Auch den Grund für diesen Streit hatte er nie erfahren. Peters Vater redete nicht darüber.

      Das Geld, das Friedrich aus Mainz mitgenommen hatte, hatte aber ausgereicht, um ein kleines Landhaus zu bauen und einen unmanierlichen Sohn zu versorgen, der sich beharrlich weigerte, einer anständigen Arbeit nachzugehen.

      »Gehst du zur alten Kräuterhexe?«, fragte Peter beiläufig.

      »Du sollst sie nicht Hexe nennen«, fuhr Klara ihn an. »Ihr Name ist Agnes, und ihr Wissen über Kräuter hat auch dir schon geholfen, als du vom großen Felsen gestürzt bist und dir den Kopf aufgeschlagen hattest.«

      Peter verzog in gespielten Schmerzen das Gesicht.

      »Keine schöne Erinnerung«, sagte er. »Aber da war ich sieben Jahre alt. Das ist wirklich schon lange her.«

      »Trotzdem verdient sie es nicht, Hexe genannt zu werden.«

      Peter brummelte etwas Unverständliches und blickte missmutig zu Boden.

      Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her, bis die Hütte von Agnes auf einer kleinen Anhöhe sichtbar wurde. Die Unterkunft war in den Wald gebaut, und hätte der Rauch des Kamins sie nicht verraten, hätte man sie leicht übersehen können. Vor der Hütte befand sich ein kleiner Garten mit Gemüse und Kräutern, in dem eine ältere Frau mit einem Korb und einem Messer auf dem Boden kniete und kleine Zweige eines Strauches abschnitt.

      Klaras Gesicht hellte sich sofort auf, und ihre Schritte beschleunigten sich.

      »Warum besuchst du Agnes so oft?«, fragte Peter.

      »Weil es bei ihr so viel zu lernen gibt.«

      »Wie man Gemüse anpflanzt?«

      »Sie lehrt mich die Heilkraft der Pflanzen«, antwortete Klara.

      Bevor Peter weitersprechen konnte, sprang Klara auf einen kleinen Felsen und lief dann die letzten Meter zur Hütte. Peter musste sich anstrengen, um ihr zu folgen, und kam wenige Schritte hinter ihr beim Gatter des Gartens an. Klara rannte zu der alten Frau und umarmte sie überschwänglich.

      Das ernste Gesicht der Frau hellte sich für einen Moment auf. Agnes löste sich von Klara und blickte sie lächelnd an. Dann schob sie eine Strähne ihres weißen Haares zur Seite und wandte sich ihrem zweiten Besucher zu.

      »Hallo Peter. Was bietest du mir heute an, damit ich dir einen Liebestrank für Anna Bernheimer braue?«, fragte Agnes unschuldig.

      Klara drehte sich ruckartig zu Peter herum und funkelte ihn böse an. Peter lächelte verlegen und machte einen Schritt vom Gatter weg.

      »Ich habe heute noch wirklich viel zu tun, daher muss ich euch leider allein lassen.«

      Bevor Klara etwas erwidern konnte, war er schon in Richtung Dorf losgelaufen. Seine Schritte waren so schnell, dass er seinen Hut festhalten musste.

      »Was für ein Heuchler«, sagte Klara erbost. »Man hat ihn wohl noch nicht oft genug verprügelt.«

      »Er ist ein guter Junge, Klara«, antwortete Agnes mit ruhiger Stimme, nahm den Korb auf und ging zur Hütte.

      »Er ist ein Weiberheld, ein Nichtsnutz und ein Tagträumer. Den ganzen Tag stellt er den Röcken im Dorf nach und ärgert andere mit seinen dummen Streichen.«

      »Er hat ein ehrliches Herz, und er mag dich, Klara.«

      »Er mag jede junge Frau.«

      »Bei dir ist es etwas Besonderes.«

      »Das kann nicht dein Ernst sein«, antwortete Klara erstaunt.

      »Warum nicht?«

      »Weil er Spaß daran hat, mich zu ärgern. Wäre er nicht längst aus dem Alter heraus, würde er mir wohl wie früher einen großen Frosch in mein Bett legen